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Zu viele Fehler: Kreis Unna nimmt „beweissichersten“ Blitzer Deutschlands außer Betrieb
Verkehr
Der Kreis Unna hat die Tempo-Messungen mit dem Super-Blitzer „Leivtec XV3“ eingestellt. Grund sind zu hohe Abweichungen bei den Messungen. Wer bereits geblitzt wurde, könnte nun Glück haben.
Von einer „Revolution der Messtechnik“ war im Oktober 2013 die Rede, als der Kreis Unna den „Leivtec XV3“ vorstellte: Modernste Kameratechnik mache dieses Lasergerät zur „beweissichersten Messanlage Deutschlands“, sagte der zuständige Sachgebietsleiter damals. Infrarottechnik und die Fähigkeit, Fahrzeuge auch in Kurven „blitzen“ zu können, sollten damals eine neue Ära der Temposünder-Erfassung einläuten. Acht Jahre später ist das Gegenteil der Fall: Der „Leivtec XV3“ im Kreis Unna ist vorerst außer Betrieb.
Erste Korrekturen bereits im Dezember 2020
- Für 53.000 Euro kaufte der Kreis Unna 2013 einen „Leivtec XV3“: Mit modernster Infrarottechnik sendete er 20.000 Impulse pro Sekunde aus, die von dem gemessenen Fahrzeug reflektiert und von einem zweiten Sensor in dem Messgerät aufgenommen wurden.
- Der Computer errechnete dann binnen Bruchteilen von Sekunden aus der zeitlichen Verzögerung die gefahrene Geschwindigkeit und löste gegebenenfalls die Kamera aus.
- Geschwindigkeiten bis zu 300 Stundenkilometer sollte der „Leivtec XV3“ auf diese Weise erfassen können - auch bei Fahrzeugen, die in Kurven unterwegs waren.
- Erste Probleme tauchten bereits 2019 auf, als es immer wieder zu Fehlern in den Messungen kam. Versuche im August 2020, bei denen zwei verschiedene „Leivtec“-Geräte in derselben Situation und am selben Fahrzeug genutzt wurden, zeigten deutliche Unterschiede bei der Messung der Geschwindigkeit.
- Darauf reagierte der Hersteller im Dezember 2020 mit einer neuen Gebrauchsanweisung, in der er die Auswertekriterien verstärkte. Auch der „Leivtec XV3“ im Kreis wurde ab diesem Zeitpunkt nach der neuen Bedienungsanleitung bedient; unter anderem auch deshalb, weil die Messungen gerichtsfest sein müssen.
Weil es zu „unzulässigen Messwertabweichungen“ kommen könnte, hat der Hersteller des „Leivtec XV3“ alle Betreiber des Geräts in einem Schreiben aufgefordert, zunächst von amtlichen Messungen Abstand zu nehmen. Zuvor hatte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt als zuständige Zulassungsbehörde bekannt gegeben, dass mehrere Versuche von verschiedenen Sachverständigen gezeigt hätten, dass es bei dem „Leivtec XV3“ zu Messabweichungen kommen könne. Die Behörde werde nun eigene Versuche vornehmen , um dies zu klären. Erst wenn die Ergebnisse dieser Versuche vorliegen, will sich der Hersteller erneut zu dem Problem äußern.
Wer früh gezahlt hat, hat jetzt Pech
Der Kreis Unna hat als Reaktion auf dieses Schreiben seit Montag, 15. März, „bis auf weiteres“ die Messungen mit dem „Leivtec XV3“ eingestellt, wie Pressesprecherin Birgit Kalle auf Anfrage unserer Redaktion sagt. Für Fahrer, die mit dem Gerät „geblitzt“ wurden, hat dieser Schritt unterschiedliche Konsequenzen. Wer das Bußgeld, das ihm aufgrund eines Fotos des „Leivtec XV3“ auferlegt wurde, bereits bezahlt hat, hat schlicht Pech: „Sofern bereits Zahlungen geleistet wurden, ist das Verfahren damit abgeschlossen“, so die Auskunft vom Kreis Unna.
Anders stellt sich die Situation für diejenigen dar, die Einspruch gegen ein Bußgeldverfahren auf Basis des „Leivtec XV3“ erhoben beziehungsweise das Verwarnungsgeld noch nicht gezahlt haben: Diese Verfahren werden eingestellt.
Neue Verfahren mit dem Messsystem werden nun nicht mehr eingeleitet, erklärt Kreis-Sprecherin Birgit Kalle. Das bedeute auch, dass noch vorhandene Bilder, die noch nicht ausgewertet wurden, nun auch nicht mehr ausgewertet würden.
Offenbar tauchen die Abweichungen in den Messungen vor allem dann auf, wenn das gemessene Fahrzeug seitlich in den Messbereich fährt. Ironischerweise war genau die Fähigkeit des „Leivtec XV3“, Fahrzeuge auch in Kurven blitzen zu können, bei seiner Vorstellung 2013 angepriesen worden.
Sauerländerin, Jahrgang 1986. Dorfkind. Liebt tolle Geschichten, spannende Menschen und Großbritannien. Am liebsten draußen unterwegs und nah am Geschehen.
