
© Reinhard Schmitz
Bezahlen mit der D-Mark: An einem Ort in Schwerte ist das noch möglich
20 Jahre Euro
Seit 20 Jahren ist die D-Mark verschwunden. Nur nicht in Schwerte. Hier gibt es einen Ort, wo die Münzen und Scheine der Wirtschaftswunderzeit immer noch gültiges Zahlungsmittel sind.
Was war noch auf dem blauen Zehner? Klar, die Gorch Fock. Und auf dem grünen Zwanziger? Richtig, eine Geige. Vor 20 Jahren musste die gute, alte D-Mark im Portmonee Platz machen für den Euro. Aber so ganz verschwunden sind die Scheine und Münzen der Wirtschaftswunderwährung nicht.
Es gibt einen Ort in Schwerte, wo sie immer noch als gültiges Zahlungsmittel leben und hochwillkommen sind: In der Esskneipe Keule an der Wilhelmstraße kann man seinen Deckel wie eh und je auch in Mark und Pfennig begleichen. Zum glatten Umrechnungskurs von 1:2, der selbst nach dem x-ten Bierchen nicht überfordern sollte.
Meistens bei Wohnungsauflösungen oder in Omas Schränken gefunden
„Das ist immer noch so“, bestätigt Wirt Jochen Melzer. Doch wer sein Steak für die gesammelten Eichenlaub-Groschen oder silbrige 50-Pfennig-Stücke mit der pflanzenden Frau genießen möchte, sollte damit nicht allzu lange zögern. Denn Jochen Melzer überlegt laut: „Wir könnten das auch bald einstellen.“
Die Menge sei immer weniger geworden. Vielleicht noch 20 bis 30 Mark im Monat kämen zusammen, manchmal sei auch ein Schein dabei. „Vermutlich sind die letzten Verstecke aufgedeckt, und alles ist eingelöst“, sagt der Gastronom.

Bierkrugweise sammeln Jochen (l.) und Rainer Melzer die D-Mark-Stücke in ihrer Esskneipe Keule als Zahlungsmittel ein. © Reinhard Schmitz
Bei Wohnungsauflösungen oder in Omas Schränken – so erzählten Kunden – war das übriggebliebene Geld aus der Bundesrepublik-Epoche meistens zutage gekommen. Oder Gäste lösten ihre Sammlungen mit Sonderprägungen auf. Zehn-Mark-Stücke mit dem Bild von Max Planck oder mit dem Buchdruck-Erfinder Johannes Gutenberg.

Mit Mark und Pfennig können Gäste in der Esskneipe Keule in Schwerte ihren Deckel bezahlen. © Reinhard Schmitz
Leider nie dabei war die Zehn-Mark-Münze mit der Aufschrift „Olympische Spiele Deutschland“. Denn die war eine Fehlprägung. Weil die Olympiade immer nur an Städte, und nicht an Staaten vergeben wird, wurde sie schnell zurückgezogen – und hat jetzt hohen Sammlerwert.
Im Fußboden der „Keule“ ist der D-Mark ein Denkmal gesetzt
Um die 100 Mark im Monate wanderten in guten Zeiten monatlich in die Bierkrüge, deren Inhalt zum Umtausch in Euro zur Landeszentralbank nach Dortmund gebracht werden muss. Doch dort werden auch noch Umtauschgebühren fällig. „Für 20 Mark dahin zu fahren, das lohnt sich nicht“, sagt Jochen Melzer.
Der Wirt liebt die Scheine und Münzen, mit deren Ausgabe am 20. Juni 1948 der Startschuss zum wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westdeutschland gegeben wurde. In seiner Keule hat er ihnen ein kleines Denkmal gesetzt.

Mit Mark und Pfennig können Gäste in der Kneipe in Schwerte bis zum heutigen Tage noch ihren Deckel bezahlen. © Reinhard Schmitz
Auf einer Stahlplatte im Fußboden schaut eine feine Auswahl der Stücke aus einer dicken Schicht Industrie-Epoxydharz hervor – gesichert gegen jeden Versuch, sie als Zahlungsmittel herauszukratzen. Aber einen Freudentanz auf der D-Mark zu vollführen, kann jeder hier noch einmal versuchen.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
