Der Kinderschutzbund Kreis Unna betreut Kinder, die Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt, Vernachlässigung oder Mobbing wurden.

Der Kinderschutzbund Kreis Unna betreut Kinder, die Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt, Vernachlässigung oder Mobbing wurden. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Kindesmissbrauch im Kreis Unna: Warum gibt es so viele Fälle in einer Kleinstadt?

rnKinderschutzbund Kreis Unna

Der Kinderschutzbund Kreis Unna hat im Jahr 2021 insgesamt 340 Kinder betreut. Sie verteilen sich sehr unterschiedlich auf die Städte und Gemeinden. Die meisten wohnen in einer der kleinsten Kommunen.

von Kevin Kohues

Kreis Unna

, 06.06.2022, 09:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die rund 400.000 Einwohner im Kreis Unna verteilen sich recht unterschiedlich auf die zehn Städte und Gemeinden. Während fast jeder vierte Bürger in Lünen wohnt, sind es in Holzwickede und Bönen jeweils weniger als 20.000.

Wer sich in diesem Wissen den Jahresbericht des Kinderschutzbundes anschaut, stutzt unweigerlich: 71 von 340 Kindern, die im vergangenen Jahr betreut wurden, kommen aus der 25.000-Einwohner-Stadt Selm. Das sind mehr Klienten als in den anderen, teilweise mehr als doppelt so großen Städten Unna (62), Lünen (40) und Bergkamen (34).

Wer daraus den Rückschluss zieht, dass es Kindern in Selm schlechter geht als andernorts im Kreis Unna, liegt aber nicht richtig. „Je mehr Angebote es gibt, desto mehr Bedarf zeigt sich. Wo wir vor Ort sind, sind die Klientenzahlen am höchsten“, erklärt Dr. Henriette Schildberg vom Kinderschutzbund.

Dass der größte Anteil von Klienten aus Selm, Unna, Lünen und Bergkamen kommt, erkläre sich aus der räumlichen Nähe zu Unna und Bergkamen, „aber auch durch unser Angebot der aufsuchenden Hilfe“, heißt es im Jahresbericht des Kinderschutzbundes. Und weiter: „Hier wirken sich – wie zum Beispiel in Selm – unsere regelmäßigen Beratungsangebote vor Ort, die enge Kooperation mit dem örtlichen Jugendamt und unsere zusätzlichen Räumen im Beratungshaus Nienkamp 28 sehr positiv aus. Haus Nienkamp 28 ist die zentrale Anlaufstelle für alle Ratsuchenden in Selm.“

In Selm ist die Angebotsstruktur offenbar besonders gut

Das heißt im Klartext: In Selm ist es nicht etwa besonders schlimm, sondern dort ist die Angebotsstruktur besonders gut. In anderen Städten, in denen es keine solchen Anlaufstellen gibt, dürfte hingegen das Dunkelfeld größer sein.

Die Familien, die in der Statistik in der Rubrik „außerhalb“ auftauchen (12 im Jahr 2021), kommen aus angrenzenden Städten des Kreises, in denen es kein entsprechendes Beratungsangebot gibt, und sind zum Beispiel auf Empfehlung kreisansässiger Schulen, Kinderärzte und Psychiater zum Kinderschutzbund Kreis Unna gekommen.

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Übrigens macht die sexualisierte Gewalt mit 145 Fällen den größten Anteil unter den betreuten Kindern aus. 78 Mal war körperliche Gewalt der Hintergrund, 83 Mal Vernachlässigung und 34 Mal ging es um Mobbing oder Cybermobbing.