Ihre Leidenschaft ist nicht ihr Hobby, ihre Berufung ist ihr Beruf: Seit 45 Jahren ist Elisabeth Stark-Reding (75) hauptberuflich Künstlerin. In all den Jahren gab es Höhen und Tiefen. Einige Schicksalsschläge waren so einschneidend, dass sie die Grenzen der Kunst aufgezeigt haben. Oder hat die Kunst vielmehr die eigenen Grenzen aufgezeigt?
Über 200 Ausstellungen
In über 200 Ausstellungen hat die Schwerterin ihre Kunst präsentiert: In Kleinstädten, in Großstädten, national und international hat sie ihre Werke verkauft – Siebdrucke, Airbrush, Holzschnitte, Malerei, Collagen, Installationen. Für jede dieser Ausstellungen hat sie neue Werke geschaffen: „Man muss sich immer wieder überwinden. Man kehrt sein Innerstes nach außen bei jeder neuen Ausstellung.“
Es gab aber auch Momente in ihrem Leben, in denen sie ihr Innerstes nicht nach außen kehren konnte. Nicht wollte. Das wiederum bedeutet auch, dass keine Bilder entstehen, die verkauft werden können: „Man hat immer Druck.“

Eine Schaffensblockade etwa hatte sie nach ihrem Aufenthalt in Afrika im Jahr 2000, der prägend für sie und ihre Kunst werden sollte. So weiß doch (fast) jeder in der Ruhrstadt, dass die rote Erde Afrikas ein wesentlicher Bestandteil ihrer Bilder ist. Sie symbolisiert die Verbundenheit mit den Künstlerinnen dort. „Diese Verbundenheit ist für mich immer da.“
Ihre Zeit dort hat einen Prozess in Gang gesetzt: „Nach Afrika konnte ich drei Monate nicht malen“, sagt sie. Die kolossale Armut, die sich ihr dort offenbart hatte, hatte sie zutiefst erschüttert. „Ich habe mich gefühlt wie eine Made im Speck. Wir haben hier alles.“
Kunst als Selbsttherapie
Auch konnte sie den Pinsel nicht anrühren, nachdem ihre älteste Tochter gestorben war. „Gerade, wenn man ein Kind beerdigen muss, will man sein Innerstes nicht nach außen kehren.“ Wenn die Seele wieder ein bisschen verheilt sei, so sagt sie, dann könne die Kunst wieder Selbsttherapie sein. Es brauche einen Anlass, wie damals eine Ausstellung der Stadt Dortmund, und dann ziehe man sich am eigenen Schopf wieder aus der Misere. Denn: „Es fehlt einem. Die Kunst erfüllt ihren Zweck. Das hilft. Wenn das Bild fertig ist, dann ist es okay.“

Anlass für die Schwerterin zu malen ist „Glück und Freiheit“: „Ich kann das malen, was mir einfällt. Zeitkritisch. Sozialkritisch.“ Die Abschlussarbeiten ihres Studiums in Dortmund von 1978, die sich kritisch mit dem Thema Krieg auseinandersetzen, haben nicht an Aktualität eingebüßt. „Seit 1991 hat es nicht einen Tag in der Welt gegeben, an dem es nicht irgendwo Krieg gab“, sagt Elisabeth Stark-Reding. Die Zeitungsausschnitte sind in ihrer Collage „No Comment“ [Kein Kommentar] verarbeitet, das in ihrem Atelier in Villigst hängt. „Ich mache das für mich. Aber ich möchte, dass sich Menschen damit auseinandersetzen“, sagt sie.

Vom Atelier zum Notarzt
Wann welche Ausstellung war, das kriegt Elisabeth Stark-Reding nicht mehr zusammen. Aber: Es gibt welche, die herausstechen in der Erinnerung. In ihrer ersten Ausstellung 1981 verkaufte sie in Dortmund im Torhaus im Rombergpark jedes der 35 dort von ihr ausgestellten Bilder. „Das verbreitete sich damals wie ein Lauffeuer. Da dachte ich, dass es jetzt immer so geht.“ Doch so ging es nicht immer. „In Wesel, nur ein paar Jahre später, verkaufte ich nicht ein Einziges.“ Gezweifelt hat die 75-Jährige dennoch nicht ein einziges Mal an ihrer Berufswahl.
Auch nicht, als sie eine Blutvergiftung zum Notarzt zwang: „Das war das Ende des Holzschnitts.“ Unbemerkt hatte sich ein Stück Holz auf den Weg in die Blutbahn gemacht. Sie zuckt mit den Schultern und lacht. Jetzt nutzt sie die frühen Holzschnitte für Collagen. Kettensäge, Hammer und Meißel werden aber auch noch heute für ihre Holzinstallationen eingesetzt.

Die nächsten Ziele
„Ihr legt den Pinsel erst hin, wenn ihr sterbt“, hatte ihr Bruder mal zu ihr gesagt. Und so ist es: „Ich mache so lange weiter, bis es nicht mehr geht. Ich brauche das. Ich brauche die Ausstellungen und die Anerkennung.“
In Schweden möchte die Schwerterin wieder ausstellen, auch in der unmittelbaren Umgebung. Es zieht sie in die Sahara, wo sie der ganz feine Sand fasziniert, nach Tunesien, auch nach Finnland möchte sie wieder. Nach 45 Jahren ist für Elisabeth Stark-Reding noch längst nicht Schluss.
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