Mit einer Presseerklärung haben am Dienstag (18.7.) der ehemalige AfD-Ratsherr Sebastian Rühling und das einstige CDU-Fraktionsmitglied Nicole Schelter angekündigt, eine Fraktion im Stadtrat zu gründen. Können sie das einfach so? Was kostet das die Stadt und wie weit ist das Vorhaben eigentlich gediehen? Wir beantworten wichtige Fragen zum Thema.
Können alle Ratsmitglieder frei Fraktionen bilden?
Im Prinzip ja. Dazu schreiben Helmut Lukas und Ralf Schmorleiz vom Städte- und Gemeindebund Rheinland-Pfalz: „Das Recht, sich mit anderen Mitgliedern des Gemeinderats zur Verfolgung gemeinsamer politischer Ziele zu einer Fraktion zusammenzuschließen, gehört zu den originären Rechten der Ratsmitglieder.“ Das gelte auch für den Wechsel von der einen zur anderen Fraktion. „Ratsmitglieder können jederzeit aus einer Fraktion austreten. Sie können zu einer anderen Fraktion wechseln oder dem Gemeinderat weiterhin als fraktionsloses Mitglied angehören.“
Darf man, wie im Fall von Nicole Schelter nach ihrem Austritt geschehen, einfach jemanden aus einer Fraktion werfen?
Auch hierzu gibt es eine Antwort vom Städte- und Gemeindebund: „Ein Ausschluss aus der Fraktion, über den die Fraktion als Gesamtheit zu entscheiden hat, ist auch unter dem Schutzgedanken des freien Mandats grundsätzlich zulässig, jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Sofern keine Regelungen im Rahmen einer Fraktionsgeschäftsordnung getroffen wurden, darf ein Ausschluss nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser kann angenommen werden, wenn ein Fraktionsmitglied durch sein Verhalten das notwendige Vertrauensverhältnis in der Fraktion nachhaltig stört (...).“
Zu den Störungen zähle: Wenn das Mitglied in Kernfragen der Kommunalpolitik gegen die Fraktion stimme oder eine grobe Schädigung der Fraktion verursache. Nicht jedes abweichende Verhalten rechtfertige den Fraktionsausschluss.
Ist Nicole Schelter noch Mitglied der CDU, wo sie doch im April 2023 aus der Fraktion ausgetreten ist?
Diese Frage beantwortete Nicole Schelter gegenüber unserer Redaktion selbst folgendermaßen: „Ja, ich bin noch Mitglied. Ich finde nicht, dass dies mit der Bildung der neuen Fraktion kollidiert. Ich stehe auch weiterhin voll hinter den Werten der CDU.“ Die Partei sieht das nicht so. Man arbeite an einem Parteiausschlussverfahren, so Parteichef Sascha Enders. Nicole Schelter ist außerdem die Vorsitzende der Schwerter Frauenunion.
Was kostet eine kleine Fraktion die Stadt?
In der Ratsvorlage zur Verwendung der Mittel nach der Auflösung der AfD-Fraktion hat die Stadtverwaltung die Summe für Personal- und Sachkosten mit 13.820 Euro im Jahr angegeben. Hinzu kommt, dass die Stadt ein Fraktionsbüro im Rathaus stellt. Außerdem erhält der Fraktionsvorsitzende einer kleinen Fraktion zusätzlich noch einmal die doppelte Aufwandsentschädigung eines normalen Ratsmitgliedes. Die liegt derzeit bei 420 Euro im Monat.

Warum darf ich mein Ratsmandat behalten, wenn ich nicht direkt gewählt wurde, sondern nur über die Reserveliste meiner Partei in den Rat gekommen bin?
Dazu gibt es unter anderem ein Urteil vom Verwaltungsgericht Köln, das klarstellt: Das Wahlergebnis ist unanfechtbar. „Für die Feststellung des Wahlergebnisses am Wahltag sei es unerheblich, wie sich ein Bewerber nach Beendigung der Wahl verhalte, ob er die Wahl annehme oder ob er die Partei, für die er eigentlich angetreten sei, verlasse.“ So das Gericht in einem Fall, in dem ein Ratsmitglied noch am Wahlabend seiner Wählervereinigung den Rücken gekehrt hatte. In Schwerte gab es übrigens einen ähnlichen Fall zu Beginn der Wahlperiode. Damals trat Mechthild Kayser bei der Linken aus und in die SPD ein.
Welchen Vorteil hat es, eine Fraktion zu bilden?
Ein einzelnes Ratsmitglied darf nur in einem der wichtigen Ratsausschüsse mit beratender Stimme teilnehmen und in keinem mit abstimmen. Das heißt, die Ratsarbeit findet nur in der Ratsversammlung statt, bei der viele Themen nicht mehr diskutiert werden. Zudem teilen die Fraktionen die Arbeit in den übrigen Aufsichtsgremien der Stadt unter sich auf, sodass Einzelmitglieder hier nur mit Genehmigung der Fraktionen mitwirken können.
Warum kann man mit nur zwei Leuten eine Fraktion gründen?
Das ergibt sich aus dem Gesetz. Zur Bildung einer Fraktion reichen zwei Ratsmitglieder aus. Der Gemeinderat ist nicht befugt, eine höhere Mindestzahl festzusetzen, besagt die Gemeindeordnung.

Was muss man tun, wenn man eine Fraktion gründen will?
Fraktionen konstituieren sich, indem die beteiligten Ratsmitglieder ihren Willen zur Bildung einer Fraktion bekunden. Zur Konstituierung gehört auch die Wahl eines Fraktionsvorsitzenden und (bei größeren Fraktionen) die Wahl weiterer Personen, denen bestimmte Aufgaben zugeteilt werden. Diese bilden gemeinsam den Fraktionsvorstand. Auch eine Geschäftsverteilung ist in der Form möglich, dass zum Beispiel ein finanzpolitischer oder ein verkehrspolitischer Sprecher usw. bestimmt werden.
Die Fraktion kann sich eine eigene Geschäftsordnung geben. Die Bildung einer Fraktion, ihre Bezeichnung und die Namen der Mitglieder sind dem Bürgermeister mitzuteilen. Das sei bislang nur per Mail geschehen, so die Stadt Schwerte auf Anfrage am Mittwoch (19.7.). Man warte auf ein Schriftstück mit Unterschriften der beiden Ratsmitglieder.
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