Es war ein rührendes Fotomotiv: Wenn die Küken im Gänsemarsch hinter ihren Eltern über die Ostberger Straße watschelten, traten alle Autofahrer freiwillig auf die Bremse. Und zogen die Tiere ihre Bahnen in ihrem angestammten Element, dem Wasser des Grüntalteichs, schauten ihnen Kinder vom Ufer andächtig zu. Jetzt suchen die Augen der Mädchen und Jungen vergeblich nach ihren gefiederten Freunden. Die Gänsejagd vom vergangenen Donnerstag (20.7.) erhitzt die Gemüter.
Bei derartigen Aktionen gibt es immer Kritiker, und es gibt Befürworter. Das weiß Daniel Gödde, Zweitpächter des Gebietes rund um den Grüntalteich in Schwerte.
„Wie kann man einfach so auf Tiere schießen?“, fragte eine Leserin empört und wandte sich damit an die Redaktion. „Da sicherte die Polizei das Gelände, und drei dafür engagierte Jäger schossen alle drei Gänsepaare mit ihren Küken auf dem Teich tot“, schreibt ein anderer.
Daniel Gödde erklärt auf Anfrage der Redaktion: „Einfach so“ sei nicht geschossen worden. Die Aktion sei nicht nur rechtens gewesen, sondern soll laut Gödde auch nötig gewesen sein.
„Natürliche Artenvielfalt erhalten“
Als Pächter sei es seine gesetzlich vorgegebene Pflicht, die „natürliche Artenvielfalt“ in seinem Verantwortungsbereich zu bewahren. Und deshalb müsse er die Zahl der Nil- und Kanada-Gänse in Grenzen halten.
Diese Gänse seien nicht nur sogenannte invasive Arten, die gar nicht nach Deutschland gehören, sie verhielten sich auch territorial. Das heißt: Sie vertreiben andere, einheimische Arten. „Am Grüntalteich gibt es keine Stockenten mehr“, berichtet Daniel Gödde. Die Gänse hätten also bereits Schaden angerichtet.

Zudem hätten sie hier keine natürlichen Feinde. „Füchse interessieren sich für das Gelege und die Küken“, so der Jäger. Doch im Grüntalteich, im Volksmund auch Grüntaler Teich genannt, gibt es eine kleine Insel, auf der die Gänse völlig unbehelligt aufwachsen könnten. So käme es zu einer Überpopulation, sagt Gödde: „Die Natur kommt aus dem Gleichgewicht.“
Deshalb, so Gödde, müsse der Mensch eingreifen. Nicht nur aus Prinzip, sondern auch aus aktuellem Anlass: Und den soll es gegeben haben. Bei der Unteren Landschaftsbehörde waren laut Gödde Beschwerden über durch Gänse-Kot verunreinigte Fußwege eingegangen.
Jagdzeit begann am 16. Juli
Nach der Jagd mitten in der Stadt hagelte es sodann harsche Kritik und Unverständnis in den sozialen Medien. Auch unter Spaziergängern, die regelmäßig am Grüntalteich einen Augenblick Entspannung suchen, war der Flinten-Einsatz ein Aufreger-Thema. „Es muss ein relativ wildes Geballer gewesen sein“, hörte Christian Vorspohl bei seinen Teich-Besuchen immer noch aus den Schilderungen von Passanten.
Selbst wenn die Jäger ihre Gründe hätten, so hätte man die Aktion doch „nicht auf diese Weise“ durchführen müssen, sagt er. Denn zur Reduzierung der Gänsepopulation hätte man doch die Gelege ausnehmen oder die Eier austauschen können, wie es oft bei Stadttauben geschieht.
Wenige Tage vor der Aktion, am 16. Juli, begann in NRW die Jagdzeit. Von den 20 Nil- und Kanada-Gänsen, die am Grüntalteich lebten, wurden acht geschossen. „Die sind alle zum Verzehr gedacht, wir erlegen nur so viele Tiere, wie wir auch nutzen können“, sagt Daniel Gödde. Auch die Uhrzeit für die Jagd hatte man bewusst gewählt. Kritiker Christian Vorspohl sah dahinter aber auch eine andere Absicht. Zu diesem Termin sei die Tierarztpraxis am Grüntalteich noch geschlossen, sodass deren Besucher von alledem nichts mitbekommen konnten.

Die Schüsse waren laut Anwohnern um 7 Uhr morgens zu hören, laut Gödde eine bewusste Entscheidung des Jägers: „Mit der Jagd wollten wir nicht den Spaziergängern und den Kunden der Tierarztpraxis am Grüntalteich in die Quere kommen.“
Dass es durch solche Aktionen zu Ärger mit Anwohnern kommt, tut Daniel Gödde nach eigener Aussage leid. Er bietet an: „Wer sich gestört fühlt oder glaubt, die Jagd sei nicht rechtens, der sollte uns ansprechen. Dann kommt es nicht zu Missverständnissen.“
„Keine passenden Worte“
Trotz dessen ist die Empörung in Teilen groß: „Als Kleingartenpächter in der Gartenanlage am Grüntalteich bin ich fast jeden Tag dort gewesen, und habe zwei Graugans-Paare und ein Paar Nilgänse seit der Brutzeit beobachten können. Auch Familien mit kleineren Kindern kamen oft zum Teich, um mit Freude die kleinen (...) Federknäule zu sehen, wie sie zwischen ihren Eltern in Reihe ihre Bahn übers Wasser zogen. Davon werden Hunderte von Fotos und Videos unterwegs sein“, schreibt Leser Werner Schau. „Für das, was da passiert ist, finde ich keine passenden Worte.“
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