Prognose: SPD in Schwerte vor der CDU
Bundestagswahl 2017
Noch gut vier Wochen bis zur Bundestagswahl. Im Wahlkreis 144 (Unna I) hat der SPD-Kandidat Oliver Kaczmarek derzeit einen Vorsprung auf Hubert Hüppe (CDU). Das sagt zumindest eine aktuelle Prognose. Worauf stützt sich diese Vorhersage - und was sagen die Kandidaten dazu?

Die Wahlkreisprognose kommt vom Hamburger Datenanalytiker Matthias Moehl. Sein Unternehmen election.de sieht Kaczmarek bei 42 Prozent, während Hüppe nach seinen Berechnungen derzeit bei 34 Prozent der Stimmen liegt.
Auch wenn ein Unterschied von acht Prozent sehr deutlich klingt, für den Statistiker ist diese Vorhersage nur ein „Vorsprung“. Denn: Die „Unschärfe“ liege für jede Prognose „bei plusminus 3 oder 3,5 Prozentpunkten“, so Moehl. Heißt also: Das Erststimmen-Rennen im Wahlkreis Unna I ist noch längst nicht gelaufen.
Wie sehen die Ergebnisse der anderen Parteien laut der Prognose aus?
Ruth Thiez (Die Linke) landet bei fünf Prozent, so Moehl. Auf denselben Wert kommt Michael Sacher von den Grünen. Während AfD-Kandidat Andreas Handt mit sieben Prozent der Erststimmen rechnen kann, sieht election.de die FDP-Kandidatin Heike Schaumann nur bei zwei Prozent.
Wer steckt eigentlich hinter election.de?
Matthias Moehl (50) ist Diplom Informatiker. Seit 2002 arbeitet er als Politikberater und Wahlanalyst. Unter dem Firmennamen election.de bietet er Erststimmen-Vorhersagen für jeden der 299 Bundestagswahlkreise an. Der Hamburger füllt damit eine Nische, die die großen Meinungsforschungsinstitute nicht besetzen.
Die müssten, um eine Prognose abgeben zu können, im jeweiligen Wahlkreis Umfragen durchführen. Der Aufwand käme zu teuer. Moehl macht es günstiger und ist folglich gut im Geschäft. Die Liste seiner Referenzen reicht von den im Bundestag vertretenen Parteien über Rundfunk und Fernsehen bis hin zu den Redaktionen von The Economist, Der Spiegel oder den Ruhr Nachrichten.
Worauf stützt sich die Prognose?
Die Erststimmen-Prognosen von election.de beruhen nicht auf eigenen Umfragen. Moehl ist kein Meinungsforscher. Er ist das, was man neudeutsch „Data-Miner“ nennt: einer, der in Datenbergen buddelt mit dem Ziel, neue Querverbindungen und verborgene Zusammenhänge zu entdecken.
Der Datenberg, den Moehl mit seinem Algorithmus durchforstet, besteht aus den Ergebnissen bisheriger Bundestags-, Landtags- und Europawahlen im jeweiligen Wahlkreis, aus den aktuellen Ergebnissen von repräsentativen Wählerbefragungen der großen Demoskopie-Institute, aus Daten über die zur Wahl stehenden Kandidaten und den Zuschnitt des jeweiligen Wahlkreises sowie aus Erkenntnissen über Stimmen-Splitting (unterschiedliche Abgabe von Erst- und Zweitstimmen) und Wählerwanderungen.
Welche Bedeutung haben die Kandidaten?
So ernüchternd das für den Einzelnen sei: „Der Faktor Individuum ist sehr überschaubar. Nur bis zu fünf Prozentpunkte kann ein Kandidat selbst bewegen.“ Das heißt: Wenn die SPD in einem Wahlkreis 30 Prozent der Zweitstimmen bekommt, schafft ein sehr guter Bewerber vielleicht 34 Prozent der Erststimmen, ein eher schwacher Kandidat muss sich mit 27 Prozent begnügen.
Was ist die Prognose wert?
Kritiker monieren, das Umrechnen bundesweiter Zweitstimmen-Trends auf Erststimmen in einzelnen Wahlkreisen könne nur mit Unsicherheiten behaftet sein. Matthias Moehl kontert mit dem Hinweis auf eine hohe Treffsicherheit. Bei der Bundestagswahl 2013 sagte election.de das Erststimmen-Ergebnis in 279 der 299 Wahlkreise richtig voraus – eine Quote von 93 Prozent.
Vor der Landtagswahl in NRW am 14. Mai 2017 hat der Hamburger Daten-Experte in 117 der 128 Wahlkreise den Sieger korrekt vorhergesagt. Das entspricht einer Quote von 91 Prozent. Seine NRW-Prognose, brüstet sich Moehl, habe näher am Wahlergebnis gelegen „als alle Umfragen, die vor der Wahl von den großen Instituten veröffentlicht wurden“.
Was sagen die Kandidaten zu der Prognose?
Für Hubert Hüppe von der CDU sieht der Abstand keineswegs uneinholbar aus. „Ich führe aber eh immer einen Stimmenwahlkampf und verlasse mich nicht darauf, dass die Liste zieht. Meine Strategie werde ich jetzt nicht ändern“, so Hüppe. Auch für den Erststimmen-Favoriten Oliver Kaczmarek ändert sich durch die Vorhersage wenig. „Der Wahlkampf fängt eigentlich jetzt erst an“, sagt er. Der Terminplan für die nächsten Wochen stehe fest. „Wichtig ist, dass ich mit möglichst vielen Leuten ins Gespräch komme“, so Kaczmarek.
Wie sahen die Ergebnisse bei der Bundestagswahl 2013 aus?
Damals holte der SPD-Kandidat Kaczmarek 46,7 Prozent der Erststimmen, Hubert Hüppe 35,8 Prozent. Heike Schaumann (FDP) landete bei 1,7 Prozent, Walter Wendt-Kleinber von den Linken bei 5,3, Malte Spitz (Grüne) bei 5,5 Prozent.