
© Foto: Bernd Paulitschke
Leiter des Impfzentrums ist gegen eine Impfpflicht - doch es gibt ein Aber
Coronapandemie
Warum viele Hausärzte nicht mehr impfen, warum eine Impfqoute von 70 Prozent medizinisch ärgerlich ist und ob eine Impfpflicht hilft? Diese Fragen beantwortet Impfarzt Stephan Spanke.
Der ganz große Ansturm auf den Impfstoff ist vorbei. Dennoch kommen immer noch Menschen zum Impfzentrum, um sich dort impfen zu lassen. Über 95.000 waren es bislang. Stephan Spanke ist seit der Gründung des Impfzentrums dort als leitender Impfarzt tätig. Und auch er sieht das Abflauen der Impfbereitschaft mit Sorge. Dennoch ist er gegen eine Impfpflicht. „Das würde die Vorbehalte nur noch verstärken“, sagt er.
„Bei medizinischen Berufen ist das anders“
Doch dann schränkt er ein: „Bei Krankenhausmitarbeitern sehe ich das anders.“ Da sei es angemessen, wenn aus der Impfverweigerung mittelbares Berufsverbot würde. Das müsse man auch ganz praktisch sehen: „Denn die meisten Beschäftigten könne man ja gar nicht beschäftigen, wenn sie nicht mit Patienten arbeiten können.“
Grundsätzlich seien Anreize und Aufklärung der wichtigste Baustein. Aber auch der Druck auf Ungeimpfte helfe bei der Kampagne. Denn seit die Menschen sehen, dass sie nicht mehr ins Fußballstadion oder zu Veranstaltungen können, habe es wieder eine größere Nachfrage nach Coronaschutzimpfungen gegeben.
Nur drei bis fünf Prozent sind echte Impfgegner
„Drei bis fünf Prozent der Bevölkerung sind echte Impfgegner“, schätzt Spanke. Und denen sei auch mit Aufklärung nicht beizukommen. Schwieriger ist da schon der Umgang mit denen, die sich auf den Standpunkt stellen: „Ich warte ab, das wurde alles zu schnell genehmigt, man weiß ja gar nicht, ob es Spätfolgen gibt.“
Medikamente auf mRNA Basis werden seit etwa 10 Jahren eingesetzt - ohne, dass sie wesentliche Nebenwirkungen auslösen, betont der Mediziner. Daraus schließe man, dass RNA Impfstoffe keine wesentliche Nebenwirkungen haben. Und es sei der erste Impfstoff, der sich komplett im Körper auflöst. Ganz im Gegenteil zu Impfstoffen gegen Masern und Keuchhusten zum Beispiel. „Die greifen in die DNA ein.“
Eine Impfquote von 70 Prozent ist gefährlich
Und dann gebe es noch die große Gruppe der Bequemlichen. Das seien in der Regel jüngere Menschen, die einen milden Verlauf zu erwarten haben. Und die erst in den Urlaub fahren wollten, oder überhaupt nicht den Aufwand fürs Impfen auf sich nehmen wollen. „Das ist medizinisch sehr unangenehm“, sagt Spanke. Denn wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft seien, der Rest aber nicht, halte das die Pandemie am Köcheln. Und das begünstigt die Entstehung immer neuer Varianten. Die dann vielleicht auch die Immunantwort durch die Impfung durchbrechen.
Deshalb hofft man im Impfzentrum nun auf die Gruppe der Jugendlichen, für die die Ständige Impfkommission jetzt doch die Impfung empfiehlt. Auch das sorgt für einen Schritt in Richtung Herdenimmunität. Auch bei einer anderen Gruppe, die bislang nicht geimpft wurde, änderte sich die Empfehlung. „Schwangere ab der 15. Woche sollten unbedingt geimpft werden“, betont Spanke. Denn die seien eine vulnerable Gruppe. Wer sich in der Schwangerschaft mit Covid infiziere sei besonders gefährdet. Auch im Kreis Unna habe es da Todesfälle gegeben.
Viele Hausärzte wollen nicht mehr impfen
Doch die Impfkampagen scheitert derzeit nicht nur an den Impfwilligen. Bundesweit hätten sich bereits 23.000 Hausärzte aus der Kampagne verabschiedet. Der Hintergrund: Die großen Gebinde beim Impfstoff. Am Anfang, als das Vakzin knapp und die Nachfrage groß war, sei das kein Problem gewesen. Jetzt aber schon, da der Impfstoff nur begrenzt haltbar sei.
Impfzentren schließen Ende September
Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil die Impfzentren zum 30. September schließen. Grundsätzlich eine Kostenentscheidung, denn die Impfung beim Hausarzt koste 24 Euro, die im Impfzentrum das Fünffache. Doch die Versorgungslücke müsse ausgeglichen werden.
Kommen die Beschlüsse der Bunde- und Landesregierung zur 3-G-Regel früh genug? Da ist sich Spanke sicher: Nein, die wären schon vor den Sommerferien wichtig gewesen.
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
