
Wenn Kinder sich nicht mehr allein helfen können, sind im besten Fall die Berater des Kinderschutzbundes an ihrer Seite. Geschäftsführer Frank Zimmer hat erklärt, was die Zahlen des Jahresberichts für Schwerte bedeuten. © dpa / Montage Dittgen
Kinderschutzbund: „Für betroffene Familien ist das ganz dramatisch“
Kinderschutzbund Kreis Unna
Der Kinderschutzbund des Kreises Unna hat seinen Jahresbericht veröffentlicht. Auch in Schwerte wurden Kinder betreut, die Opfer von Gewalt wurden. Ein Bereich hat dabei deutlich zugenommen.
Es sind vier Bereiche, nach denen der Kinderschutzbund im Kreis Unna Gewalt an Kindern kategorisiert. Im Jahresbericht, der jetzt veröffentlicht wurde, zeigt sich: Rund 340 Kinder wurden im Jahr 2021 durch den Kinderschutzbund betreut. Die Bereiche sind: sexualisierte Gewalt, körperliche Gewalt, Vernachlässigung sowie Cybermobbing.
Bereits die Tatsache, dass allein in der Kleinstadt Selm (25.000 Einwohner) 71 Kinder betreut wurden, hatte Leserinnen und Leser des Jahresberichts stutzig werden lassen. So viele? Doch Dr. Henriette Schildberg vom Kinderschutzbund erklärte auf Anfrage, dass die hohen Zahlen mit der guten Angebotsstruktur zusammenhingen.
Das bestätigt auch Geschäftsführer Frank Zimmer. „In Selm sind wir direkt vor Ort, dort gibt es seit 30 Jahren eine gute, gewachsene Struktur“, sagt er. In Schwerte gebe es ebenfalls gute Kooperationen. Dort wurden durch den Kinderschutzbund allerdings laut Jahresbericht „nur“ 16 Mädchen und Jungen betreut.
Frank Zimmer berichtet, dass es in der Ruhrstadt im Jahr 2021 insgesamt sieben Betreuungen von Opfern sexualisierter Gewalt gegeben habe – drei Mädchen und vier Jungen. Zwei Mädchen und drei Jungen waren als Opfer körperlicher Gewalt betreut worden. Zwei Mädchen seien aufgrund von Vernachlässigung betreut worden, und zwei weitere Mädchen tauchen als Opfer von Cybermobbing im Jahresbericht auf.
Cybermobbing: Erpressung und Bedrohung
Der Bereich des Cybermobbing sei dabei auf dem Vormarsch, warnt Frank Zimmer. „Mobbing und Cybermobbing haben insgesamt stark zugenommen“, sagt er. Die Auswirkungen seien mitunter dramatisch – auch für das Umfeld der betroffenen Kinder und Jugendlichen. „Wir haben es schon erlebt, dass ganze Familien wegziehen mussten“, erzählt der Familientherapeut und Fachberater für Kinderschutz.

„Nur“ eine harmlose Streitigkeit oder Mobbing? Der Kinderschutzbund im Kreis Unna warnt: Besonders Cybermobbing sei auf dem Vormarsch. © picture-alliance/ dpa
Beim Cybermobbing dürfe man das Ausmaß der Bedrohung nicht unterschätzen – da gehe es um mehr als um unfreundliche WhatsApp-Nachrichten. „So etwas muss man ganz genau unterscheiden. Beim Cybermobbing gibt es mitunter richtige Erpressungsversuche und Bedrohungsszenarien“, schildert Frank Zimmer. Er betont, dass man sich in so einem Fall unbedingt Hilfe suchen sollte. „So etwas kann ein Kind nicht alleine wuppen.“
Enge Kooperation mit der Schwerter Jugendhilfe
Der Kinderschutzbund arbeitet in Schwerte eng mit dem Jugendamt und auf diesem Weg mit dem Arbeitskreis der Kinderschutzfachkräfte zusammen. „Es gibt dort viele Leute, die bei freien Trägern arbeiten. Sie kennen die Verfahren und die rechtlichen Grundlagen.“ Das sei enorm wichtig, so Zimmer. Auch mit dem Schwerter Netz für Jugend und Familie bestehe eine sehr enge Kooperation.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt Schwerte (hier ein Aufenthaltsraum des Jugendamtes) bezeichnet der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes als „gut und intensiv“. © Martina Niehaus (A)
Was Frank Zimmer dennoch besorgt, ist die hohe Dunkelziffer. „Wir waren einmal an einer weiterführenden Schule in Fröndenberg, haben dort eine Beratung angeboten. Sofort gingen die Zahlen hoch.“ Was viele Schulleiterinnen und Schulleiter alarmiert, ist für den Kinderschutzbund-Geschäftsführer selbstverständlich und auch wichtig. „Viele haben Angst davor, dass die Beratungszahlen an der Schule oder in der Stadt in die Höhe schnellen. Doch nur dort, wo wir sind, nehmen uns die Kinder wahr und wir können sie beraten.“
Dunkelziffer bleibt zu hoch: „Wünschen uns mehr Präsenz“
Wegen der hohen Dunkelziffer wünscht sich Frank Zimmer noch mehr direkte Präsenz – auch für den Südkreis des Kreises Unna. „Momentan haben wir drei volle Stellen für den gesamten Kreis.“ Doch ab 2023 soll es zwei zusätzliche Stellen geben. „Dann hätten wir Hauptansprechpartner für den Nord-, Mittel- und Südkreis.“
In der Zwischenzeit ist Frank Zimmer weiterhin von der guten Zusammenarbeit mit den Schwerter Behörden, Trägern und Vereinen überzeugt. Und er ermutigt Kinder und Familien, sich Hilfe zu holen. „Man kann sich bei uns auch gerne anonym melden.“
So erreicht man den Kinderschutzbund
- Auf der Homepage des Kinderschutzbundes kann man unter www.kinderschutzbund-kreisunna.de wichtige Informationen zu den Beratungsangeboten finden.
- Der Kreisverband Unna versteht sich auch als „Lobby“ für Kinder: „Wir setzen uns für die Rechte aller Kinder und Jugendlichen auf gewaltfreies Aufwachsen und Beteiligung ein. Wir stärken sie bei der Entfaltung ihrer Fähigkeiten. Wir mischen uns zugunsten der Kinder ein – in der Bundes- und Landesgesetzgebung, bei Planungen und Beschlüssen in unseren Städten und Gemeinden.“
- Bei der Beratungsstelle für Kinderschutz werden kostenfreie Therapien für betroffene Kinder und Familien angeboten.
- Auch Präventionsangebote, vor allem im Bereich Mobbing und Cybermobbing, bietet der Kinderschutzbund an.
- Rund 10.000 Mädchen und Jungen im ganzen Land wählen täglich die „Nummer gegen Kummer“; die meisten sind zwischen 10 und 16 Jahre alt. Die Nummer ist montags bis freitags von 14 bis 20 Uhr zu erreichen und lautet 116 111 oder 0800 - 111 0 333.
- Telefonisch kann man den Kinderschutzbund auch unter (02303) 15 90 1 erreichen. Die E-Mail-Adresse lautet: info@kinderschutzbund-kreisunna.de
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
