Das Deutschlandticket für die Schwerter Grundschulen wurde beschlossen, der Schulentwicklungsplan zur Kenntnis genommen und auch die Tatsache, dass das Planungsbüro Garbe & Lexis aus Münster der Schwerter Schullandschaft alles in allem wohl eine gute Note bescheinigen würde. Verwaltung und Politik können darauf gleichermaßen stolz sein.
Es sind die positiven Ausreißer in einer Sitzung, die – nach der Ratssitzung im September 2023 – zum zweiten Mal infolge ausuferte.
- Da geht es um das Streamen von Ratssitzungen, um der breiten Öffentlichkeit eine niederschwellige Möglichkeit zu geben, sich online über das politische Geschehen zu informieren.
- Es geht um Gelder für die Fraktionen und die Finanzierung der politischen Arbeit.
Auffällig: Die beiden Anträge (und ein dritter zur Einführung eines Bürgerrates), die in der letzten Ratssitzung des Jahres im Dezember behandelt wurden und für Zündstoff unter den Ratsmitgliedern sorgten, stammen von den Grünen. Ist das noch Oppositionspolitik oder schon Wahlkampf, während die Mehrheit aus SPD und CDU zuletzt auf Kuschelkurs war und einen Antrag nach dem nächsten abschmetterte?
Das Protokoll des Abends
Gegen die Live-Übertragung von Ratssitzungen etwa haben sich Christ- und Sozialdemokraten zuletzt gemeinsam ausgesprochen. Doch wenn schon nicht streamen, dann wollen wir hier einmal die Gelegenheit nutzen, Ihnen den Diskussionsverlauf der streitbarsten Themen zu präsentieren. Das Protokoll des Abends, das Raum für Interpretation lässt.
Streamen von Ratssitzungen
Die Zitate aus der Sitzung:
Michael Rotthowe (Grüne): „Wir hatten das Thema bereits am Anfang der Ratsperiode, da gab es eine Kostenschätzung und Bedenken wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Der Kreis Unna ist da weiter und hat schon mal eine Sitzung gestreamt. So viel Aufwand wie beim Kreis mit einem externen Dienstleister braucht es nicht, eine Basisvariante reicht. Wir haben vier Sitzungen im Jahr, das sollte zu machen sein.
Nicht so viele Leute kriegen live mit, was wir hier tun. Der Platz auf der Besucherempore ist begrenzt, es gibt steile Treppen. Bei einem Thema von Interesse sind die Plätze da oben nicht ausreichend. Entscheidungen eines politischen Gremiums sollten niederschwellig zugänglich gemacht werden.“
Marco Kordt (CDU): „Den Ansatz der Grünen können wir gut nachvollziehen, doch es gibt datenschutzrechtliche Fragen, die offen sind. Nicht geklärt ist, wie viele Menschen bei den Aufzeichnungen des Kreises wirklich davon Gebrauch machen. Unser Vorschlag ist, das Streamen von Sitzungen mit der Wahlperiode 2025 einzuführen.“
Nicole Schelter (CDU, Fraktion Freie Stimmen für Schwerte): „Wir sollten eine neutrale Berichterstattung sicherstellen, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, und das nicht erst mit der neuen Wahlperiode einführen, sondern vor der Wahl, um eine neutrale Sicht zu haben.“
Marc Seelbach (SPD): „Wir machen es in dieser Ratsperiode nicht, dazu gibt es einen Ratsbeschluss und das würden wir erst mal respektieren.“
Maximilian Ziel (Grüne): „Dieser Ratsbeschluss ist gefasst worden wegen einer viel zu teuren Variante. Darüber hinaus wird der Datenschutzbeauftragte vom Kreis Unna kein Laie sein. Das klingt so, als würden wir erst mal piano machen und auf 2025 warten. Wir sollten da ein bisschen mehr Mut wagen.“
Phillip Köhler (FDP): „Bei uns war die Diskussion kontrovers, ganz unterschiedliche Meinungen zu dem Thema sind möglich. Wir würden von der Verwaltung gerne wissen, wie man zu der Lösung beim Kreis Unna steht. Wie wäre das anwendbar? Datenschutz kann kein Vorwand sein. Die finanzielle Schätzung [zum Streamen von Ratssitzungen, Anm. d. Red.] war damals völlig fern ab von Gut und Böse und vielleicht ein Vorwand, um die Diskussion zu beenden? Das will ich natürlich niemandem vorwerfen. In Richtung SPD: Das ist eine merkwürdige Einstellung gegenüber demokratischen Beschlüssen.“
Nicole Schelter (Fraktion Freie Stimmen): „Da sich ja leider abzeichnet, dass dieser Antrag keine Mehrheit findet, schlage ich einen Test vor, dass wir sowas mal in den Ausschüssen ausprobieren, wo alle damit einverstanden sind. Ein Vorschlag erster Güte und ein Schritt ins 21. Jahrhundert.“
Andreas Czichowski (Wählergemeinschaft für Schwerte/WfS): „Versucht macht klug; ich glaube, es käme ein bisschen mehr Leben in die Bude.“
Einwand von Seiten der CDU: „Viele der inhaltlichen Diskussionen finden in den Ausschüssen statt. Macht das überhaupt Sinn, nur den Rat zu betrachten?“
Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD) als Vorsitzender des Stadtrates: „Das ist genau die inhaltliche Diskussion, die wir vor etwa zwei Jahren geführt haben.“
Phillip Köhler (FDP): „Ich würde mir eine fundierte Stellungnahme von der Verwaltung wünschen.“
Dimitrios Axourgos, in Richtung Köhler: „Solche Sätze loszuwerden, das missfällt mir [Anm. d. Red.: ‚Die finanzielle Schätzung war damals völlig fern ab von Gut und Böse und vielleicht ein Vorwand, um die Diskussion zu beenden?‘]. Wir haben aktuell keine Informationen, das ist unsere Aussage heute.“
Ergebnis der Diskussion
SPD und CDU stimmten gegen den Antrag der Grünen, das fraktionslose Ratsmitglied der AfD war ebenfalls dagegen. Dass Ratssitzungen in Schwerte online übertragen werden, wird also aktuell erst einmal nicht passieren.
Finanzierung der Fraktionen
Worum geht es hier überhaupt?
Die Schwerter Grünen-Fraktion fühlt sich bei der Aufteilung der Fraktionsfinanzen ungerecht behandelt. Neben einem Sachkostenzuschuss bekommen die Fraktionen auch Gelder für Personalzuwendungen. Die wurden zuletzt so bestimmt, dass Fraktionen mit bis zu drei Ratsmitgliedern jährlich 11.000 Euro erhalten, Fraktionen mit mehr als drei und bis zu zehn Ratsmitgliedern jährlich 15.500 Euro und Fraktionen mit mehr als zehn Ratsmitgliedern jährlich 25.000 Euro.
Die Fraktion der Grünen mit zehn Mitgliedern wird demnach im Hinblick auf die Personalkosten genauso behandelt wie eine Fraktion mit vier Mitgliedern. „Der Umstand, dass eine Fraktion mit zehn Mitgliedern mehr als doppelt so groß ist wie eine Fraktion mit vier Mitgliedern, wirkt sich also nicht auf die Höhe der Personalzuwendungen aus“, teilen die Grünen mit.
Andererseits erhalte eine Fraktion mit elf Mitgliedern, wie die Schwerter CDU, also mit einem Mitglied mehr eine um 9.500 Euro bzw. 61 Prozent höhere Zuwendung. „Es liegt auf der Hand, dass es einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung nicht gibt“, so die Grünen. „Dass der Bedarf einer Fraktion mit zehn Mitgliedern derselbe ist wie mit vier Mitgliedern, während eine Fraktion, die nur ein Mitglied mehr hat, gleich einen mehr als 60 Prozent größeren Bedarf hat, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar.“
Die Zitate aus der Sitzung:
Marco Sorg (Grüne): „In der September-Sitzung wurde ein Ratsbeschluss hervor geführt, der unsere Fraktion benachteiligt. Die CDU bekommt 10.000 Euro mehr für einen Sitz mehr, das sind 60 Prozent. Uns Grünen geht es um demokratische Fairness. Wir mussten eine Minijobstelle streichen, das beinhaltet eine erhebliche Einschränkung unserer Wirkungsfähigkeit – und das ist im vollen Bewusstsein geschehen. Wir haben das gerügt und das war ein einmaliger Vorgang. Schade, dass wir mit Blick auf diese Diskussion die Ratssitzung nicht längst streamen.“
Marlies Mette (SPD): „Genau deswegen will ich das nicht.“
Bruno Heinz-Fischer (Grüne): „Das ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, gegen einen Verfassungsgrundsatz. Wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie gegen die Verfassung sind, dann ziehen wir vor das Verwaltungsgericht. Ich wende mich hier auch an den Bürgermeister: Zu den Aufgaben Deines Amtes gehört, für eine Fairness zu sorgen innerhalb des politischen Prozesses, deswegen sind wir gespannt auf Deine persönliche Meinung.“
Andreas Becker (WfS): „Es könnte ja nach der Wahl passieren, dass die jetzt noch großen Parteien plötzlich die kleinen sind. Wir sollten ein Finanzierungsprogramm auf die Beine stellen, dass jeder Kopf gleich viel kriegt.“
Marc Seelbach (SPD): „Beim Thema Fairness gehört auch dazu, dass man sich an Vereinbarungen und Abstimmungen hält und wir haben das [die Staffelung der Fraktionsfinanzen, Anm. d. Red.] damals alle zusammen beschlossen. Die Anträge von den Grünen, die wir jetzt hier diskutieren, sind alle haushaltsrelevant, es gibt Social-Media-Aktivitäten von den Grünen, die wir so nicht verstehen. Das hat auch was mit demokratischen Gepflogenheiten zu tun. Rechtssicherheit ist das höchste Gut hier, dazu gab es bereits eine Stellungnahme der Verwaltung.“
Marco Kordt (CDU): „Die inhaltliche Diskussion haben wir mehrfach geführt. Was uns irritiert, ist, die Drohung in den Raum zu stellen, dass es hier einen Verfassungsbruch gibt. Ich kann den Grünen nur empfehlen, vors Gericht zu ziehen, dann werden wir sehen, wie das ausgeht. Das ist ein Drohszenario, das hier aufgebaut wird, die Grünen sollten mal ihren Sprachduktus reduzieren.“
Marco Sorg (Grüne): „Wir sind nicht schuld daran, dass es zu dieser Situation gekommen ist. Die Diskussion ist kein Argument für diese Situation. Mir fehlt ein Sachargument, warum wir wesentlich weniger Geld bekommen als die CDU, obwohl unsere Fraktion nur ein Ratsmandat weniger hat.“
Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD) als Vorsitzender des Stadtrates: „Das ist eine Wiederholung der Diskussion von letztem Mal.“
Marco Sorg (Grüne): „Wir sind hier eine Minderheit, die überfrontet wird, das ist alles nicht sachlich zu begründen.“
Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD): „Es ist ein demokratisches Prinzip und in einer demokratischen Wahl mehrheitlich so beschlossen worden. Ich frage mich auch, wieso ich persönlich angesprochen werde. Der Rat hat diese Staffelung der Fraktionsfinanzen so beschlossen, dann hat es eine Veränderung der Verhältnisse im Rat gegeben und dann mussten wir zu einer Neujustierung kommen durch die Fraktionsauflösung [der AfD, Anm. d. Red.].
Dann hat es eine Neukonstituierung einer Fraktion gegeben [Freie Stimmen für Schwerte, Anm. d. Red.] und eine Runde mit Bruno Heinz-Fischer von den Grünen. Herr Heinz-Fischer wird mir hoffentlich zustimmen: Es hat eine demokratische Entscheidung gegeben, dass man bei der alten Staffelung bleibt, mit den Fraktionszuwendungen und -geldern. Wenn der Wunsch da ist, dass die Fraktionszuwendungen anders berechnet werden, dann muss es dafür eine Mehrheit im Rat geben.
Ich muss sagen: Wenn die Grünen mit einem demokratischen Ergebnis nicht zufrieden sind, dann müssen sie den Rechtsweg gehen. Ob es das Richtige ist, mit Steuergeldern Gerichtsprozesse zu führen, weiß ich nicht.“
Nicole Schelter (Fraktion Freie Stimmen): „Es hat keine Sachargumente gegeben, man muss sich neuen Gegebenheiten auch mal anpassen. Die Situation erlaubt uns [der Fraktion „Freie Stimmen für Schwerte“, Anm. d. Red.] eine gewisse Neutralität, weil unsere Fraktion da keinen Nutzen draus hat, deswegen kann ich den Vorschlag der Grünen verstehen. Warum sollen wir die Schwankungsbreite in den Fraktionsfinanzen so hinnehmen?“
Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD), in Richtung Schelter: „Sie waren der größte Profiteur, weil Sie als fraktionsloses Mitglied eine Fraktion gebildet haben.“
Nicole Schelter (Fraktion Freie Stimmen): „Das geht unter die Gürtellinie.“
Andreas Czichowski (WfS): „Wir sollten das pro Kopf rechnen, das Budget bestimmt den Handlungsrahmen und das muss angepasst werden. Wir haben einen Konflikt, der sich kaum lösen lässt. Die Fraktionen möchte ich zur Flexibilität ermahnen.“
Maximilian Ziel (Grüne), in Richtung Bürgermeister Dimitrios Axourgos: „Sie haben den Umgang mit Steuergeldern angemahnt, aber wir haben immer wieder betont, dass wir uns ungerecht behandelt fühlen. Sie sind hier auch mal als Vermittler gefragt. Sie hätten die Streitigkeit vom Tisch fegen können.“
Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD): „So zu tun, als ob alle gegen Sie waren, das ist so nicht richtig. Wenn man Respekt einfordert, dann gilt das auch für viele andere.“
Ergebnis der Diskussion
SPD und CDU stimmten mehrheitlich gegen den Antrag der Grünen, die Fraktionsfinanzen anzupassen. Schlussendlich wollen die Grünen gegen die Aufteilung der Gelder vor das Verwaltungsgericht ziehen.
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