Ein Flügel des grauen Holztors in dem geheimnisumwobenen Betonkubus öffnet sich. Durch den Spalt fällt Tageslicht in den Bunkereingang, der sich im Gebüsch an der Lichtendorfer Straße verbirgt.
Soweit sein Schein den mannshohen Stollen zu erhellen vermag, lehnen sich Brennholzstapel an die mit uralten Platten verkleideten Wände. Was sich im Dunkel dahinter verbergen mag?
15 Meter in den Berg hinein
Der Mann aus Schwerte-Ost (Name der Redaktion bekannt), der den alten Bunker gemietet hat, kennt das Geheimnis. Nach etwa 15 Metern ende der Gang: „Zugemauert.“ Damit muss er bis weit unter den „Dortmunder Platz“ reichen, wie die Bewohner der Eisenbahner-Siedlung das höherliegende Ende der Lichtendorfer Straße nennen, wo einst Lokschlosser aus der benachbarten Großstadt ihr Zuhause fanden.
Ein ähnlicher Eingang – so ist zu hören – befinde sich in einer großen Werkshalle des früheren Eisenbahn-Ausbesserungswerks auf der anderen Seite der Siedlung. Ob die beiden Teilstücke im Zweiten Weltkrieg zu einem Fluchttunnel für die Mitarbeiter verbunden werden sollten? Oder waren sie auch als Schutzraum für die Bewohner bei den Bombardements der anglo-amerikanischen Fliegerstaffeln gedacht?

Über diese Fragen rätselt auch der Rentner. Als er in Schwerte-Ost zur Welt kam, war die Erinnerung an das fürchterliche Kriegsgeschehen noch sehr frisch in den Köpfen. Nachbarn erzählten davon, wie russische Kriegsgefangene an dem Bunkertunnel mitgearbeitet hätten, der am Hang vor dem heutigen Gehrenbach-Stausee in den Berg getrieben wurde.
Auf dem Gelände, damals noch von einem Bauern als Ackerland genutzt, habe es noch mehrere Stolleneingänge gegeben. Die Kinder konnten hinein, weil Schrottdiebe die eisernen Tore an den Scharnieren abgesägt hatten.

Beim Bau des Stausees Mitte der 1970er-Jahre versanken die Bunker im Wasser. Einer, direkt am Start des Spazierwegs an der Lichtendorfer Straße, sei wohl eingestürzt, vermutet der Mann. Ein anderer habe sich an dem Berghang am entgegengesetzten Ufer befunden. Damit bestätigt er Berichte von Taxifahrer Martin Fischer, den die Gänge als Kind magisch angezogen hatten. „Lebensgefährlich“, sagt er heute und würde solche Erkundungen niemals mehr wagen.
Jagdflugzeug abgestürzt
Damals war vieles anders. Die Lichtendorfer Straße war nicht ausgebaut. Auch der beliebte Rundweg wurde erst beim Bau des Gewässers angelegt. Als ein Bagger den Untergrund für den Spazierweg planierte, sei er auf Reste eines Jagdflugzeugs der ehemaligen deutschen Wehrmacht gestoßen, berichtet der Rentner.
In dem Boden hätten Motor und Propeller-Stücke einer ME 109 gesteckt, die offenbar in der Nähe von Hamm abgeschossen worden war. Die Nachricht muss sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben. Wer konnte, schraubte sich Zündkerzen, Muttern oder andere Souvenirs als Briefbeschwerer aus dem Wrack heraus, nachdem es mit einer Seilwinde aus der Erde herausgezogen worden war.

Warten auf die Fledermäuse
Sichtbares Relikt der schweren Zeiten blieb in der Öffentlichkeit nur der Eingang zu dem Bunker an der Lichtendorfer Straße, dessen Wände im Laufe der Zeit immer schwärzer wurden. Ein Bewohner der Siedlung, so erinnert sich der heutige Mieter, habe früher das Gewölbe als Garage genutzt. In dem einstigen Schutzraum parkte sein roter Opel Olympia.
Ungefähr einen Meter dick müssen die Wände an der Seite und auf dem Dach sein, wie der Mann mithilfe seines Regenschirms ausmisst. Daran vorbei führt ein glitschiger Trampelpfad durch den Morast nach oben zu den Wohnhäusern, mit dem sich Hundebesitzer beim Gassigehen den Weg zum Stausee abkürzen.
Ein Stück weit erobert die Natur das Gelände des alten Kriegsbunkers zurück. In seinem dunklen Inneren hat der Rentner Nisthilfen für die Rotkehlchen und andere Vögel gebastelt, die das Gewölbe für sich entdeckt hatten. Nur die Fledermäuse, die abends um draußen um die Laternen zischen, haben es noch nicht als Schlafplatz entdeckt. Dabei hätten sie leichten Einflug. In das Metallgitter über dem Eingangstor ist extra für sie eine kleine Aussparung geschnitten worden.
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