
© Reinhard Schmitz
Fahrlehrer Udo Edelmeier hat umgesattelt: Jetzt macht er Apfelsaft
Natur in Schwerte
Tausenden Schwertern hat Udo Edelmeier den Umgang mit Gas, Kupplung und Lenkrad beigebracht. Dass er nach 38 Jahren in seiner Fahrschule umgesattelt hat, hat viele unserer Leser interessiert.
Kein Motorenlärm weit und breit. Höchstens, wenn einmal in der Stunde ein Dieseltriebwagen auf der nahen Ruhrtalbahn nach Arnsberg vorbeihuscht. Sein eigenes Auto hat Udo Edelmeier auch weit entfernt abgestellt, wo ein gemulcherter Weg sich in der Dorfstraße verliert. Nicht mehr lange wird es dort durch das schütteres Grün auszumachen sein. Die mehr als 100 Bäume seiner Streuobstwiese stehen in den Startlöchern, um an den nächsten warmen Tagen ihre Blätter auszutreiben.
Alles war überwuchert von brusthohem Brombeergestrüpp
Genau genommen, ist es gar nicht „seine“ Streuobstwiese, die Udo Edelmeier mit einer Handvoll Mitstreiter von einem Urwald in ein Naturparadies verwandelt. Die drei Hektar am Rande von Geisecke, so erzählt er, gehören als sogenannte Ausgleichsfläche ganz vielen Eigentümern, die im benachbarten Gewerbegebiet Zwischen den Wegen gebaut haben.
Als Ersatz für zubetonierten Boden wurden der Natur hier Äpfel und Birnen, Kirschen und Pflaumen gepflanzt. Doch dann kümmerte sich niemand mehr darum. Fast brusthohes Brombeergestrüpp und anderes Unkraut begann, alles zu überwuchern. Baumpflege war Fehlanzeige. Die Äste schossen in die Luft, wie sie wollten. Kreuz und quer durcheinander, ließen sie kein Sonnenlicht mehr in die Kronen.
Völlig falsch, weiß Udo Edelmeier heute. „Man muss einen Hut durch den Baum werfen können“, hat er gelernt, als Ralf Pötschke vom gleichnamigen Gartencenter ihn und seine Mitstreiter in die Kunst des Obstbaumschnitts einführte. Schritt für Schritt verschwinden jetzt die überflüssigen Zweige. Ein Drittel in diesem Winter, ein Drittel im nächsten Jahr.
Die Grundstückseigentümer übertrugen eine Patenschaft
Bis es soweit war, war allerdings Klinkenputzen angesagt. Denn ein fremdes Grundstück darf man ja nicht pflegen. „Ich habe jeden einzelnen Eigentümer abklabastert“, berichtet der Ex-Fahrlehrer, der seine Fahrschule im Vorjahr an einen Nachfolger verkauft hat.
Alle hätten ihm eine Patenschaft für die Obstwiese übertragen. Die Idee, die ihm beim Spazierengehen gekommen war, konnte angepackt werden. Am Herzen lag ihm dabei, die Früchte nicht am Boden vergammeln zu lassen, sondern zu Apfelsaft-Spenden für die Schwerter Tafel und den Kindergarten An der Ulme zu verarbeiten.

Blühende Kirschbäume belohnten Udo Edelmeier und seine Mitstreiter derzeit für die Arbeit auf ihrer Streuobstwiese. © Reinhard Schmitz
Bei der ersten Ernte im vergangenen Herbst wurden stolze 1,2 Tonnen Äpfel gepflückt und auf dem Biohof Beerenbruch in Unna-Stockum gepresst. Wie gut, dass sich ehrenamtliche Mitstreiter fanden: Peter Molczyk, Uwe Hollop, Hasko Weise, Graca Oliverio-Steinmetz und Stefan Müller, wie Udo Edelmeier dankbar aufzählt. Letzterer bringe sein Geschick als Vogelhausbauer ein. Denn die Ernte ist nur ein schöner Nebeneffekt des Plans, ein Naturparadies zu entwickeln, in dem sich Insekten, Kleintiere und Vögel wohl fühlen.

Mehrere Wildblumeninseln haben (v.l.) Uwe Hollop, Peter Molczyk und Udo Edelmeier auf der Streuobstwiese in Geisecke angelegt. © Reinhard Schmitz
Zweige und Aststücke vom Baumschnitt sind deshalb bewusst an den Rändern des Grundstücks abgelegt. Nicht als unordentliche Haufen, sondern um Pfähle geflochten als sogenannte Benjeshecke, in der sich Igel und andere Tiere verkriechen. An manchen Stellen wurde die Grasnarbe weggegraben, um Wildblumeninseln auszusäen, über denen schon erste Kohlweißlinge flattern.
Die Ehrenamtlichen haben eine „Lebensturm“ gebaut mit verschiedenen Etagen von der Bruchstein-Sammlung für Molche bis zum Landeplatz mit Vogel-Nistmaterial. Und hoch oben in den Kronen hängen Steinkauz-Röhren. Gleich im Doppelpack, auf Tipp von Ornithologen.

Mit dem „Lebensturm" wollen (v.l.) Uwe Hollop, Udo Edelmeier und Peter Molczyk verschiedenen Insekten und Kleintieren ein Zuhause geben. © Reinhard Schmitz
„Wenn die Kinder zu sehr nerven, zieht der Alte aus“, erzählt Udo Edelmeier, bevor er zu seiner neuesten Errungenschaft abbiegt: Als wollte Peter Lustig einziehen, steht plötzlich ein Bauwagen zwischen den Obstbäumen: „Den hat das Bauunternehmen Flesch gespendet.“
Davor entsteht aus alten Transportpaletten eine kleine Terrasse. Für den Besuch der Kindergartenkinder von der „Ulme“. Oder für eine Pause, wenn eine Spaziergängerin wirklich den versprochenen Kuchen oder ein Bierchen vorbeibringt.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
