
© Reinhard Schmitz
Mit 77 Jahren, da fängt das Leben an: Dienstälteste Friseurin geht in Rente
Friseure in Schwerte
Das macht Annelie Kruppa so schnell keiner nach. Mit 14 Jahren ging sie in die Lehre bei einem Friseurmeister. Erst kurz vor ihrem 77. Geburtstag legte sie jetzt die Schere aus der Hand.
Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Als Udo Jürgens seinen Hit sang, ahnte noch keiner, dass die Politik das Rentenalter mal kurzerhand um zwei Jahre heraufsetzen würde. Für eine Friseurin aus Westhofen war das aber immer noch zu früh, um zu Hause zu bleiben. Annelie Kruppa ließ erst jetzt die Schere schweigen - wenige Tage vor ihrem 77. Geburtstag. Am Donnerstagabend (29.4.) packte sie im Haarstudio by Elif an der Reichshofstraße zum letzten Mal ihren Arbeitswagen zusammen.
Seit der Lehre mit 14 Jahren immer voll berufstätig gewesen
„Sie war immer voll im Beruf. Ich wüsste nicht, wann sie jemals krank gewesen ist“, lobte Chefin Elif Yildirim, die einen großen Teil ihres Berufswegs zusammen mit der Neu-Rentnerin gegangen ist. Bevor sie sich vor 25 Jahren selbstständig machte, arbeiteten beide zusammen im damaligen Salon Geitz. Dort bildete Annelie Kruppa auch schon ihre Kollegin Eva Jeschor aus, mit der sie jetzt in Westhofen zusammenarbeitete.

Das ganze Team von Friseurmeisterin Elif Yildirim (vorn, v.r.) war in die Westhofener Salon-Filiale gekommen, um die langjährige Kollegin Annelie Kruppa (76) mit Blumen, Sekt und Pizza zu verabschieden. © Reinhard Schmitz
Zum Abschied überraschte das ganze 20-köpfige Team von Elif Yildirim die beliebte Kollegin im 100 Quadratmeter großen Haarstudio, das früher mal der Schlecker Drogeriemarkt war. Mit Blumen, Sekt und Pizza - serviert von Kollegin Gülay - dankte man ihr für die schöne Zeit der Zusammenarbeit. Kunden konnten leider wegen der Pandemie-Beschränkungen nicht eingeladen werden. Sonst wäre Annelie Kruppa ein „großer Bahnhof“ sicher gewesen. Denn in ihrer langen Zeit am Ort hat sie wohl halb Westhofen kennen gelernt.
Sie bediente schon erwachsene Kinder der ersten Kundinnen
„Der letzte Kunde war der Sohn von einer Kundin“, berichtete sie. Wie so oft, hatte bereits die nächste Familien-Generationen auf ihrem Sessel Platz genommen. Nach einer Lehre als 14-Jährige in Bochum und einer Station in Hagen war Annelie Kruppa in Westhofen beruflich heimisch geworden. Ob Wellenfrisur, aufgedrehte Haare oder Fönfrisuren - die Moden kamen und gingen, aber die beliebte Friseurin blieb. „Ich habe sogar noch Rasieren gelernt“, erzählte sie. Richtig mit dem Messer, die Klinge am Abziehstein und mit dem Lederriemen geschärft.

Auch Chefin Elif Yildirim (l.) vertraute Annelie Kruppa ihr Haar an. © Reinhard Schmitz
Natürlich blieb Annelie Kruppa immer auf der Höhe der Zeit. „Man muss ständig dazulernen“, sagte sie. Wie erfolgreich das war, zeigte sich daran, dass sowohl ältere als auch jüngere Kunden ihre Dienste zu schätzen wussten. Die meisten waren Stammkunden, zwischen deren Terminen nur selten eine Lücke im Kalender zu ergattern war. Klar, dass man im Laufe der Zeit die gegenseitigen Lebensgeschichten kannte.
All das muss es Annelie Kruppa schwer gemacht haben, die Schere endgültig aus der Hand zu legen. „Ich rahme sie mir irgendwann mal ein“, sagte sie etwas augenzwinkernd. Doch vorerst wird das Gerät noch zu Hause gebraucht. Ihr Ehemann lässt natürlich niemand anderen an seine Haare.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
