Schwerter Politiker beziehen Stellung zur AfD-Debatte „Höcke ist immer noch ein Mensch“

Schwerter Politiker zur AfD-Debatte: „Höcke ist immer noch ein Mensch“
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Im ganzen Land finden zurzeit Protestmärsche, Demonstrationen und Kundgebungen statt, die sich gegen die Alternative für Deutschland (AfD) aussprechen. Anlass sind die Enthüllungen über ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten, Neonazis und AfD-Mitgliedern in Potsdam. Auch in Schwerte findet am Samstag (27.1.) eine Kundgebung auf dem Postplatz statt, zu der das Bündnis Schwerte gegen Rechts aufgerufen hat.

Eine der zentralen Forderungen der Demonstranten ist ein Verbot der AfD. Zeitgleich fordert die Bürgerbewegung Campact in einer Petition, man solle Björn Höcke die Grundrechte verwirken – ihm per Verfahren also einzelne Grundrechte entziehen.

Wir haben bei Schwerter Fraktionsmitgliedern nachgefragt, wie sie sich in dieser politisch-gesellschaftlichen Debatte positionieren und ob sie bei der Demo am 27. Januar in Schwerte vertreten sein werden. Vorweg: Das lässt sich bejahen. Fast alle der befragten Politiker werden am Samstag, vor allem als Privatperson, dort sein, sagen sie.

CDU: Rechtsdruck minimieren

Sascha Enders (CDU)
Sascha Enders (CDU) © CDU

Sascha Enders distanziert sich im Namen der CDU Schwerte von der AfD. Ein solches Parteiverbot, wie es aktuell diskutiert wird, wäre eine Möglichkeit, den Rechtsdruck zu minimieren, sagt Enders. „Ein Verbot klingt sinnvoll, die Entscheidungsfindung liegt aber nicht in Schwerte“, hält er sich bedeckt. Um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen, wird er am Samstag gemeinsam mit der CDU-Fraktion bei der Kundgebung sein.

SPD: „Höcke ist ein Nazi“

Marc Seelbach
Marc Seelbach, Fraktionsvorsitzender der SPD © SPD

Auch Marc Seelbach hält sich auf kommunaler Ebene zurück. „Das ist eher eine bundespolitische Debatte. Auf kommunaler Ebene hat das keine Beschlusslage.“ Dennoch verfolgt die SPD Schwerte die Diskussionen und verweist auf den damaligen Versuch, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten: „Das Bundesverfassungsgericht hat damals das Verbotsverfahren nicht verfolgt, obwohl die Partei als sicher rechtsextrem eingestuft worden ist“, erklärt Seelbach.

Einem Parteiverbot seien also hohe Hürden gesetzt und dauere mehrere Jahre. Dementsprechend sei das Verbot mit Vorsicht zu genießen: „Wenn man so ein Verfahren ohne Erfolg abbrechen muss und die AfD nicht verboten wird, schafft das Märtyrertum.“

Das beste, um gegen die AfD vorzugehen, sei eine gute Politik, die nicht im Widerspruch mit den Bürgerinnen und Bürgern steht, schlägt Seelbach als präventive Lösung vor.

Die Petition von Campact habe Seelbach selbst unterschrieben: „Herr Höcke ist ein Nazi und darf niemals Ministerpräsident in Thüringen werden.“ Seelbach selbst ist bereits in Bochum und Dortmund bei den Demonstrationen mitgelaufen und wird auch am Samstag in Schwerte dabei sein.

FDP: „Spannender Fall“

Phillip Köhler, FDP
Phillip Köhler (FDP) © FDP

„Das Problem der rechtsextremen Unterwanderung ist weit fortgeschritten“, sagt Phillip Köhler von der FDP Schwerte: „Daher kann ich verstehen, woher der Gedanke kommt.“ Wie Seelbach zieht auch er einen Vergleich zur NPD: „Da haben wir gesehen, dass es ein langwieriger Prozess ist.“

Für die aktuellen Wahlen mache ein AfD-Verbot keinen Sinn. „Im Osten liegt die AfD bereits bei 30 Prozent. Ich bin mir sicher, dass es bis zur nächsten Wahlperiode nicht gelingen würde, die AfD zu verbieten.“ Er persönlich sieht ein Verbot als nicht durchsetzbare Lösung für das Problem. „Der Aufschrei wäre zu groß und genauso groß ist auch die Gefahr, dass man noch mehr in die Märtyrer-Rolle gerät.“ Der Demokratie würde man damit keinen Gefallen tun.

Die Petition für die Grundrechtsverwirkung Höckes sei eine interessante Sache. „Mein juristisches Halbwissen geht aber nicht so weit, dass ich das beurteilen könnte“, gesteht er. „Ich glaube, so einen Fall hat es bisher noch nicht gegeben.“ Im Vergleich zu einem Parteiverbot sei dieser Fall dennoch anders zu bewerten. Hier gehe es nämlich um konkrete Dinge, die Höcke gesagt oder getan hat. „Das erscheint mir greifbarer als ein Parteiverbot. Ich wäre gespannt, wie die Gerichte so einen Fall verhandeln würden.“

Bei der Demonstration werde er anwesend sein: „Ich werde mit vielen Leuten aus meinem privaten und politischem Umfeld da sein“. Als Bühne für seine Politik möchte er die Demonstration nicht nutzen.

Grüne: Weimarer Republik und Zweiter Weltkrieg

Michael Rotthowe (Bündnis 90/Die Grünen)
Michael Rotthowe (Bündnis 90/Die Grünen) © Bündnis 90/Die Grünen

Michael Rotthowe, der für die Grünen im Stadtrat sitzt, erinnert an Zeitgeschichte: „Das Grundgesetz wurde damals unter Eindruck des Zweiten Weltkriegs und der Weimarer Republik geschrieben. Da hat man klugerweise auch die Möglichkeit eines Parteiverbots mit den entsprechenden Hürden eingebaut.“ Dass die AfD dahingehend geprüft werden soll, sei laut Rotthowe richtig. Wenn dabei herauskomme, dass ein Verbot nötig sei, dann müsse das auch so sein.

Jemandem die Grundrechte zu verwirken, davon halte er nichts: „Björn Höcke ist immer noch ein Mensch. Wenn auch kein guter“, so Rotthowe.

WfS: Gewaltfreie Lösungen

Andreas Czichowski (WfS)
Andreas Czichowski (WfS) © WfS

Andreas Czichowski von der Wählergemeinschaft für Schwerte reagiert emotional auf die Anfrage: „Das ist ein Thema, das mich berührt.“ Sicher sei, dass die AfD eine Partei ist, die keine Existenzberechtigung haben sollte. In einer Demokratie müsse man sich mit verschiedenen Meinungsbildern auseinandersetzen, aber die AfD überschreite in ihrer Tätigkeit rote Linien. Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie sei Meinungsfreiheit und unabhängige Politik. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wurde den Menschen hinterlassen und „nach der sollten wir uns als Privatpersonen, Politiker und im Alltag richten“.

Auch wenn die AfD niemand braucht, so Czichowski, müsse ein Parteiverbot der AfD gut überlegt werden. „Das, was man einem politischen Gegner antut, könnte in Zukunft auf einen selbst zurückfallen“, gibt er zu bedenken. „Wenn das nicht durchgesetzt wird, ist die AfD mit einer größeren Freude am Markt als je zuvor.“

Was Czichowski vor allem beschäftigt, ist die Umsetzung in der Lokalpolitik und nennt ein Beispiel: „Nehmen wir an, in Schwerte soll ein Schlagloch behoben werden und die AfD hat das angemerkt. Nur weil es die AfD ist, können wir das Schlagloch nicht Schlagloch sein lassen.“

Czichowski macht deutlich: Als Politiker müssen gewaltfreie Lösungen gebracht werden, um die Menschen an die Hand zu nehmen. „Ich möchte eine friedliche Gesellschaft, die positiv in die Zukunft blicken kann.“ Dazu bedarf es einer Stimmung, die nicht angstvoll auf Krisen schaut, sondern effiziente Lösungen findet und für die Bürgerinnen und Bürger glaubhaft ist. „Links und rechts hören und in der Mitte denken“, gibt Czichowski noch einen Tipp.

Sebastian Rühling: „Feige und lächerlich“

Sebastian Rühling (Bündnis Deutschland; Mitglied der Fraktion „Freie Stimmen für Schwerte“)
Sebastian Rühling (Bündnis Deutschland; Mitglied der Fraktion „Freie Stimmen für Schwerte“) © Freie Stimmen

Sebastian Rühling, Mitglied der Fraktion Freien Stimmen für Schwerte und Ex-AfDler, spricht für sich und nicht für die Fraktion: Laut Rühling versuchen die etablierten Parteien die AfD schon länger zu verunglimpfen. Die Methoden gegen die Partei und die Menschen dahinter seien „eklig“, ein Parteiverbot „nicht durchsetzbar“, „feige“ und „lächerlich“.

Campact ist für Rühling keine Bürgerbewegung, sondern genau wie das Medium Correctiv, das das Potsdamer Geheimtreffen aufgedeckt hatte, ein politisch gesteuertes Medium. Einem die Grundrechte zu verwirken, sei zutiefst undemokratisch und verachtenswert: „Besonders wenn es politisch motiviert ist.“

Bei der Kundgebung am Samstag werde Rühling nicht sein: „An einer Demo, die vom linksextremen Bündnis Schwerte gegen Rechts organisiert wird, werde ich nicht teilnehmen“, konstatiert er.

Peter Weyers: Bevölkerung hat Gefahr verstanden

Peter Weyers
Peter Weyers (Bündnis Sahra Wagenknecht; fraktionsloses Ratsmitglied) © Irina Höfken (A)

Als fraktionsloses Mitglied im Schwerter Rat äußerte sich Peter Weyers schriftlich zur geplanten Kundgebung am Samstag. Weyers, der sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht angeschlossen hat, ist froh über die Demonstrationen und Kundgebungen im ganzen Land: „Es scheint, als hätten große Teile der Bevölkerung jetzt verstanden, welche Gefahr von den Protagonisten dieser Partei ausgeht“, schreibt er und unterstützt die Ziele und Aktionen des Bündnisses „Schwerte gegen Rechts“.

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