„Der Wald braucht uns nicht“ Der Letzte seines Standes: Stadtförster Christoph Jendrusch geht

Der Letzte seines Standes: Stadtförster Christoph Jendrusch (65) geht
Lesezeit

Die vermeintliche „Unglückszahl“ überspringen Hotels oder Krankenhäuser gern bei der Nummerierung ihrer Zimmer. Auch einen Stadtförster Nummer 13 wird man in Schwerte vergeblich suchen. Mit Christoph Jendrusch, dem 12. seines Standes seit 1808, endet zum Jahreswechsel eine Ära.

„Einen angestellten Förster wird es nicht mehr geben“, sagt der 65-Jährige. Künftig sei für die sogenannte „Beförsterung“ der städtischen Waldungen ein Kollege vom Landesbetrieb Wald & Holz NRW zuständig, der sich bislang nur um die Privatwälder in Ergste und auf dem Bürenbruch gekümmert habe. Die Bestellung von Pflanzmaterial und den Holzverkauf übernehme die gemeinsame Forstbetriebsgemeinschaft Schwerte-Dortmund, weil große Mengen bessere Preise erzielen.

Stadt besitzt 250 Hektar Wald

Die Stadt ist ein großer Waldbesitzer. Ihr gehören nicht nur die 175 Hektar im Schwerter Wald, sondern noch weitere 75 Hektar auf dem Ebberg in Westhofen und in Zimmermanns Wäldchen in Holzen. Zum Auffüllen der Stadtkasse werden die Flächen schon lange nicht mehr genutzt. Für den „Wirtschaftsgenutzten Erholungswald“ hat Christoph Jendrusch in seiner 32-jährigen Tätigkeit ein Ökologisches Waldentwicklungskonzept entwickelt. „Wir schlagen wenig Holz“, sagt er: „Nur das Notwendigste für Verkehrssicherheitsmaßnahmen.“

Mit Christoph Jendrusch (65) geht zum Jahreswechsel der 12. und letzte Stadtförster in den Ruhestand. Einen Nachfolger wird es nicht geben.
Mit Christoph Jendrusch (65) geht zum Jahreswechsel der 12. und letzte Stadtförster in den Ruhestand. © Reinhard Schmitz

Verändert hat den Wald auch der Borkenkäfer. Vor Weihnachtsbaumdieben vergangener Zeiten brauchen keine Tannen mehr geschützt zu werden. Denn: „Junge Fichten gibt es überhaupt nicht mehr“, weiß der Förster. Die letzten 0,7 Hektar am Ebberg seien mittlerweile auch vernichtet. Die trockenen Stämme bleiben aber stehen, um die zu ihren Füßen sprießenden jungen Pflanzen zu schützen, die die natürliche Verjüngung einleiten.

Diese Fähigkeit des Waldes, sich selbst zu reparieren, hat Christoph Jendrusch nach den drei Mega-Stürmen seiner Dienstzeit – Kyrill, Wiebke und Carina – erlebt: „Nach ein paar Jahren hat man nichts mehr vom Schaden gesehen.“ Dabei hätten allein nach dem Orkan Kyrill 2000 Festmeter Holz auf dem Boden gelegen – so viel wie der jährliche Holzeinschlag.

Grillplatz heute undenkbar

Als sogenanntes Wildnisentwicklungsgebiet sind mittlerweile 16 Hektar der städtischen Flächen sich selbst überlassen worden. „Ich bin zu der Erkenntnis gekommen: Der Wald braucht uns nicht“, erklärt der 65-Jährige: „Man kann nur die Lichtverhältnisse regulieren. Das ist das Einzige, was ein Förster für den Wald tun kann.“

Seinen treuen Diensthund Arno, den er selbst gezüchtet hatte, musste Stadtförster Christoph Jendrusch vor zwei Jahren einschläfern lassen.
Seinen treuen Diensthund Arno, den er selbst gezüchtet hatte, musste Stadtförster Christoph Jendrusch vor zwei Jahren einschläfern lassen. © Reinhard Schmitz (A)

Die Sicht auf den Wald hat sich verändert. Nur den Kopf schütteln kann man so heute über den Grillplatz mitten im Wald unterhalb der Einmündung Alter Dortmunder Weg/Waldstraße, dessen Abschaffung Christoph Jendrusch ganz zu Beginn seiner Dienstzeit noch erlebte. „Das war nicht korrekt. Das war Schwachsinn hoch drei“, sagt der Waldexperte, der ursprünglich aus Laurahütte in der Nähe der oberschlesischen Stadt Kattowitz stammt.

Nach einer fünfjährigen Ausbildung am Forsttechnikum in Polen sowie Prüfungen als Facharbeiter und Forstwirtschaftstechniker kam er am Nikolaustag 1987 nach Schwerte, wo er später die Nachfolge von Stadtförster Herbert Kutschker antrat.

Führungen beim Ferienspaß

Der Wald war zwar der wohl schönste, aber nur ein Teil seiner Aufgaben. In seinem Büro im städtischen Baubetriebshof kümmerte sich Christoph Jendrusch auch um die Grünflächen und das Baumkataster. „Ich kann sagen: Ich kenne jeden Baum in Schwerter persönlich“, erklärt er mit einem Lächeln.

Mit großer Freude gab er sein Wissen immer wieder an Schüler- und Kindergruppen weiter, die er beispielsweise beim Ferienspaß durch den Schwerter Wald führte: „Ich habe mich selber dafür angeboten.“ So spannend wie er konnte kaum ein Zweiter von den Geheimnissen der Natur erzählen.

„Da hinten laufen zwei Rehe." Auch den Wildbestand des Schwerter Waldes und dessen Aufenthaltsorte kennt Christoph Jendrusch aus dem Effeff.
„Da hinten laufen zwei Rehe.“ Auch den Wildbestand des Schwerter Waldes und dessen Aufenthaltsorte kennt Christoph Jendrusch aus dem Effeff. © Reinhard Schmitz

Einer der Lieblinge der jungen Gäste war dabei immer sein treuer Begleiter Arno, der einzige Diensthund der Stadt. Doch der Kleine Münsterländer kann jetzt nicht mit in Rente gehen. Wegen eines Krebsleidens musste er schon vor zwei Jahren eingeschläfert werden. „Er hat mir 17 Jahre gedient“, sagt Christoph Jendrusch traurig.

Ein neuer Hund ist sein Wunsch für den Ruhestand. Er hat das Thema schon mit seiner Familie besprochen. Wahrscheinlich werde es ein Rauhaardackel: „Ich werde ihn selber ausbilden.“ Ein langwieriges Projekt. Denn es dauere zwei bis drei Jahre, bis alle Prüfungen zum Jagdhund absolviert sind.

Jagdaufsicht behalten

Der Vierbeiner bekommt seine Aufgaben. Denn die Jagdaufsicht im Schwerter Wald will der Förster a.D. weiterhin übernehmen. Schon 1978 hat er seinen Jagdschein in Polen erworben: „Das gehört zur Grundausbildung als Förster.“ Tiere geschossen hat er in der Ruhrstadt aber nicht. Eine Bejagung scheide im Schwerter Wald schon deswegen aus, weil so viele Tiere bei Wildunfällen ums Leben kommen. Aufgabe ist es vor allem, tote Tiere einzusammeln oder verletzte von ihren Qualen zu erlösen.

Ein besonderes Erlebnis waren für die Ferienspaß-Kinder immer die Waldführungen mit Stadtförster Christoph Jendrusch.
Ein besonderes Erlebnis waren für die Ferienspaß-Kinder immer die Waldführungen mit Stadtförster Christoph Jendrusch. © Reinhard Schmitz (A)

Ehrenamtlich will Christoph Jendrusch künftig auch weiterhin „ab und zu“ Kindergruppen durch den Wald führen. Sein Nachfolger habe auch Interesse an dieser Aufgabe gezeigt. Er habe schon mit ihm darüber gesprochen.

Er bleibt dem Wald erhalten

„Ich bleibe dem Schwerter Wald erhalten“, verspricht der Stadtförster a.D. Er wohnt ganz in der Nähe. Seine Bäume, die ihm in 32 Jahren buchstäblich ans Herz gewachsen sind, mag er im Ruhestand nicht missen. Und worauf freut er sich sonst in der neu gewonnenen Zeit? „Auf die Enkelkinder, ein bisschen reisen und die freie Zeit genießen.“ Dazu sollen auch ausgiebige Fahrradtouren gehören.

Hochwasser überschwemmt Kleingartenanlage Amsel: Drohnen-Video zeigt spektakuläre Aufnahmen

Wolfgang Kampmann beobachtet Veränderungen am Golfplatz Syburg: Nabu ordnet ein - Golfclub reagiert

Startschuss für den Klimagarten Wandhofen fällt 2024: Vorarbeiten vor Baubeginn