Unser Tag beginnt morgens um halb sechs, wenn ich mit den Jungs aufstehe. Ungefähr um diese Zeit beginnt auch mein Zweitjob: Ich bin die Sachenfinderin der Familie. Warum ich darin so gut bin? Keine Ahnung. Vielleicht liegt es ein klitzekleines bisschen daran, dass die Herren darin einfach so grottenschlecht sind.
Kaum haben sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen geöffnet, suchen sie: nach wärmenden Socken und der Jeans von gestern, nach dem iPad und der Turnhose für den Sportunterricht, nach dem Busticket und dem leckeren Schokoriegel für die Pause. Sie finden: nichts. Und fragen mich. Ich finde: alles.
Das letzte Paar Socken, das nicht hinter oder unter einem Bett liegt, befindet sich im Trockner, die Jeans liegen zusammengeknüllt auf dem Dachboden. Das iPad ist am Ladegerät (wo der Sohn es am Abend zuvor angeschlossen hatte), die Turnhose ist im Sportbeutel, das Busticket steckt ordnungsgemäß im Portemonnaie (trotzdem findet es da keiner). Nur den Schokoriegel finde ich nicht – den hat der große Bruder am Vorabend vernichtet. Was direkt den ersten Streit des Tages auslöst.
Anrufe ohne Ende
Hat sich endlich die Haustür hinter den beiden geschlossen, atme ich auf. Endlich habe ich meine Ruhe und kann zur Arbeit fahren. Könnte man meinen. Denn die Fragerei verschont mich auch in der Redaktion nicht. Die Kolleginnen und Kollegen amüsieren sich inzwischen immer köstlich, wenn mein Handy klingelt und einer meiner Söhne im Display erscheint.
„Was suchen sie jetzt?“, heißt es dann. An meinen Antworten erkennen sie, dass sie recht hatten. Investigativer Journalismus auf allerhöchstem Niveau.
- Hallo Schatz. Das Mittagessen steht draußen auf der Terrasse, damit es kühl bleibt. Das hatte ich dir doch heute Morgen gesagt.
- Hi, was gibt es? Der schwarze Hoodie liegt in deinem Regal, drittes Fach von oben rechts, zwischen dem blauen Nike-Pulli und der hellen Trainingshose.
- Warum rufst du jetzt schon wieder an? Das Ladegerät für dein Handy steckt noch in derselben Steckdose wie heute Morgen. Nein, die Steckdose neben dem Sofa. Links! Das andere Links!
- Hi, bist du noch nicht unterwegs zum Handball? Was? Das Thermoshirt liegt im Trockner und müsste fertig sein.
- Hallo, was willst du? Die Katze hat Hunger, ja und? Dann gib ihr was. Das Katzenfutter steht unten im Küchenschrank neben der Spüle. Wie immer.
- Hi, was ist denn jetzt schon wieder? Die Müslischalen stehen in der Schublade bei den Tellern. Die zweite von oben.

Mama, wo bist du?
Selbst dann ist die große Suche noch nicht zu Ende. Ich bekomme Rückrufe, weil sie in der Waschmaschine nachgeschaut haben anstatt im Trockner (hä, das ist ja alles noch voll nass), weil sie keine Ahnung haben, in welcher Schublade überhaupt die Teller stehen, oder weil der Hoodie möglicherweise ein Fach weiter unten liegt als ich es aus der Ferne angegeben hatte.
Und nach einem stressigen Schulvormittag haben sie meistens auch vergessen, wo ihre Eltern sind. Denn sie hegen immer die Hoffnung, dass einer von uns sie abholen könnte. „Hallo Mama, wo bist du? Arbeiten? Schade. Und wo ist Papa? Auch arbeiten? Mist.“ Mitunter ruft sogar einer an, weil er seinen eigenen Bruder sucht, der wenige Meter weiter im Zimmer sitzt.

Chaoten-Gen
Woher kommt nur diese völlige Orientierungslosigkeit? An solchen Tagen beschließe ich immer wieder, den Herren einmal eine komplette Tour durchs Haus zu bieten. Damit sie unsere Schränke, Regale, Schubladen und Haushaltsgeräte persönlich kennenlernen. Den Unterschied zwischen Trockner und Waschmaschine verinnerlichen. Und möglicherweise sogar herausfinden, wie man die Spülmaschine anstellt. Im Idealfall erkennen sie dann auch, welche Knöpfe leuchten, wenn sie fertig ist und ausgeräumt werden kann. Wobei das mehrere Entwicklungsschritte in der Evolution der Haushaltshilfe überspringen würde.
Eine wissenschaftlich belegbare Theorie habe ich allerdings schon: Nach den Gesetzen der Biologie bin ich zu 50 Prozent an der genetischen Zusammensetzung der Bengel beteiligt. Wenn ich in meine Lieblings-Küchenschublade schaue, in der das blanke Chaos herrscht, dann weiß ich, dass sie dieses Chaoten-Gen in sich tragen. Und ich tröste mich: Wenn sie selbst Eltern sind, wird es ihnen nicht besser gehen. Bis dahin wird die Sockensuche wohl an mir hängenbleiben.
Hinweis: Dieser Artikel erschein erstmals am 16. Januar 2024
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