Die Schwerter FDP möchte Gendersprache in der Stadtverwaltung abschaffen. Was sagen die anderen Parteien dazu?

Wie auf dem dpa-Bild auf dem Bildschirm zu sehen ist, ist Gendersprache inzwischen auch in vielen Verwaltungen selbstverständlich. Daran stößt sich die Schwerter FDP, die das Gendern am liebsten abschaffen möchte. © Heiko Mühlbauer / dpa

Gendersprache verbieten? „Die FDP hat nicht verstanden, worum es geht“

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Mit ihrer Forderung, Gendersprache in der Schwerter Verwaltung abzuschaffen, stößt die FDP bei den meisten Fraktionen auf Unverständnis. Völlige Zustimmung kommt allein von der AfD.

Schwerte

, 20.08.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Nachdem die Schwerter FDP-Fraktion verkündet hat, einen Antrag auf ein Verbot der Gendersprache innerhalb der Stadtverwaltung zu stellen, haben sich jetzt auch die anderen Fraktionen zu dem Thema geäußert.

Renate Goeke von der FDP hatte Gendersprache als „ideologisch-elitär“ bezeichnet und angemerkt, dass man mit der Ansprache von beispielsweise „Bürgerinnen und Bürgern“ Personen ausschließe, die divers seien. Das generische Maskulinum sei ausreichend. Außerdem verkompliziere Gendersprache die Kommunikation.

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„FDP setzt sich für Stillstand ein“

Johanna Heppe vom Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen hält es für „bemerkenswert“, in welche Kerbe die FDP mit dem Antrag schlage. Die „selbsterklärte Innovationspartei“ setze sich damit für Stillstand ein – und das, obwohl Sprache sich ständig wandele.

„Die FDP beweist mit ihrem Antrag, dass sie nicht verstanden hat, worum es bei den Bemühungen, Gleichberechtigung in der Sprache herzustellen, geht“, erklärt Johanna Heppe. Sprache sei wirkmächtig. „Jenseits von grammatikalischen Spitzfindigkeiten prägen Worte unser Denken und damit die Gesellschaft, in der wir leben.“

Es gelte, den Weg einer Sprache, die alle meint, weiter zu beschreiten. „Die inklusive Sprache ist noch nicht am Ziel, aber die Richtung stimmt.“ Eine besondere Spitze in Richtung der Liberalen formuliert Johanna Heppe mit der Betonung durch markierte Textpassagen: „Wir sind dafür, dass auch die Stadtverwaltung ihre Freiheit in Anspruch nehmen darf, ohne Denkverbote eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, wie sie kommunizieren möchte.“

Stadtverwaltung: „Dringendere Themen als Gendersprache“

Auch bei der Stadtverwaltung selbst wundert man sich darüber, „dass die Liberalen nun vorschreiben wollen, wie man zu sprechen und zu kommunizieren hat“, teilt Stadt-Pressesprecher Ingo Rous auf Anfrage mit. Auf den Antrag selbst werde erst in der Ausschusssitzung am 13. September eingegangen – derzeit würden „dringendere Themen“ bearbeitet.

Vorab teilt der Stadtsprecher mit: „Den Wunsch der FDP, zukünftig nur noch das generische Maskulinum zu verwenden und damit zum Beispiel nicht mal mehr ,Schwerterinnen und Schwerter’ oder ,Schwerter*innen‘, sondern nur noch ,Schwerter‘ sagen zu dürfen, lehnt der Bürgermeister ab.“

Verwunderung über „freiheitliche Partei“ FDP

Sascha Enders, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands, ist hingegen der Meinung, dass ein Großteil der Bevölkerung mit dem Gendern „nichts anfangen“ könne. Solange es keine Klarheit über Gendersprache gebe, solle man das „hohe Kulturgut der deutschen Sprache“ nicht durchbrechen.

„Richtig oder falsch gibt es hier allerdings nicht“, argumentiert Sascha Enders, denn Sprache müsse sich entwickeln. Aktuell habe man „andere Probleme, als sich mit der Gendersprache auseinanderzusetzen“.

Ein Beispiel für Gendersprache: Das Wort „Besucher“ ist auf einem Schild mit dem Zusatz „:innen“ versehen.

Ein wichtiger Zusatz oder eine Verkomplizierung? Das Wort „Besucher“ ist auf einem Schild mit dem Zusatz „:innen“ versehen. © picture alliance/dpa

Dringendere Probleme sieht auch Marc Seelbach, Fraktionsvorsitzender der Schwerter SPD. „Grundsätzlich wundern wir uns, dass eine freiheitliche Partei mit Verboten arbeiten möchte und grundsätzlich wird es unserer Einschätzung nach auf Unverständnis in der Bevölkerung stoßen, wenn wir uns in Zeiten von Ukraine-Konflikt und Energiekrise mit solchen Fragestellungen im Rat beschäftigen.“

Doch in Sachen Gendern hat die SPD eine andere Meinung als die CDU: Gendern sei ein „wichtiger Baustein“, um Gleichstellung in Sprache und Gesellschaft sichtbar zu machen. „Sprache kann auch ein Machtmittel sein, um bestimmte Personengruppen auszuschließen“, erklärt Marc Seelbach. Der Antrag der FDP stelle in der Gleichstellungsdiskussion einen „Rückschritt“ dar.

Leser*innenbrief: „Sprache ist immer auch politisch“

Sigrid Reihs von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) Schwerte hat mit einem „Leser*innenbrief“ auf die Forderung der FDP reagiert. „Endlich ist die Gender-Debatte auch bei der FDP angekommen – und dann auch gleich als Verbotsantrag für die Verwaltung“, formuliert sie es ironisch.

SPD-Politikerin Sigrid Reihs sagt zur Genderdebatte: „Sprache ist immer auch politisch.“

SPD-Politikerin Sigrid Reihs sagt zur Genderdebatte: „Sprache ist immer auch politisch.“ © Will (A)

Auf das Argument der Verkomplizierung der Sprache bezogen, schreibt die ASF-Vorsitzende: „Wir alle machen die Erfahrung, dass mehr Verschiedenheit in jeder Hinsicht das Leben – und eben auch die Sprache – etwas komplizierter macht. Das wird wohl auch so bleiben, ob mit oder ohne FDP-Antrag.“

Es gebe nun einmal Männer und Frauen und das Geschlecht divers. Im letzten Jahrhundert habe man in Deutschland durch verschiedene Gesetze und Regeln versucht, diese Verschiedenheit nicht auszudrücken. „Gut, dass das vorbei ist“, sagt Sigrid Reihs. „Viele Menschen, die lange sprachlich unsichtbar waren, sind es heute nicht mehr. Und diese Entwicklung zeigt, dass Sprache immer auch politisch ist.“

Der Antrag sei ein Schritt zur De-Liberalisierung der Gesellschaft – „und das von einer Partei, die sich einmal als Partei der Freiheit verstanden hat. Ich kann nur hoffen, dass die Mehrheit der Ratsmitglieder nicht dieser rückwärtsgewandten Haltung folgen wird“.

WfS: „Feingefühl und Respekt“ sind gefragt

Andreas Czichowski von der WfS argumentiert, dass das Gendern eben in der Gesellschaft angekommen sei. Es sei „nicht schädlich und gut gemeint“. Doch oft fühlten sich diejenigen, die einmal das korrekte Gendern vernachlässigt haben, dann selbst angegriffen. „Die Auslegung darf daher nicht zu biestig sein und sollte auch möglichst praktikabel und vermittelnd bleiben.“

Jeder habe das Recht, glücklich zu sein, so Andreas Czichowski. Daher sollte man versuchen, sich – auch sprachlich – immer wieder flexibel auf sein Gegenüber einzustellen. „Also Feingefühl ist gefragt, zwischenmenschlicher Respekt und Anerkennung.“

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Völlige Zustimmung bekommt die FDP in Sachen Antrag allein von Sebastian Rühling von der AfD: Die Gendersprache sei eine „von einer Minderheit von regierungsnahen linken Kreisen gewünschte Sprache“, die zu „tiefen Gräben in der Gesellschaft“ führen würde. Dies sei der einzige Zweck dieses „ideologischen Konstruktes“.