
Michael Sacher, Buchhändler aus Unna, ist seit Kurzem Abgeordneter für den Wahlkreis Unna I in Berlin. Das Foto zeigt ihn am Modell des Reichstages im Reichstag. © Marcel Drawe
Michael Sacher (58): Vom Buchhändler zum Bundestagsabgeordneten
Video-Reportage
Der Start war etwas holprig, doch inzwischen ist Michael Sacher (58) im Bundestag angekommen. Wir haben ihn dort besucht und geschaut, was er dort als Abgeordneter eigentlich macht.
Es ist Donnerstag, 7.15 Uhr im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Die Sonne bahnt sich ihren Weg am Horizont und die Hauptstadt erwacht zum Leben. Am kleinen unscheinbaren Hotel nahe der Stadtbahn machen sich Monteure auf den Weg zu ihren Baustellen. Ganz und gar nicht nach Baustelle sieht der nächste Hotelgast aus, der aus dem Haupteingang auf die Straße tritt. Es ist Michael Sacher (58), Buchhändler aus Unna.
Erst drin, dann draußen und schließlich doch noch im Bundestag
Für die Partei Bündnis 90/Die Grünen sitzt er seit wenigen Wochen als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Sein Start hätte freilich etwas flüssiger verlaufen können. Nachdem das Ergebnis der Bundestagswahl im vergangenen Jahr für die Grünen so gut ausgefallen war, war Sacher bei den ersten Terminen der neuen Legislaturperiode in Berlin bereits dabei. Bis der Wahlleiter das amtliche Endergebnis verkündete – die Grenze verlief genau vor dem Listenplatz von Michael Sacher. Also doch kein Bundestagsabgeordneter.
Dann kam die Landtagswahl in NRW, die Grünen schnitten wieder gut ab, und Oliver Krischer wechselte aus Berlin ins Landesministerium für Umwelt. Plötzlich war Michael Sacher doch wieder „drin“ im Bundestag.
„Einen schönen guten Morgen“, wünscht Sacher gut gelaunt, als er in feinem Zwirn aus dem Hotel kommt. Man merkt ihm keine Aufregung an, obwohl heute ein ganz besonderer Tag für ihn ansteht. Michael Sacher wird heute seine erste Rede im Plenum halten.
Eine Wohnung in Berlin zu finden ist nicht leicht
Wir machen uns gemeinsam auf den Weg zur S-Bahn. „Ich bin noch auf der Suche nach einer Wohnung, aber das ist in Berlin nicht einfach“, berichtet Sacher. „Daher muss im Moment noch das Hotelzimmer herhalten. Ich schaue immer, dass ich nahe der S-Bahn wohnen kann, um gut ins Büro zu kommen“. Bundestagsabgeordneter und Reporter mischen sich in Charlottenburg ins Getümmel der Hauptstadt.
Wir steigen an der S-Bahn-Station „Friedrichstraße“ in Berlin-Mitte aus. „Mache ich eigentlich ganz gerne, denn bei einem kleinen Fußweg die Spree entlang kriegt man den Kopf nochmal angenehm frei“, sagt Sacher. Nach einer Sicherheitskontrolle, die der an einem Flughafen in nichts nachsteht, erreichen wir gegen 8 Uhr das Büro von Michael Sacher.
Er ist der Erste dort. Seine drei Mitarbeiter, die jeder Abgeordnete hat, kommen meist gegen halb neun. „Ich genieße gerne noch ein wenig die Ruhe, bevor der Trubel richtig losgeht“, sagt Sacher während er die ersten E-Mails sichtet. Auch sein Manuskript wird an diesem Morgen nochmal ausführlich studiert.
Die Reden werden meist zu Wochenbeginn in einer Fraktion vergeben, so hatte Sacher ein paar Tage Zeit sich vorzubereiten. „Inhaltlich ist die Rede eigentlich fertig, aber ich vertiefe mich gerne nochmal, um wirklich sicher zu sein“, sagt Sacher.

Im Interview: die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge (l.) und Britta Haßelmann (2.v.r.) mit „Neuling“ Michael Sacher (2.v.l.) und Reporter Marcel Drawe. © Ray Heese
Am Plenarsaal angekommen, treffen wir die Fraktionsspitzen der Grünen, Britta Haßelmann und Katharina Dröge. Dann zeigt uns Sacher sein neues Büro im UDL. „Das ist bei den Abgeordneten der Begriff für das Dienstgebäude, welches sich auf der bekannten Allee Unter den Linden befindet“, erzählt Sacher. Im ehemaligen Handelsministerium der DDR sitzen alle Abgeordneten, die Europa im Schwerpunkt ihrer Arbeit haben. So wie Michael Sacher.
Bevor es für den bundespolitischen Neuling wieder in den Plenarsaal geht, nehmen wir für ein Interview im Paul-Löbe-Haus Platz. „Eigentlich ist hier die Herzkammer, quasi der Maschinenraum der Demokratie“, sagt Sacher immer noch sichtlich beeindruckt. Im Paul-Löbe-Haus tagen die Ausschüsse und findet die inhaltliche Arbeit statt. „Der Plenarsaal ist eigentlich nur Öffentlichkeitsarbeit“, sagt ein anderer Abgeordneter zu seiner Besuchergruppe, die zuhauf durch die Gebäude geführt werden.

Michael Sacher bei einer kleinen Verschnaufpause in seinem neuen Büro unter den Linden. © Marcel Drawe
Während sich die Abgeordneten im Plenum noch über das „Wolfsbestandsmangement“ streiten – es geht um die Frage, ob Wölfe abgeschossen werden sollten oder nicht – sieht man Michael Sacher die Aufregung vor seiner ersten Rede nun doch an.
Aufmunternder Applaus vor der ersten Rede
Um kurz nach 18 Uhr ist es dann soweit. Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz von der SPD ruft den Tagesordnungspunkt „Harmonisierung der Sanktionsdurchsetzung in der EU“ auf. Eröffnet wird dieser Punkt mit der Rede von Michael Sacher. Sechs Minuten Redezeit hat er von seiner Fraktion zur Premiere zugestanden bekommen. „Das ist schon sehr viel“, sagt Sacher im Vorfeld.
Bevor Sacher beginnt, werden die Abgeordneten darauf hingewiesen, dass es seine erste Rede ist. Ein erster Applaus ist ihm sicher. Unter Abgeordneten weiß man: Dieser Hinweis ist wichtig. „Man nimmt sich dann mit Zwischenrufen und Nachfragen etwas zurück, um für die ,Neuen‘ die Situation nicht unnötig zu erschweren“, hat Politik-Profi Britta Haßelmann am Vormittag verraten.
Nach exakt sechs Minuten, die Zeit wird im Bundestag immer sekundengenau gestoppt, ist es für Michael Sacher vollbracht. Er kehrt zurück in die vordere Reihe seiner Fraktion. Dort sitzen die aktuellen Redner, um nicht unnötig lange Wege zurücklegen zu müssen. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen klopfen ihm auf die Schulter und gratulieren ihm. Die Rede ist gut angekommen.
Doch der Tag in Berlin ist damit für Michael Sacher noch längst nicht zuende. Die Sitzung des Bundestages wird noch bis tief in die Nacht gehen, bevor es dann ab 9 Uhr am nächsten Morgen mit der nächsten Sitzung weitergeht.
Ist im Kreis Unna aufgewachsen und dort noch immer verwurzelt. Als Praktikant zur Zeitung gekommen und hängengeblieben. Erzählt die Geschichten der Kollegen in Bildern. Damals noch analog in der Dunkelkammer, heute mit moderner Technik auch als Bewegtbild. Mag technisches und hat in seiner Freizeit ein ausgeprägtes Helfer-Syndrom bei einer Hilfsorganisation.
