Kita-Leiterin aus Schwerte im Interview „Eltern stehen mehr unter Stress als vor 15 Jahren“

Kita-Leiterin: „Eltern stehen mehr unter Stress als vor 15 Jahren“
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Eigentlich hatte sie nie vorgehabt, eine Kindertageseinrichtung zu leiten, erzählt Simone Podworny (44). Doch genau das macht die 44-Jährige heute: Seit 2016 leitet sie die DRK-Kindertageseinrichtung Gänsewinkel.

Mit uns hat sie über die Zeit während und nach der Pandemie gesprochen, über den Stress von Eltern, den Spagat zwischen Job und Familie. Und darüber, dass man als Kita-Leiterin auch technisch bewandert sein muss.

Haben Sie schon immer in einer Kindertagesstätte gearbeitet?

Nein, ich habe mir tatsächlich früher gar nicht vorstellen können, einmal eine Kita zu leiten. Ich habe soziale Arbeit und Sozialpädagogik studiert. Nach dem Studium habe ich dann beim Jugendamt gearbeitet, in der Lernbegleitung oder in der Sprachförderung. Doch das waren zu der Zeit immer nur befristete Jobs, für höchstens ein Jahr. Dann habe ich im Jahr 2008 doch meine erste Fabido-Kita in Dortmund geleitet. Anschließend habe ich mehrere Jahre in einer Elterninitiative gearbeitet. Dort konnte man viel bewegen, aber es gab auch Nachteile.

Was für Nachteile waren das?

Das enge Verhältnis zu den Familien war sehr schön. Doch gleichzeitig wird in einer Elterninitiative grundsätzlich von allen ein hohes Engagement verlangt. Wir hatten Vorstandssitzungen, die bis in die Nacht dauerten. Ich war auch am Wochenende oder in meiner Freizeit immer erreichbar – das konnte ich auf Dauer nicht mit meinem Privatleben vereinbaren.

Dann sind Sie nach Schwerte gewechselt. Was ist hier anders?

Ich bin seit 2016 in dieser Kita, und es war genau die richtige Entscheidung. Hier gibt es eine schöne Mischung aus allem. Ich kriege vieles gestemmt, wir haben einen tollen Förderverein und viele Projekte. Und der Weg aus dem Dortmunder Süden ist nicht weit; anfangs bin ich sogar öfter mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Seitdem ich meine Tochter habe, fahre ich allerdings E-Bike; da bin ich doch etwas flotter unterwegs.

Ihre Tochter ist auch im Kita-Alter. Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

Glücklicherweise hatte ich mit einem systemrelevanten Job immer die Gewährleistung, dass mein Kind betreut wird. Doch wenn dann ein Pool-Test in der Kita meines Kindes positiv war und die Kinder vorsorglich in Quarantäne geschickt wurden, konnte ich manchmal trotzdem nicht arbeiten gehen. Das war schon eine heftige Zeit. In unserer Kita haben wir festgestellt, dass die Mädchen und Jungen sehr schnell gelernt haben, trotz Masken unsere Stimmung zu erkennen. Sie haben an den Augen erkannt, ob jemand gerade lächelt oder eben nicht. Das war schon erstaunlich.

Seit 2016 leitet Simone Podworny die DRK-Kindertagesstätte Am Gänsewinkel.
Seit 2016 leitet Simone Podworny die DRK-Kindertagesstätte Am Gänsewinkel. Sie sagt: „Es ist ein richtiger Manager-Job.“ © Martina Niehaus

Amtsärzte stellen gerade fest, dass viele Vorschulkinder Defizite aufweisen – im motorischen und sozialen Bereich.

Das zeigt, wie wichtig eine Kita für die Entwicklung ist. Während Corona sind so viele Bewegungs- und Förderangebote ausgefallen. Musikalische Frühförderung oder Sport. Und selbst wenn die Kitas geöffnet waren: Es sind viele Dinge weggefallen, wie Ausflüge zur Feuerwehr, zur Polizei oder zum Bäcker. Ich kann einem Kind im Bilderbuch zeigen, wie die Feuerwehr ein Haus löscht. Aber selbst einen Helm anzufassen, oder einen Schlauch in der Hand zu halten und zu merken, mit welcher Wucht das Wasser hindurchfließt – das ist etwas ganz anderes. Kinder lernen mit allen Sinnen, und das gab es in der Pandemie kaum noch.

Haben Kinder während der Pandemie auch das Streiten verlernt?

Die Kitas waren auf jeden Fall leerer, und das war paradoxerweise nicht gut. Sie haben gerade gesehen: Bei uns spielen die Kinder in den Gruppen, auf dem Flur, im Bewegungsraum, im Sandkasten. Da kommt es schon mal öfter zu Konflikten. Und es ist wichtig, auch solche Momente zu bewältigen. Während der Pandemie haben viele Kinder fast zwei Jahre nur mit wenigen Personen verbracht, die sich in ihren Ideen zumindest sehr ähnlich waren. Kinder brauchen aber viele Personen – Erwachsene oder andere Kinder – mit unterschiedlichen Ideen und Ansichten. In einer Kita gibt es diese Menschen, und auch viele Impulse. Man muss nicht alles machen, aber man kann es.

Kinder im Sandkasten
Der Boden ist gefroren, da fällt das Schaufeln schwer. „Kinder lernen mit allen Sinnen, das darf man nicht vergessen“, sagt Simone Podworny. © Martina Niehaus

Zumal Eltern in dieser Zeit auch großen Stress hatten.

Das ist noch nicht einmal der Pandemie geschuldet. Insgesamt haben Eltern heute viel mehr Stress als noch vor 15 Jahren. Oft sind beide berufstätig, und das nicht nur ein paar Stunden. Wenn man also früher angerufen und gesagt hat: Die Kita bleibt aus irgendwelchen Gründen zu, dann war das so. Heute löst man damit sofort tierischen Stress aus. Als Mutter kenne ich diese Situation ja selbst.

Fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit wertgeschätzt?

Auf jeden Fall. Ich muss hier alles können, Finanz- und Personalplanung zum Beispiel. Wenn ein Türschloss kaputt ist, messe ich alles aus und bestelle ein Neues. Heute Morgen habe ich geholfen, Brot zu backen. Es ist ein Manager-Job. Ich habe nette Kolleginnen und wertschätzende Eltern. Manchmal würde ich mir noch mehr Zeit für die Kinder wünschen. Das war früher einfacher, da waren alle Kinder mittags weg, und man konnte sich um das Organisatorische am Nachmittag kümmern.

Würden Sie Ihren Job noch einmal so wählen?

Ja. Es ist schön, schon frühzeitig mit jungen Kindern und den Eltern gemeinsam in einer Partnerschaft zu arbeiten. Da kommt man ganz anders mit Familien in Kontakt als zum Beispiel beim Jugendamt. Hier kann ich dabei helfen, Kinder früh auf einen guten Weg zu bringen. Das gibt mir richtig viel.

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