Vermiest die Inflation den Marktbummel? Händler in Schwerte: „Man wünscht sich immer mehr“

Folge der Inflation: Kunden kaufen auf dem Wochenmarkt gezielter ein
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Der Weihnachtskarpfen macht sich rar. Die Käufer möchten sparen – nicht am Geld, sondern vielmehr am Aufwand bei der Zubereitung. „Wenn, dann nehmen sie Karpfen-Filet“, sagt Elfi Holtmann. Da hat die Markthändlerin die vielen Gräten schon herausgeschnitten. Noch häufiger muss sie aber das Messer ansetzen, um Seezungen die Haut abzuziehen. Zusammen mit anderen Edelfischen wie Seeteufel und Jakobsmuscheln sind sie der Renner bei den Bestellungen.

Für die Festtafel scheinen die Schwerter trotz Mega-Inflation zumindest bei ihr nicht knausern zu wollen. Doch wie ist das Einkaufsverhalten ansonsten angesichts der bestürzenden Geldentwertung? Sitzt auch auf dem Markt der Igel in der Tasche, wie es Einzelhändler in der Stadt spüren?

„Man wünscht sich immer mehr“

„Das kann man jetzt noch nicht so beurteilen“, erklärt Elfi Holtmann, „Die Zeit vor Weihnachten nutzen die Leute, um Geschenke zu kaufen und Weihnachtsmärkte zu besuchen.“ Deshalb sei das Geschäft im Lebensmittelhandel im Advent immer ruhiger als sonst. Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Aber die Vorbestellungen – so die alteingesessene Fischverkäuferin – laufen gut.

Philipp Krämer, Obst- und Gemüsestand auf dem Markt in Schwerte
An seinem Stand kann Philipp Krämer auf 40 Metern eine riesige Auswahl an frischem Obst und Gemüse anbieten. Darunter ist auch selbsterzeugte Ware vom landwirtschaftlichen Betrieb der Familie in Unna-Billmerich wie der prächtige Grünkohl, der derzeit täglich auf dem Feld geerntet wird. © Reinhard Schmitz

Weißwurst und viel Fleisch wie Entrecote und Roastbeef für das Heilig-Abend-Menü sichern sich viele Schwerter auch schon am Wagen von Günter Piecha, der traditionell am Durchgang vom Kleinen zum Großen Markt steht. Genauso traditionell sind die schlesischen Rezepturen des Familienbetriebs aus Hagen.

Hinter der Kühltheke steht mittlerweile schon der Enkel des Gründers Hubertus Piecha und hat alle Hände voll zu tun, die verlangte Ware auszuwiegen und einzupacken. „Wir sind zufrieden“, fasst er seine Umsätze zusammen. Doch natürlich: „Man wünscht sich immer mehr.“

Seit 1950 auf dem Markt

Viel Stammkundschaft aufgebaut hat sich auch der Landwirt Krämer, der schließlich schon seit 1950 eine feste Größe auf dem Schwerter Wochenmarkt ist – zu einer Zeit, als noch die Straßenbahn nach Hörde auf dem Pflaster ihre Endstation hatte.

„Mein Großvater Otto Krämer ist damals mit dem Dreirad vom Hof in Unna-Billmerich gekommen“, erzählt dessen Enkel Philipp Krämer: „Die ersten Sachen waren noch Zwetschgen vom eigenen Baum.“ Auch heute noch baut der Betrieb eigenes Freilandgemüse an. Aktuell ist es der prächtige Grünkohl, der dort jeden Tag geerntet wird.

Wochenmarkt in Schwerte, 7. Dezember 2022
Nicht so frequentiert wie am umsatzstarken Samstag war der Wochenmarkt am Mittwoch (7.12.). Das ist aber ein gewohntes Phänomen. © Reinhard Schmitz

Das Angebot an frischem Gemüse und Obst ist riesig geworden an dem Stand, der mit seinen 40 Metern Verkaufslänge den Mittelpunkt des großen Marktplatzes prägt. „Ich bin immer auf der Jagd nach den schönsten Sachen: Heute sind es die italienischen Weintrauben“, berichtet Philipp Krämer. Es seien wohl die letzten, da er die Bestände aufgekauft habe. Da blitzen Gespür und die Liebe zum Markt durch, die der Händler schon seit jüngsten Jahren entwickelt hat: „Ich stehe hier, seitdem ich zehn oder zwölf Jahre bin.“

„Die Leute kaufen gezielter“

Aus dieser Erfahrung weiß Philipp Krämer, dass es in diesem Jahr vor Weihnachten etwas ruhiger auf dem Markt zugeht, die Gassen zwischen den Standreihen nicht ganz so voll sind wie sonst. Es gebe einen leichten Umsatzrückgang, sagt er: „Ein bisschen merkt man das schon.“

Vincenzo Tolomeo, Gustomania italiana auf dem Markt in Schwerte
Vincenzo Tolomeo (r.) konnte die Preise für seine italienischen Spezialitäten stabil halten. © Reinhard Schmitz

Von Kaufzurückhaltung möchte der italienische Spezialitäten-Händler Vincenzo Tolomeo, der seit fünf Jahren seinen Wagen in Schwerte aufklappt, aber nicht sprechen. Dazu gebe es bei ihm auch gar keinen Grund, weil er auf Preiserhöhungen verzichtet hat, wie man sie seit dem Ukraine-Krieg fast überall erleben musste. „Wir haben das nicht gemacht.“

Deshalb beobachtet Vincenzo Tolomeo etwas Anderes: „Die Leute kaufen gezielter. Sie nehmen nur so viel mit, wie sie bis zum nächsten Markttag auch wirklich verbrauchen können.“ Nachschub kann der Händler aus Italien kurzfristig besorgen. „Was ich heute bestelle, ist in zwei Tagen da.“ Ob Mortadella, Käse oder die Antipasti wie die eingelegten Oliven – die Kuriere bringen sie frisch aus Norditalien.

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