Regentropfen prasseln auf die Wasseroberfläche am Grüntalteich in Schwerte. Ansonsten rührt sich dort gerade nichts: Enten, Gänse oder andere Wasservögel sind an diesem Donnerstag (27.7.) nicht zu sehen. Genau eine Woche ist es her, dass Jäger dort mehrere Kanadagänse und ihren Nachwuchs erlegten.
Anwohnerinnen und Anwohner waren entsetzt gewesen; einer der zuständigen Pächter hatte den Einsatz unserer Redaktion gegenüber als gesetzlich vorgegebene Pflicht gerechtfertigt. Die Tiere hätten als invasive Art heimische Arten vertrieben. Außerdem hätte es zwei Beschwerden aus dem Herbst bzw. Winter über Gänsekot gegeben, erklärte Volker Meier, Sprecher des Kreises Unna, auf Anfrage. „Daneben liegen weitere Beschwerden über Lärm in den Morgenstunden und Gänsefraß im Vorgarten vor.“
Insgesamt seien von 20 dort lebenden Gänsen acht Tiere abgeschossen worden. Die Polizei hatte den Bereich gesichert, damit sich dort keine Menschen aufhalten.
Grundsätzlich schwierig
Doch viele Passantinnen und Passanten sowie Spaziergängerinnen und Spaziergänger, die das Geschehen mitbekommen haben, sind weiter entsetzt. So fragt sich Christian Vorspohl immer noch, warum man nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, zum Beispiel die Gelege der Tiere auszutauschen. „Diese Aktion war völlig überflüssig“, sagt er.
Wir haben beim Naturschutzbund (NABU) NRW nachgefragt. Pressesprecherin Birgit Königs weiß: Kanadagänse verursachen genauso wie Nilgänse Probleme – auch wenn die Sprecherin ungern von einer invasiven Art spricht. „Ich halte es grundsätzlich für schwierig, die eine Art gegen die andere auszuspielen.“
Ein gravierender Faktor für die Vermehrung der Tiere sei, dass sie von Menschen gefüttert werden, so die Sprecherin. „Auf der anderen Seite beschweren sich dann die Leute, weil es so viel Gänsekot gibt. Sie wollen keine verschmutzten Wiesen.“ Denn die Tiere weiden gern auf kurz gemähten Wiesen – genau den Bereichen, auf denen Ausflügler gern picknicken oder im Freibad ihre Decke ausbreiten möchten. Und wer weidet, macht auch sein Häufchen auf eben diese Wiese. „Das ist eine schwierige Gemengelage“, sagt Birgit Königs.

Gänse-Management
Ohne Freigabe dürfe man grundsätzlich gar nicht im Stadtgebiet schießen, erklärt Königs. In Krefeld sei für den Abschuss im städtischen Bereich eine Erlaubnis notwendig, da der Siedlungsbereich normalerweise jagdberuhigte Zone ist. Die würde durch das Ordnungsamt erteilt. „Solch eine Genehmigung wird auch hier vorliegen.“
Für das Töten der Elterntiere und ihrer Jungen brauche man jedenfalls keine Genehmigung, erklärt Volker Meier vom Kreis Unna als Untere Jagdbehörde auf Anfrage. „Laut der Landesjagdzeitenverordnung sind Grau-, Kanada- und Nilgänse vom 16. Juli bis 31. Januar jeden Jahres unabhängig vom Alter und juvenile Nilgänse sogar ganzjährig bejagbar.“ Hier werde eine Unterscheidung bei den Gänsearten gemacht, da Nilgänse als invasive Art gelten.
„Junge Gänse werden nach ca. 10 Wochen flugfähig“, so der Sprecher. „Bei juvenilen Gänsen handelt es sich um flugfähige Gänse in den ersten Lebensmonaten. Unter Berücksichtigung der oben genannten Jagdzeiten liegt hier kein Verstoß gegen Brut- und Aufzuchtzeiten (sog. Elterntierschutz) vor.“
Birgit Königs bestätigt: Die Angaben zu den Jagdzeiten der Landesjagdzeitenverordnung sind korrekt. „Von daher dürfen die Gänse geschossen werden.“ Das sei nicht schön, aber akzeptabel. „Ob das allerdings eine gute fachliche Praxis ist, das ist die Frage.“
Denn anstatt die Tiere und ihren Nachwuchs zu töten, könne man laut NABU das Gänseproblem von Grund auf mit einem gezielten Management bekämpfen. Ansonsten mache der Abschuss ohnehin keinen Sinn, sagt Birgit Königs: „Wenn Gänse bejagt werden, reproduzieren sie umso mehr.“
Außerdem würden andere Gänse das freigewordene Revier als Zugvögel schnell erkennen und neu besetzen. „Man kann ja schlecht sagen: Dann schießen wir die Tiere eben alle drei Jahre ab.“ In Krefeld habe es die Situation gegeben, dass dort rund 140 Tiere abgeschossen worden seien – von insgesamt 300 bis 400 Gänsen. „Die hatten das Problem nicht rechtzeitig erkannt.“

Zusammenarbeit
Doch wie kann so ein Gänse-Management aussehen? Städte wie Duisburg oder Düsseldorf machen es vor. Sie arbeiten mit dem NABU oder den Biologiestationen zusammen. Die Eckpunkte:
- Kontrolle des Fütterungsverbots und gegebenenfalls Strafen gegen Verstöße
- Zusammenarbeit mit Jägern oder Pächtern, die zu verschiedenen Zeiten kommen und die Tiere vergrämen, zum Beispiel mithilfe von Hunden, die die Wasservögel verbellen
- Ausweichflächen schaffen und die Tiere dort in Ruhe lassen –- auf Flächen, die nicht von Menschen genutzt werden
- Brutplätze wie künstliche schwimmende Inseln oder Ähnliches vor der Brutzeit vom Gewässer entfernen
Auf Anfrage erklärt Maximilian Böttner, Pressesprecher der Stadt Duisburg, dass Grau- und Kanadagänse seit den 1990er-Jahren an Duisburger Gewässern brüten. Eine deutliche Zunahme habe es in den 2000er-Jahren gegeben. „Seit 2010 führen wir deswegen ein Gelegemanagement durch. Zur Brutzeit von Grau- und Kanadagans im März und April suchen Mitarbeitende des Umweltamtes die Gelege der Gänse auf, um die Eier vor dem Brüten zu entnehmen.“ Hierdurch, so der Stadtsprecher, solle die Population reduziert oder zumindest lokal stabil gehalten werden.

Auch am Grüntalteich befindet sich in der Mitte des Sees eine kleine Insel, die mit Bäumen bewachsen ist. Die Insel ist also ein idealer Brutplatz, denn dort können keine Füchse hingelangen, die ansonsten die Gelege fressen würden.
Und warum kann man die Eier in Schwerte nicht ebenfalls aus den Nestern nehmen, so wie es in Duisburg passiert? Die Eier von Kanadagänsen während der Brutzeit auszutauschen, sei nicht so einfach wie zum Beispiel bei Tauben, erklärt Birgit Königs. „Die Tiere können durchaus aggressiv werden und verteidigen ihre Gelege.“ Trotzdem sei dies eine weit bessere Option als der Abschuss - und in Duisburg scheint das Konzept ja gut zu funktionieren. Doch eine Vertreibung der Tiere oder eine Kontrolle der Population durch Gelege-Entnahme ist im Kreis Unna zweitrangig - erste Wahl ist hier offenbar der Abschuss.

Ermessens-Sache?
Die Jagdpächter in Schwerte haben nach eigenen Angaben grundsätzlich gar keine Erlaubnis dafür, die Gelege von brütenden Wasservögeln zu entfernen oder auszutauschen. Eine Erlaubnis zum Abschuss der Tiere bekommen sie aber durchaus.
Das bestätigt Volker Meier für den Kreis: Die Jagd auf diese Gänse habe unter Beachtung der Jagdzeiten im Rahmen der befugten Jagdausübung stattgefunden und erfordere keine Ausnahmegenehmigung. Das gälte auch für eine Vergrämung der Tiere. „Es liegt im eigenen Ermessen des zuständigen Jägers, ob er die jeweilige Wildart vergrämt oder im Rahmen der befugten Jagdausübung erlegt.“
Eine gezielte Vergrämung und auch eine Gelegeentnahme fände in der Regel nur dann statt, wenn eine Schussabgabe aufgrund der Örtlichkeit nicht möglich sei. Meier: „Für eine Gelegeentnahme wäre eine Genehmigung erforderlich.“
Ob sich die Stadt Schwerte vorstellen kann, ein wie in Duisburg beschriebenes „Gänse-Management“ in Zusammenarbeit mit Jägern und Naturschutzbehörden einzurichten, haben wir angefragt. Sobald wir Antworten bekommen, berichten wir weiter.
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