Lehrerin Cornelia Hohmann (53) „Die Klassenzimmer in Ghana haben keine Wände.“

Lehrerin Cornelia Hohmann: „Klassenzimmer in Ghana haben keine Wände.“
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Wenn Kinder und Jugendliche aus Kisseman überhaupt zur Schule gehen können, anstatt am Straßenrand Obst zu verkaufen, dann haben sie schon großes Glück gehabt. Kisseman ist ein Stadtteil von Accra, der Hauptstadt von Ghana in Westafrika.

Es ist ein Stadtteil mit Blechhütten, ohne Toiletten und fließendes Wasser. Ein Stadtteil, in dem viele alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern leben. Die Väter, die ihre Familien häufig verlassen haben, schicken manchmal etwas Geld. Eine der betroffenen Mütter bekommt fünf Euro pro Monat, von denen sie ihre vier Kinder ernähren soll. „Deshalb müssen viele Kinder in Straßenküchen oder beim Obstverkauf mitarbeiten, anstatt zur Schule zu gehen“, erzählt Cornelia Hohmann.

Schulleiter Jerry Akunnor (v.l.), Senyo Sosu von der Fafali-Organisation, Cornelia Hohmann und ihre Tochter Sarina freuen sich über den Partnerschaftsvertrag.
Schulleiter Jerry Akunnor (v.l.), Senyo Sosu von der Fafali-Organisation, Cornelia Hohmann und ihre Tochter Sarina freuen sich über den Partnerschaftsvertrag. © privat

Die 53-Jährige ist Lehrerin am Friedrich-Bährens-Gymnasium in Schwerte. Vor Kurzem hat sie eine Woche in Kisseman verbracht. Dort hat sie das Schulleben an der Jerremite International School miterlebt und ihre Tochter Sarina besucht. Die 20-Jährige absolviert dort ein Freiwilliges Soziales Jahr für die Organisation Fafali.

Außerdem hat Cornelia Hohmann einen Partnerschafts-Vertrag unterschrieben - denn die Schule in Accra ist jetzt offizielle Partnerschule des FBG.

Kontakt besteht schon seit Längerem - und zwar ist es eine fünfte Klasse des Schwerter Gymnasiums, die sich regelmäßig mit den Jugendlichen aus Ghana austauscht. Jedes Kind hat sein eigenes Patenkind in der jeweils anderen Schule. „Die Kinder schreiben sich auf Englisch und stellen immer viele Fragen“, erzählt die Politiklehrerin. „Sie fragen: Was spielt ihr, was esst ihr gerne, wie sieht euer Alltag aus?“

Weihnachten

Die Jugendlichen verfassen Briefe für ihre deutschen Patenkinder.
Die Jugendlichen verfassen Briefe für ihre deutschen Patenkinder. © privat

Bei einem gemeinsamen Zoom-Meeting im vergangenen Winter hatte es einen Moment der Stille gegeben. „Unsere Kinder haben ganz unbedarft gefragt, wie man in Ghana eigentlich Weihnachten feiert. Da wurde es auf einmal sehr ruhig. Denn obwohl Ghana ein christliches Land ist, haben die meisten Kinder dort kaum genug zu essen.“ Geschenke oder Feiern seien fast unmöglich.

Die Fünftklässler hätten daraufhin gebastelt und gebacken und Weihnachtstüten verkauft - von dem Erlös, knapp 500 Euro, konnten die 300 Kinder der Schule in Ghana eine kleine Weihnachtsfeier feiern - mit einem richtigen Essen. „Unsere Kinder haben auf diese Weise gesehen, dass sie etwas bewirken können“, erzählt Cornelia Hohmann.

Das Klassenzimmer in Kisseman. In einer typisch ghanaischen Schule gibt es Frontalunterricht.
Das Klassenzimmer in Kisseman. In einer typisch ghanaischen Schule gibt es Frontalunterricht. © privat

In der vergangenen Woche hatte die Lehrerin Briefe und kleine Geschenke wie Freundschaftsbändchen mit nach Ghana gebracht. „Als die Kinder das gesehen haben, wollten sie ihren deutschen Freunden auch unbedingt etwas schenken und haben Armbänder gebastelt“, erinnert sie sich und lacht. „Einige sind sogar zum Schulkiosk gegangen und haben von ihrem eigenen wenigen Geld Süßigkeiten gekauft, um sie ihren Freunden in Deutschland mitzugeben.“

Solche Gesten berühren die 53-Jährige. „Alle waren so herzlich und gastfreundlich, obwohl sie nicht viel haben.“ Nicht alle Kinder hätten Geld für den Kiosk oder das Schulessen. „Aber ich bin an vielen Stellen eingeladen worden.“ Dann habe es Reis und Bohnen gegeben, Kochbananen, Mangos oder Ananas, Gemüsegulasch oder Hähnchen. „Alles ist dort sehr scharf gewürzt, und Fleisch gibt es selten. Es ist einfach zu teuer. Geflügel ist das günstigste Fleisch, deshalb wird es dort zu besonderen Anlässen gegessen.“

Neue Bänke

Kisseman ist ein ärmlicher Stadtteil in Ghanas Hauptstadt Accra. Dort liegt die Jerremite International School.
Kisseman ist ein ärmlicher Stadtteil in Ghanas Hauptstadt Accra. Dort liegt die Jerremite International School. © privat

In Kisseman selbst habe sie ganz unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Supermärkte gibt es dort nicht, nur kleine Kioske und Straßenküchen. „Einerseits sieht man eine überirdische Kanalisation voller Abfall, und dass es Armut gibt. Andererseits sind aber auch viele Kinder auf den Straßen, die einem lächelnd zuwinken, ,Obruni‘ rufen - das heißt so viel wie ,Weißer‘ - und miteinander Fußball spielen. Das ist einfach eine Lebensfreude, die sämtlicher Armut trotzt.“

In der Schule gibt es keine richtigen Wände - die Klassenzimmer sind im Prinzip Wellblechdächer mit offenen Seiten. „Man kann sich das wie einen Carport vorstellen. In der Regenzeit werden die Kinder auch häufig nass“, beschreibt Cornelia Hohmann. Der Unterricht ist Frontalunterricht - oft quetschten sich mehrere Kinder auf die wenigen Bänke. Deshalb hatte das FBG vor der Ghana-Reise eine weitere Spendenaktion gestartet, um von einem lokalen Schreiner zehn neue Schulbänke anfertigen zu lassen. „Die Bänke wurden gerade geliefert, als ich da war. Die Kinder haben sich sehr darüber gefreut und sie sofort in ihre Klassen getragen“, erzählt Cornelia Hohmann.

Große Freude: Die neuen Bänke sind da. Im Hintergrund sieht man den Schulkiosk.
Große Freude: Die neuen Bänke sind da. Im Hintergrund sieht man den Schulkiosk. © privat

Schulleiter Heiko Klanke freut sich über das Engagement seiner Fünftklässler, aber auch über den Einsatz seiner Kollegin. „Wir und unsere Kinder können von den Menschen aus Ghana eine ganze Menge lernen. Und Frau Hohmann engagiert sich hier auch privat über das Maß hinaus“, sagt er.

Cornelia Hohmann hat für die FBG-Kinder viele Briefe und kleine Geschenke von ihren Freunden mitgebracht. Sie ist froh über die Eindrücke, die sie in Ghana sammeln durfte. „Es ist allerdings ein komisches Gefühl, wenn man zurückkommt, in den Supermarkt geht, und da stehen plötzlich so viele Sachen. Das ist schon fast ein Kulturschock.“

Aus Ghana hat Cornelia Hohmann viele Geschenke für ihre Schülerinnen und Schüler mitgebracht.
Aus Ghana hat Cornelia Hohmann viele Geschenke für ihre Schülerinnen und Schüler mitgebracht. © Martina Niehaus

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