
© Reinhard Schmitz
Eigentumswohnungen statt Internat - das führt zu Zoff im Dorf
Debatte über Investor
Ein Investor will im Gymnasium Garenfeld 25 Wohnungen einrichten. Im Dorf wird dagegen Stimmung gemacht. Dabei blitzt sogar offener Rassismus durch. Die Stadt Hagen bremst die Umbaupläne.
Nach dem Abitur 2017 war Schluss: Das private Gymnasium in Hagen-Garenfeld musste aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Bereits sieben Jahre zuvor hatte man sich vom Internatsbetrieb getrennt. Jetzt will ein Investor das ehemalige Internat zu Eigentumswohnungen umbauen. Das führt zu großem Aufruhr im Dorf. Die hitzige Debatte ist nicht gerade frei von Rassismus.
Nur jede Menge Bohrlöcher sind geblieben in dem Naturstein-verkleideten Pfeiler des Eingangstors. Auf einem hellen Fleck markieren sie die Stelle, wo die altehrwürdige Metalltafel mit den erhabenen Buchstaben „Gymnasium Garenfeld“ angeschraubt war. Ihr Verschwinden wirkt wie ein Symbol: Die seit vier Jahren leerstehenden Schul- und Internatsgebäude haben den Besitzer gewechselt. Aber damit scheinen nicht alle im Dorf glücklich zu sein. Sie beschäftigt offenbar die Frage, welche Nachbarn sie wohl in dem Objekt bekommen werden. Und dabei wird - wenn man Berichten der örtlichen „Westfalenpost“ glauben darf - die Gerüchteküche mit dem Wort „Roma“ angeheizt.
Der Kaufpreis lag „knapp unter einer Million Euro“
„Der Käufer ist eine Person aus der Schweiz, die uns empfohlen worden ist“, ist von Lars-Nicklas Sondermann lediglich zu erfahren. Er ist Vorstand der Dr. Hermann und Katharina Hille Stiftung, die sich von der traditionsreichen Unterrichtsstätte trennen wollte, die aus wirtschaftlichen Gründen 2017 geschlossen worden war. „Knapp unter einer Million Euro“ habe der Mann für das 14.000 Quadratmeter große Grundstück mit den Schul- und Internatsgebäuden - außer der Direktorenvilla, die schon vorher verkauft worden war - bezahlt. Der Besitzübergang sei Ende Mai erfolgt. Der Investor wolle in den bestehenden Gebäuden Eigentumswohnungen entwickeln. Die Rede ist - so eine Auskunft der Stadt Hagen - von 25 Wohneinheiten.
Für Umbau in Wohnungen ist ein Bauantrag erforderlich
„Der Käufer sieht ausreichend Potenzial für Wohnungsbau und geht in den Risiko-Kauf“, erklärt Lars-Nicklas Sondermann weiter. Weil die Nutzung geändert werde, sei ein Bauantrag für das Vorhaben erforderlich. Das schwierige Baurecht an dieser Stelle sei auch ein Grund dafür, warum man so lange nach einem Investor für das „eigentlich schöne und schön gelegene Objekt“ suchen musste. Wohnungsbau sei dort nur eingeschränkt möglich: „Der größte Teil des Grundstücks kann nicht genutzt werden.“

Direkt an Felder und Wiesen grenzt der Gebäudekomplex des früheren Gymnasiums Garenfeld. Einen Teil der Grünfläche möchte die Stadt mit Wohnhäusern bebauen lassen. © Reinhard Schmitz
„Im rechtswirksamen Flächennutzungsplan der Stadt Hagen ist die Fläche als Gemeinbedarfsfläche mit den Zweckbestimmungen Schule und sportlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen sowie zum Teil als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt“, erklärt Stadt-Pressesprecherin Clara Treude: „Um eine Wohnbebauung zu ermöglichen, die sich in die dörfliche Umgebung von Garenfeld einpasst, müsste eine Teiländerung des Flächennutzungsplans vorgenommen und ein entsprechender Bebauungsplan beschlossen werden.“
Die Stadt Hagen möchte die Schulgebäude am liebsten abreißen
Den ersten Schritt dazu hat die zuständige Bezirksvertretung Hagen Nord am Mittwoch (9.6.) getan. Die Politiker beschlossen die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens „Wohnbebauung Dorfstraße Garenfeld“, in dem die Altgebäude offenbar verschwinden sollen. Denn es heißt: „Das ehemalige Schulgebäude soll durch eine aufgelockerte und an die dörflichen Strukturen angepasste Wohnbebauung ersetzt werden.“ Darüber hinaus ist vorgesehen, „zur Abrundung des Baugebiets“ auch einen Teil der südlich gelegenen Grünfläche als Wohnbaufläche auszuweisen. Eine offene und lockere Bebauung soll auf die dörflichen Strukturen Rücksicht nehmen. Wegen der Lage im Übergang zum Grün- und Freiraum biete sich der Bau von Doppelhäusern und freistehenden Einfamilienhäusern an.

Als Internatsschüler zu Beginn des 20. Jahrhunderts diese Postkarte nach Hause schrieben, war das Gymnasium Garenfeld noch eine aufstrebende Schule. In den 1950er- und 1970er-Jahren wurde sie noch um weitere Gebäude erweitert, aber 2017 kam das Ende. © Reinhard Schmitz (Repro)
Das Bebauungsplanverfahren bot der Bezirksvertretung die Möglichkeit, die Umbaupläne des Gymnasium-Käufers vorerst zu bremsen. Die Erteilung des Bauvorbescheides, den der Investor mit vollständigen Unterlagen beantragt hatte, soll erst einmal ausgesetzt werden. Dies sei für bis zu zwölf Monate möglich, „wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würden“, heißt es in der beschlossenen Verwaltungsvorlage: „Durch die beantragte Nutzungsänderung des Schulgebäudes zu einem Mehrfamilienhaus ist zu erwarten, dass die von Seiten der Stadt aktuell betriebene Planung wesentlich erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht wird.“
Stiftung muss mit dem Verkaufserlös vor allem Schulden tilgen
Eigenes Interesse an dem Schulgelände hatte die Stadt Hagen schon gehabt, als das Gymnasium Garenfeld vor vier Jahren geschlossen worden war. Aber der zum Stadtkonzern gehörenden Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG) erschien der damals aufgerufene Preis zu hoch, als dass sich eine Erschließung und Vermarktung des Geländes für sie rechnen würde. Nachdem die Stadt jetzt von dem Verkauf erfahren hatte, versuchte sie über die HEG mit einem neuen Gebot doch noch zum Zuge zu kommen, was jedoch scheiterte. „Die Stadt Hagen hatte hier zu keinem Zeitpunkt ein Vorkaufsrecht, das sie hätte geltend machen können“, betont Clara Treude. Man habe keinerlei Handlungsoption gehabt, um den Verkauf zu verhindern.
Die Dr. Hermann und Katharina Hille Stiftung wird durch den Verkauf ihrer Schule nicht reich. „Wir werden im Wesentlichen Schulden aus der Vergangenheit tilgen“, sagt Lars-Nicklas Sondermann. Ein Großteil davon seien Rückforderungsansprüche des Landes NRW. Außerdem müssten viele Ordner eingelagert und entsorgt werden. Der kleine Rest des Geldes sei grundsätzlich für die Förderung von Schulen gedacht. Gern hätte man so Stipendien in Hagen vergeben, um die Namen der Stifter weiterzutragen - doch dazu reiche die Summe nicht aus. Sie wird deshalb wohl als Spende an die SOS-Kinderdörfer gegeben.
- Das Gymnasium Garenfeld reicht zurück auf ein Landschulheim, das der Pfarrer Friederich Höfinghoff im Jahre 1907 auf seinem Bauernhof gegründet hatte. Es fußte auf den Ideen des Reformpädagogen Hermann Lietz (1868-1919), der eine natürliche, gesunde Umgebung als Voraussetzung für die Entwicklung zu einem guten Menschen ansah.
- Das damals neue Schulgebäude wurde 1913 bezogen. Dabei wurde das Landschulheim gleichzeitig zu einer staatlich anerkannten Privatschule.
- Als der Gründer Höfinghoff im Jahre 1928 starb, übernahm sein Schwiegersohn Dr. Hermann Hille die Leitung der Schule und baute sie weiter aus. 1941 erhielt sie die staatliche Anerkennung als Gymnasium.
- Noch Mitte der 1970er-Jahre besuchten im Schnitt mehr als 200 Schüler das Gymnasium Garenfeld, viele wohnten im angeschlossenen Internat.
- 1985 starb Dr. Hille, 2012 auch seine Ehefrau. Sie hatte ihr Vermächtnis der Dr. Hermann-und-Katharina-Hille-Stiftung übertragen, die 2012 zum Schulträger wurde.
- Doch schon wenige Jahre später geriet das Gymnasium in finanzielle Turbulenzen. Die Schülerzahlen halbierten sich fast. Zu dieser Entwicklung beigetragen hatte auch die Aufgabe des Internatsbetriebs im Jahre 2010. Nach dem Abitur 2017 wurde auch der Schulbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
