
© Reinhard Schmitz
Nagel-Fallen auf „Sexparkplatz“: Wer hat solchen Hass auf Schwule?
Polizei in Schwerte
Was passiert nachts weit außerhalb von Ergste? „Gegen Sexparkplatz“ haben Unbekannte auf ein Transparent geschrieben, das zwei Symbole für Männer zeigt. Es wurden auch Nägel ausgestreut.
Die Botschaft auf dem Transparent war eindeutig. „Gegen Sexparkplatz“ stand in großen weißen Buchstaben auf der schwarzen Folie, die am Montagmorgen zwischen zwei Bäume an der Ruhrtalstraße gespannt war. Eindeutig daneben gemalt war ein Homo-Symbol. Doch bei bloßen Worten blieb es nicht.
Unmittelbar hinter dem Abzweig, der eigentlich Wanderer zu der kleinen Abstellfläche im Wäldchen an der Autobahnauffahrt Ergste führen soll, lauerten die ersten Nägel auf dem matschigem Weg. Hunderte weitere spitze Reifenkiller in allen möglichen Größen waren dahinter fast auf dem ganzen Parkplatz verteilt. Wer kann einen solchen Hass entwickeln?
Kontaktsuche auf Parkplätzen ist im digitalen Zeitalter „mega-out“
„Uns ist dieser Parkplatz als Schwulentreff nicht bekannt“, erklärt Manuel Izdebski, Geschäftsführer der Aidshilfe Unna. So etwas habe es früher mal an der „Fuchsegge“ an der Autobahn A1 bei Hamm gegeben, aber das sei auch schon seit Jahren vorbei.
Genauso wie auf dem „Johannes“-Parkplatz an der A45 bei Dortmund-Süd, wo Privat-Aids-Aktivist Uwe Görke-Gott seinerzeit Präventionsarbeit betrieben und Kondome verteilt hat. Zu Ergste kann er nur sagen: „Es ist mir neu, dass das ein Schwulenparkplatz geworden ist.“ Außerdem sei „Cruising“, wie die Kontaktsuche auf solchen Flächen genannt wurde, doch „mega-out“.

Der Wanderparkplatz an der Ruhrtalstraße: Das städtische Fahrzeug war am Montagmorgen gekommen, um illegal abgekippten Müll im Gebüsch einzusammeln. © Reinhard Schmitz
Durch die Digitalisierung gebe es inzwischen viel einfachere Möglichkeiten, um Kontakte anzubahnen, weiß auch Manuel Izdebski: „Diese Rastplätze sind voll aus der Zeit gefallen. Heute gibt es Apps zum Daten.“ Da brauche niemand mehr bei Kälte und Dunkelheit zwischen Autos herumzulaufen, ergänzt Uwe Görke-Gott. Auch nicht Hetero-Männer, die ab und zu den „Kick suchen“ mit einem Mann – wovon sie der Ehefrau zu Hause nichts erzählen.
Aids-Hilfe kennt den Platz nur wegen Wohnwagen-Prostitution
Den Wanderparkplatz an der Ruhrtalstraße kennt die Aids-Hilfe nur im Zusammenhang mit Wohnwagen-Prostitution. Als vor Jahren der Straßenstrich in Dortmund geschlossen wurde, habe es Befürchtungen gegeben, dass die Damen nach Schwerte verdrängt werden könnten – was aber nicht eintrat.
Danach seien diese Stimmen aber auch verstummt. Es sei ruhig geworden an dem Platz in Ergste.
Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen
Aus irgendwelchen Gründen ist es damit aber plötzlich vorbei. „Da versucht jemand, Selbstjustiz zu betreiben“, glaubt Manuel Izdebski. Inzwischen ist es auch ein Fall für die Polizei geworden.
„Es kann kein Zufall sein, dass an dieser Ecke Nägel ausgestreut worden sind und das Plakat aufgehängt worden ist“, sagt Polizei-Pressesprecher Christian Stein (Unna). Beides hätten seine Kollegen vorgefunden, als sie auf den Hinweis dieser Redaktion hin vor Ort waren.
Man habe die Autobahnmeisterei informiert und darum gebeten, die Nägel entsorgen zu lassen. Das sollte auch rasch geschehen. Gleichzeitig sei das Plakat abgenommen und sichergestellt worden.

Hunderte von Nägeln und ausgediente Kondome liegen auf dem matschigen Untergrund des Wanderparkplatzes an der Ruhrtalstraße. © Reinhard Schmitz
Es ist ein Beweismittel in dem Ermittlungsverfahren, das die Beamten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr oder Sachbeschädigung eingeleitet haben. Wie das Delikt letztlich eingestuft wird, sei Sache der Justiz.
Sex in der Öffentlichkeit ist in Deutschland nicht verboten
Für die Abnahme des Transparents gab es noch zwei weitere Gründe, wie Christian Stein erläutert. Einmal geschah es im Zuge der Gefahrenabwehr, da der Kernbegriff „Sex“ in der Aufschrift jedem Vorbeifahrenden ins Auge springe und ablenken könnte.
Zum anderen könnte auch noch die Diskriminierung einer sexuellen Orientierung im Raume stehen, weil sich jemand mit den beiden Gender-Symbolen für den Mann gezielt gegen homosexuelle Handlungen ausspreche. Grundsätzlich verboten sei Sex in der Öffentlichkeit in Deutschland nicht, solange sich kein Dritter dadurch belästigt fühle.
Eine Strafanzeige gegen unbekannt prüft auch die Stadt Schwerte, die sich gegen jede Form der Diskriminierung ausspricht. Wie Pressesprecher Ingo Rous mitteilt, würden Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofes den Parkplatz mit einer Kehrmaschine reinigen. Weitere Beschwerden oder Bemerkungen zu dem „Sexparkplatz“ lägen nicht vor.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
