Ein Stück Geschichte aus der Gelben Tonne
Ungewöhnlicher Modellbau
Ein gut zwei Meter langes Schiff aus Müll – diesen ungewöhnlichen Traum hat sich Werner Schau erfüllt. Vor gut 50 Jahren ist der heute 72-Jährige im Zuge seines Wehrdiensts mit einem amerikanischen Zerstörer-Schiff in See gestochen. Sein Modell hat Schau nach etwa zehn Jahren Arbeit nun endlich fertiggestellt. Erstaunlich: Die Bauteile stammen hierbei allesamt aus der Gelben Tonne.

So sieht Werner Schaus amerikanischer Zerstörer, Fletcher Klasse, nach zehn Jahren Arbeit aus.
Jahr für Jahr wandern dutzende Tonnen an Wertstoffen in die gelbe Abfalltonne. Werner Schau aus Schwerte hat bislang ganz genau hingesehen, bevor er Kleinteile in die Gelbe Tonne geworfen hat. Denn egal, ob alte Deoroller, Teesiebe oder verbrauchte Kugelschreiberminen – der 72-jährige Modellbaufreund hat sein geschultes Auge penibel auf mögliche Materialien für sein Schiffsmodell gerichtet.
Kurz nachdem Schau Ende 2006 in Ruhestand ging, hat er sich an die Arbeit für sein Modell gemacht. Sein Ziel war es, das amerikanische Schiff Zerstörer, Fletcher-Klasse, im Maßstab 1:50 so detailgetreu wie möglich nachzubauen. Doch woher kommt die Faszination für diesen schweren Tonner? „In den 1960er-Jahren war ich zwei Jahre lang bei der Marine. Die Zeit war hart, aber mir ist etwas davon geblieben. Ich bin durch sie geprägt worden“, sagt Schau und erinnert sich an seine Jugend zurück.
Von 1963 bis 1965 war Schau als Funker und Radarbeobachter an Bord des Zerstörers. „Es war ein seltenes Privileg, zu der Zeit ein Kommando auf einem der ersten Großschiffe der neu aufgestellten Deutschen Marine zu bekommen“, sagt Schau. Auch deswegen sei es ein großer Wunsch von ihm gewesen, die Flotte nachzubauen.
Nur Fotos als Vorlage
Gesagt, getan – doch so einfach gestaltete sich der Nachbau des Modells dann doch nicht. Schau hatte zunächst nämlich keine Ahnung vom Modellbau. Baupläne oder Skizzen? Fehlanzeige. Der Rentner hatte lediglich Fotos vergangener Tage zur Verfügung. Hiervon ließ er sich bei einem Fotoentwickler vergrößerte Abzüge anfertigen, um möglichst keine Details auszulassen. Noch heute liegen im Keller der Familie Schau die vergrößerten Abzüge aus. Hält man diese an das nachgebaute Modell, dann ist kaum noch ein Unterschied erkennbar.
Bis vor „fünf oder sechs Jahren“ (O-Ton Schau) hat der Modellbauer so gearbeitet. Dann hat er sich einen Computer angeschafft und seine Modellbauwelt ist völlig auf den Kopf gestellt worden. „Im Internet lernte ich schnell, was richtiger Modellbau ist. Das hätte mich fast zum Aufgeben bewegt“, sagt er.
Computer sorgt für Chaos
Online knüpfte er jedoch auch erste Kontakte zu anderen Modellbauern. Schnell wurde Schau auf ein Modellbauforum aufmerksam, bei dem er sich registrierte. Seine exotische Bauweise, die Materialien aus der Gelben Tonne zu wählen, fand dort große Anerkennung.
Zwischendurch haderte Schau aber dennoch mit seinem Projekt. An manchen Stellen wusste er nicht mehr weiter. Das Forum habe seinen Traum aber am Leben gehalten. „Die Forumsmitglieder haben mich motiviert, weiterzumachen“, sagt er. Außerdem trat Schau vor drei Jahren dem Verein Schiffsmodellbaufreunde Schwerte bei. Auch hier fand er nützliche Tipps.
Im August auf "hoher See"
So tüftelte er weiter – bis zum Sommer des laufenden Jahres. Dann schloss er seinen Bau endlich ab. Im August ging es für den gut zwei Meter langen Zerstörer erstmalig auf „hohe See“. Im Zuge der Sommerausstellung der Schiffsmodellbaufreunde wurde der motorisierte Zerstörer ins Wasser gelassen.
Seinen Wunsch kann Schau damit als erfüllt ansehen. Ein neues Projekt hat der 72-Jährige noch nicht so recht geplant. „Vielleicht fange ich im nächsten Jahr etwas Neues an. Ich könnte mir vorstellen, ein ziviles Schiff zu bauen“, sagt er.
Die Fletcher-Klasse gehört zur Klasse der Zerstörer-Schiffe der United States Navy, die im Pazifik im Kampf gegen Japan eingesetzt wurden. Im Jahre 1958 übergaben die USA das Schiff an die Neue Deutsche Marine. Die Deutschen nutzten dieses bis 1980 als Ausbildungsschiff. Werner Schau war von 1963 bis 1965 an Bord. Danach hat die Griechische Marine das Schiff übernommen.