
© Reinhard Schmitz
Mit dem Segway auf den Spuren der Kohle: Der Ruhrlander rollte im Kilt durch Schwerte
Abschied vom Bergbau
Ein Mann im Kilt, der auf einem Segway durch Schwerte rollt. Das sorgte für verwunderte Blicke. Hinter der Szene steckt eine Aktion, die den Ruhrlander Dirk Welter durch 53 Städte führt.
Wer rumpelte da im Kilt auf einem Segway über das Pflaster des eiskalten Marktplatzes? Erstaunt drehten die Gäste, die sich vor den Cafés bei einem Kaffee oder Kakao aufwärmten, die Köpfe. „Was ist da drunter?“, entfuhr es ihnen prompt in Richtung zu dem Mann im Schottenrock.
Tausendmal hat Dirk Welter diese Frage schon gehört. Alles richtig. Denn der eigenwillige Aufzug und das ungewöhnliche Fortbewegungsmittel machen es dem 52-Jährigen leicht, mit den Menschen der 53 Ruhrgebietsstädte ins Gespräch zu kommen, die er auf seiner Tour als „Ruhrlander“ ansteuert.
53 Tage untwegs: Abschluss bei „Schicht im Schacht“
Name und Aufzug erinnern ganz bewusst an den Helden des Fantasy-Kinohits „Highlander“. „Was dem Highlander seine Highlands, das sind für uns die Halden“, sagt Welter. Über 100 Meter hoch war immerhin beispielsweise der Abraumberg „Großes Holz“, den er in Bergkamen bestiegen hat. Und in Bottrop wartet sogar mit 185 Metern die „Halde Haniel“ als höchste künstliche Erhebung des Reviers.
Doch die wird der „Ruhrlander“ erst ganz am Ende seiner 53-tägigen Runde durch die Metropole Ruhrgebiet erleben. Am 21. Dezember ist für ihn bei der Festveranstaltung „Schicht im Schacht“, mit der die deutsche Steinkohlenförderung auf der Zeche Prosper Haniel endgültig endet, ebenfalls Schluss mit dem Projekt, das vor allem den Wandel des Reviers aufspüren will.
Am Herzen liegt dem Segway-Fahrer ein Wandel des Images. Dabei dürfe man nicht nur auf das Thema Industriekultur setzen: „Ich finde, wir müssen uns frischer verkaufen, als uns immer nur im schwarzen Drumherum zu befinden.“
Schwerte nach Neun-Stunden-Tour erreicht
Am 29. Oktober in seiner Heimatstadt Essen gestartet, erreichte Welter als 22. Etappenziel am Montagabend die Ruhrstadt. Nach einer Neun-Stunden-Tour von Holzwickede über den Phoenixsee und Höchsten – einschließlich der Pausen, in denen die Batterie des Segways wieder aufgeladen werden wollte.
Regelmäßig muss nach einer 230-Volt-Steckdose Ausschau gehalten werden. „Normal beträgt die Reichweite 25 bis 30 Kilometer“, erklärt der Ruhrlander. Aber jetzt reduziert sie die eisige Kälte auf 15 bis 18 Kilometer. Warum also die ganze Aktion im Winter? „Im Sommer kann jeder“, kommt es mit einem Schmunzeln zurück. Es sei eben eine größere Herausforderung, wenn die Reichweite kürzer werde.
Weil der maximal 20 Stundenkilometer schnelle Segway als „elektrische Mobilitätshilfe“ eingestuft ist, dürfe er sowohl auf der Straße als auch auf Fahrradwegen fahren, sagt Welter. Vorteil gegenüber einem Mofa sei es auch, dass er sogar Reitwege im Wald benutzen dürfe. So lassen sich manche Strecken abkürzen.
Schon spektakuläre 14-Tage-Tour gemeistert
Der Essener ist ein Profi auf dem Rollbrett mit der Lenkstange, das allein durch Verlagerung des Körpergewichts gebremst wird. Schon die Veranstaltungsreihe „Ruhr 2010“ begleitete er mit verschiedenen Aktionen. Die spektakulärste war die 14-Tage-Fahrt von Duisburg zum Hamburger Hafen, bei der er unter anderem ein Stück des Weges per Anhalter auf einem Binnenkahn mitschippern konnte.
Das Engagement kommt nicht von irgendwo. „Ich bin Mitinhaber einer Segway-Agentur“, verrät der gelernte Marketing- und Werbekaufmann. Derzeit ständen rund 20 verschiedene Touren im Ruhrgebiet im Angebot: „Unterwegs habe ich überlegt, wo weitere Touren möglich wären.“
Henrichenburg oder Bergkamen könnten schon reizen: „Wenn sich in Schwerte und Umgebung schöne Orte finden, dann vielleicht auch hier.“ Mal schauen, für das Besuchsprogramm geplant waren jedenfalls die Senfmühle, die Rohrmeisterei und das Kulturzentrum Rattenloch – gestärkt mit einer Bratwurst vom Stand der Metzgerei Lewe.
Übernachtung auf der Couch und Tipps zur Stadt
Bevor sich die Dunkelheit über den Ruhrtalradweg legte, sollte es dann – mit einem Abstecher über die Hohensyburg – weitergehen in Richtung Herdecke. Die Unterkunft für die Nacht wurde dort wie immer über das Internetportal „Couchsurfing.org“ besucht. „Das bietet die Möglichkeit, weltweit auf einer Couch kostenfrei zu schlafen“, erzählt Welter. Meistens Studenten, aber auch andere Bürger würden das anbieten – ohne gegenseitige Verpflichtung, dasselbe zu tun.
Da kommt man gut mit den Leuten aus der Umgebung zusammen“, sagt der Ruhrlander. In Schwerte beispielsweise bot eine junge Familie in der Innenstadt ihre Couch zum Schlafen an: „Sie gaben mir gute Tipps über die die Stadt.“
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
