Außergewöhnlicher Beruf
Mehr als nur Quatsch: Bernd Witte (68) lebte ein Leben als Clown
20 Jahre hat der Schwerter Bernd Witte (68) als Clown „Knolle“ krebskranke Kinder und psychisch Kranke in der LWL-Klinik in Aplerbeck besucht. Letzten Endes war das viel mehr als nur „Quatsch“.
„Das Schönste daran, Clown zu sein? Irgendeine Reaktion gibt es immer.“ Bernd Witte sitzt zurückgelehnt auf seiner Gartenbank in der Sonne. Zunächst in T-Shirt und Jeans. Dann wirft er sich doch noch einmal in die Arbeitskluft.
Der bunte Pullunder (von der Nachbarin gestrickt), die roten Schuhe, die Mütze und die rote Nase sind nämlich eigentlich schon weggepackt – buchstäblich an den Haken gehängt. Denn nach 20 Jahren als Klinik-Clown in der LWL-Klinik in Aplerbeck geht Clown „Knolle“ in den wohlverdienten Ruhestand.
Die Clownerie war für den 68-jährigen Schwerter kein Hobby, sondern neben der Schauspielerei tatsächlich sein Beruf. „Es gab keine Beratung beim Arbeitsamt“, scherzt er bei der Antwort auf die Frage, wie er denn überhaupt dazu gekommen sei, Clown zu werden. Ihm habe die Philosophie gefallen. Emotional zu sein, aus dem Bauch heraus zu agieren, spontan zu sein, kindlich zu bleiben und Situationen anders zu interpretieren.
Clown Knolle war immer mit seinem Spezial-Koffer zu Besuch im Krankenhaus. Darin verstecken sich viele Überraschungen, die für Spaß sorgen. © Irina Höfken
„Jeder stolpert im Leben. Ein Clown steht aber immer wieder auf. Das Ereignis zu fallen ist bei jedem gleich. Die Interpretation vom Clown immer eine andere.“
International unterwegs: Clownschule in Amsterdam und Paris besucht
In den 80er-Jahren hat der Schwerter die Clownschule in Amsterdam besucht, in den 90er-Jahren hat er Pantomime in Paris gelernt und so seinen eigenen Stil entwickelt. Durch Zufall entdeckte er die Klinikclownerie durch zwei Kollegen einer belgischen Clownschule.
Dabei geht es nicht darum, mit den Patientinnen und Patienten „Quatsch“ zu machen und ihnen etwas vorzuführen, sondern sie abzulenken und zu aktivieren, mitzumachen. Entweder musikalisch, beim Basteln oder Jonglieren mit Tüchern und mehr – „in meinem Köfferchen ist meine Grundausrüstung und ich kann eine ganze Palette anbieten“.
„Sieht aus wie ein Rentner“, sagt Bernd Witte scherzhaft über das Foto von ihm. Nach zwanzig Jahren als Klinikclown geht er in Rente. © Irina Höfken
20 Jahre arbeitete Witte mit krebskranken Kindern auf der onkologischen Station am Klinikum Dortmund und mit psychisch kranken Erwachsenen in der LWL-Klinik. Gefragt sind dabei vor allem Fingerspitzengefühl, wie man die Menschen erreichen kann. Denn natürlich gebe es Menschen, die offen dafür sind, und welche, die zunächst zurückhaltend sind und sich fragen, was das denn jetzt soll.
Jemanden zum Lachen zu bringen, dem eigentlich gar nicht danach ist, kann schon eine Herausforderung sein. Aber der Profi hat einen Tipp: „Wenn jemand traurig ist, muss man sich zunächst auf das gleiche Level begeben. Zuhören. Und dann langsam Schritt für Schritt ausprobieren, was der andere braucht. Jeder reagiert anders. Ausprobieren und vor allem dabei Geduld zu haben. Das ist die Kunst.“
Wichtig ist, einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen, die Welt neu zu sehen. Kann ein Infusionsständer im Krankenhaus nicht auch ein abstrakter Baum sein?
Von der Rolle als Clown im Alltag lernen
Von den Begegnungen und Erfahrungen hat Bernd Witte alias Knolle viele schöne Erinnerungen, die er nie vergessen wird. Mit Patienten der Psychiatrie, die viel schreien, etwa so lange mitzuschreien, bis der Druck weg ist und sie sich sogar so weit entspannen können, dass sie einschlafen. „Eine Patientin hat auch mal ein Liebeslied für mich gedichtet. Ein sehr schönes Geschenk.“
Das, was die Clowns vor allem mitbringen ins Krankenhaus, sind Spaß und Zeit und damit können sie die Patientinnen und Patienten erreichen. Das führen die Clowns des Vereins „Clownsvisite“ in der LWL-Klinik auch weiterhin fort, auch wenn der Kollege Knolle in Rente geht.
Im Mai feierten die Klinikclowns der "Clownsvisite e.V." runden Geburtstag. Der Verein wurde zwanzig Jahre alt. © LWL/Herstell
Abschied von seiner Rolle als Clown zu nehmen, das falle dem 68-Jährigen jetzt gar nicht schwer: „Ach, ich wollte doch noch und jetzt ist es zu spät, will ich niemals sagen müssen. Jetzt mache ich mehr Musik, zeichne, reise, genieße die Sonne und gucke, was noch kommt. Vielleicht lerne ich auch noch eine neue Sprache.“ Für Bernd Witte ist klar, dass man offen bleiben muss. Und dann öffne sich immer eine neue Tür.
Das nimmt er mit aus seinem Job als Clown: offen zu sein. „Wenn Sie offen auf die Menschen zugehen, werden Sie oft überrascht. Es gibt zu viele verschlossene Gesichter.“
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