Mehrwertsteuererhöhung in der Gastro Keine Pleitewelle, aber Frust: „Wo soll das hinführen?“

Keine Pleitewelle, aber mehr Frust: Gastro-Mehrwertsteuer in Schwerte
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Da mal ein Bier weniger, da lieber nur ein Milchkaffee anstatt der gewohnten zwei Tassen. Die Menschen gönnen sich beim Restaurantbesuch weniger. Das haben die Gastronominnen und Gastronomen in Schwerte seit der Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent am 1. Januar 2024 festgestellt. Die vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW befürchtete Pleitewelle ist in der Ruhrstadt zum Glück aber ausgeblieben.

Für Freischütz-Chef Philip Winterkamp, Geschäftsführer der Muto Heimatgastronomie, außerdem Dehoga-Kreisvorsitzender in Dortmund und für den Kreis Unna Vollversammlungsmitglied der Industrie- und Handelskammer, heißt das aber noch nicht, dass die Zeichen auf Entspannung stehen. Die Pleitewelle sei zwar in der Tat bis jetzt noch nicht eingetreten, die Frustration im Kollegenkreis sei aber gefühlt größer geworden. „Viele fragen sich: Wo soll das noch hinführen?“, sagt Philip Winterkamp.

„Die Mehrwertsteuererhöhung hat es nicht leichter gemacht!“

Ob die Wiederanhebung der Mehrwertsteuererhöhung der Gastronomie wirklich so schaden wird, wie vom Hotel- und Gaststättenverband befürchtet, dazu sei laut des Freischütz-Chefs zu diesem Zeitpunkt ohnehin noch kein seriöses Fazit möglich. Es seien viele Komponenten, die in die Gastrobranche und ihre Entwicklung hineinspielten. „Es wird wohl das ganze Jahr dauern, um das beurteilen zu können“, sagt Philip Winterkamp. Fest stehe aber: „Die Mehrwertsteuererhöhung hat es nicht leichter gemacht!“

Im Freischütz sei es so, sagt Philip Winterkamp, dass vor allem hochpreisige Gerichte weniger bestellt würden. Die Gäste wählten viel preisbewusster von der Karte aus als in der Vergangenheit und entschieden sich heute häufiger für Speisen aus dem mittelpreisigen Segment.

Sivita Karakus vom Café Herrlich steht an der Theke ihres Lokals in Schwerte.
Ins Café Herrlich kommen auch nach der Mehrwertsteuererhöhung im Januar 2024 nicht wesentlich weniger Gäste, sagt Sivita Karakus (Foto: Archiv). © Foto: Reinhard Schmitz

Frage des Preises

Bei Sivita Karakus vom Café Herrlich am Markt gingen seit Anfang Januar nicht merklich weniger Gäste aus und ein. Bislang sei ihr jedenfalls kein Unterschied aufgefallen. „Wir haben die Preise auch nicht so erhöht, dass Gäste deswegen weggeblieben sind!“, betont die Gastronomin und schiebt mit Blick auf die Zukunft ein „Toi, toi, toi!“ hinterher.

Auch Vasili Pnevmatikos vom Haus Menzebach ist bislang recht gut durch die Zeit nach der Mehrwertsteuererhöhung gekommen. „Teilweise nicht, teilweise doch“, ist seine Antwort auf die Frage, ob er ein anderes Kundenverhalten spüre. Insgesamt schlage dies aber nicht stark zu Buche. Genau wie Sivita Karakus macht er dafür die Preise in seinem Betrieb verantwortlich. „Unsere Preise sind nicht so hoch. Und die Qualität gefällt den Gästen!“ Auch die Bestellungen zur Abholung hätten sich seit Januar nicht verändert.

Die Markt-Baustelle hat die Geschäfte des Lokals Lo´Canta ohnehin schon erschwert.
Die Markt-Baustelle hat die Geschäfte des Lokals Lo´Canta ohnehin schon erschwert, die Preissteigerungen und die Mehrwertsteuererhöhung machen es nicht leichter. © Reinhard Schmitz

„Man muss kalkulieren“

„Wir müssen mehr zahlen, damit es für die Kunden gleich bleiben kann“, weist Lo’Canta-Chefin Ayse Yilmaz auf die Notwendigkeit hin, heute besonders genau kalkulieren zu müssen. Die Preise in Ihrem Restaurant am Markt habe sie selbst erst vor zwei bis drei Wochen erhöht. Und deswegen auch neue Karten drucken lassen. Nun sei es aber schon wieder so, dass die Getränkehändler noch mal ihre Preise erhöht hätten, weil sie wiederum höhere Maut-Gebühren zu zahlen hätten.

Trotz knapper Kalkulation spürt Ayse Yilmaz bei ihren Kunden mehr Zurückhaltung beim Ordern von Getränken und Speisen. „Es wird schon der ein oder andere Milchkaffee weniger bestellt. Und auch beim Trinkgeld macht sich diese Zurückhaltung bemerkbar“, sagt die Lo‘Canta-Chefin.

Ayse Yilmaz steht vor ihrem Restaurant Lo'Canta am Marktplatz in Schwerte.
Ayse Yilmaz, Inhaberin des Lo'Canta: „Wir müssen mehr zahlen, damit es für die Kunden gleich bleiben kann“ © Irina Höfken

Da erhöht, dort gesenkt

Im Peking Garden von Shen Jin an der Hörder Straße hatten die allgemeinen Preissteigerungen schon vor der Mehrwertsteuererhöhung dazu geführt, dass er seinen Buffet-Preis um einen Euro erhöhen musste, um zurechtzukommen. Aktuell sei es so, dass er „etwas weniger“ Gäste bewirte.

Gjergj Sokoli vom L’incontro in der Eintrachtstraße hat seine Preise nicht erhöht, sondern etwas heruntergeschraubt. Der Gastronom, der erst seit November des Jahres 2023 in Schwerte Gäste bewirtet, hat so versucht, sich den Neuanfang nicht schwieriger als nötig zu machen. Denn dieser ist in Zeiten der Inflation wohl besonders herausfordernd. Zwar habe er keine großen Vergleichsmöglichkeiten, er nehme aber schon an, dass bei ihm im Restaurant ohne die Mehrwertsteuererhöhung und die allgemeinen Preissteigerungen, die Verbraucher zu schultern haben, wohl etwas mehr los wäre.

Gutes Wetter hilft

Mike Henning, der für sein Strandhaus am Hengsteysee sogar ausdrücklich damit geworben hatte, dass er die Preise vorerst nicht erhöhen werden, ist damit bislang gut gefahren. Ein anderes Kundenverhalten oder sinkende Gästezahlen merke er nicht, sagt Mike Henning. Er profitiere aber auch davon, dass ihm gutes Wetter stets Gäste beschere.

Mike Henning gibt aber auch zu bedenken, dass sich sein noch recht neues Lokal (die Eröffnung war im September 2022) aktuell noch in einer Phase befinde, in der ohnehin noch Wachstum stattfinden müsse. „Aber man weiß ja nicht, wie es sich entwickelt hätte, ohne die aktuellen Umstände.“