Wie ich die Jungs ans Lesen bekomme? Da hilft nur ein Technik-GAU

Wie ich die Jungs ans Lesen bekomme? Da hilft nur ein Technik-GAU
Lesezeit

Viele Kinder können nicht gut lesen – und das Schulministerium unternimmt gerade den Versuch, dreimal wöchentlich 20 Minuten verpflichtende Lesezeit an den Grundschulen einzuführen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich mich darüber glatt kaputtlachen.

Dreimal wöchentlich 20 Minuten fernsehen – das war meine Kindheit. Okay, in den großen Ferien lief immer das Ferienprogramm um 15 Uhr, da rief Oma uns dann vom Spielen rein, und wir guckten Flipper und Lassie und Fury und wie sie alle hießen. Es gab drei Sender, und man musste per Knopfdruck direkt am Gerät umschalten. Der Fernseher meiner Oma hatte bunte, glänzende Knöpfe für die verschiedenen Programme. Und mein Bruder und ich stritten uns darüber, wer den Sender wechseln durfte.

Ansonsten hatten wir einen Wald hinterm Haus, und bei schlechtem Wetter spielten wir Playmobil oder Lego. Oder wir malten oder lasen Bücher. Stundenlang. Mit dreimal am Tag 20 Minuten Pause, wenn es etwas zu essen gab. Selbst im Restaurant wurde gemalt – als Kind regte ich mich immer tierisch auf, wenn die Stifte, die man uns an den Tisch brachte, nicht ordentlich angespitzt waren.

Bildschirmzeit - zum Schießen!

Meine Jungs, inzwischen 14 und 16 Jahre alt, haben anfangs auch noch im Restaurant gemalt. Bis sie alt genug waren, ein Smartphone in die Hand zu nehmen. Na klar ist das einfach – wenn man mit kleinen Kindern essen geht, freut man sich darüber, in Ruhe mit dem Vater dieser Kinder drei Worte wechseln zu können.

Aber irgendwann haben wir uns gesagt: Schluss damit. Inzwischen haben wir verabredet, dass das blöde Ding im Restaurant in der Tasche bleibt. Zu Hause und im Urlaub bin ich allerdings auf verlorenem Posten. Meine Jungs schauen in ihrer Freizeit gern ins Smartphone: Snapchat, TikTok, WhatsApp, Insta, Amazon. Wehe, jemand hat das Ladekabel des anderen weggenommen, und der Akku ist alle. Das gibt Hauen und Stechen bei uns.

Wenn ich irgendwas von „Bildschirmzeit“ oder „Medienpause“ sage, lachen sie mich aus. Die Begriffe finden sie zum Schießen. Dann lasse ich es. Wer will schon eine Helikoptermutti sein? Das ist schließlich „old school“, wie die Herren sagen.

Technikausfall

Eltern sollen gute Vorbilder sein, heißt es. Und nicht ständig ins Handy schauen. Da können wir uns auf den Kopf stellen. Ob mein Mann draußen den Rasen mäht, während ich auf dem Sofa zum 20. Mal „Vom Winde verweht“ lese, registrieren die Bengel doch überhaupt nicht. Die stecken schließlich gerade im Überlebenskampf, in irgendeinem Ballerspiel auf der Playstation. Das Schicksal von Scarlett O’Hara oder die Länge des Rasens sind ihnen dann herzlich egal.

Was habe ich falsch gemacht? Ich hab den Jungs vorgelesen, als sie klein waren. Ohne Ende. Bevor sie die Harry-Potter-Filme sehen durften, mussten sie die Bücher dazu lesen. Und hatten Spaß daran. Auf längeren Autofahrten freuten sie sich über neue Ausgaben von „Greg’s Tagebuch“, und als der Große im Alter von 12 Jahren freiwillig den „Hobbit“ las, war ich stolz wie Oskar.

Stephen King
Lies doch mal ein gutes Buch, Kind... Inzwischen hat es der Meister des Horrors geschafft, zumindest einen der Jungs wieder zum Lesen zu bringen. Danke, Stephen! © Martina Niehaus

Vielleicht muss ich mich einfach noch ein wenig gedulden. Es gibt nämlich auch Lichtblicke. Wenn der Kleine in der Schule Unsinn macht, gibt es Bildschirm- und Medienverbot. Total „old school“, aber in solchen Momenten halten wir das durch. Und siehe da: Das Kind schnappt sich abends ein Buch im Bett. Völlig faszinierend!

Die Technik hilft auch manchmal – vor allem dann, wenn sie ausfällt. Letzten Herbst hatten wir einen längeren WLAN-Ausfall. Ich hab den Jungs an diesem Abend Rommé beigebracht. Und der Große schnappte sich doch glatt einen Stephen-King-Roman aus meinem Bücherregal. Dem Meister des Horrors werde ich dafür ewig dankbar sein.

Auch für unseren diesjährigen Urlaub habe ich die Rommé-Karten und ein paar King-Schocker eingepackt – vielleicht schaffen wir ja dreimal wöchentlich 20 Minuten. Die Internet-Verbindung im Hotel soll nämlich miserabel sein. Hab ich ihnen aber noch nicht verraten.

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