Dacharbeiten

Sensationsfund in St. Viktor: Der letzte Rest vom großen Stadtbrand 1669

Es war knapp. In letzter Minute konnte die Viktorkirche beim großen Stadtbrand 1669 gerettet werden. Ein Zeugnis des dramatischen Geschehens ist jetzt bei der Dacherneuerung aufgetaucht.

Schwerte

, 03.06.2022 / Lesedauer: 3 min

Über rauchende Trümmer hinweg schweifte der Blick vom Marktplatz ungehindert bis zu allen Stadttoren. Ein apokalyptisches Szenario schildert der Chronist nach dem verheerenden Stadtbrand vom 19. Februar 1669. Binnen weniger Stunden hatte das Flammenmeer mehr als 100 Häuser verschlungen.

Hellauf loderte das Feuer auch aus der Viktorkirche, die ihren Dachstuhl komplett verlor. So glaubte man jedenfalls bis zu der Entdeckung vom 25. Mai (Mittwoch), als bei den derzeit laufenden Sanierungsarbeiten Balken entdeckt wurden, die das Inferno überstanden haben. Sie belegen: Das kleine Pultdach nördlich des Turms – zum Alten Rathaus hin – ist damals unzerstört geblieben.

Denkmalpfleger jubeln über „sensationelles Ergebnis“

„Das ist aus unserer Sicht ein sensationelles Ergebnis“, sagt Dr. Bettina Heine-Hippler vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege in Münster. Die Freude steht auch ihrem Kollegen, dem Bauforscher Peter Barthold, ins Gesicht geschrieben, als er hoch über dem Marktplatz von den sicheren Bohlen des Baugerüsts über die Hügel des steinernen Deckengewölbes der Kirche klettert.

Im Lichtkegel seines Akkustrahlers wird ein faustgroßes schwarzes Loch erkennbar, das ein Glutnest in einen Querbalken gefressen hat. Die Holzkonstruktion darüber weist zudem unübersehbare schwarze Rauchspuren auf.

In dem kleinen Nebendach des Turms – rechts von der Linde – haben die Denkmalpfleger den sensationellen Fund gemacht. © Reinhard Schmitz

Es fehlte wohl nicht viel, und auch dieser letzte Teil des Kirchendachs wäre ein Raub der Flammen geworden. Der Legende nach ist die Rettung des darunterliegenden Kirchenraums mit seinen Kunstschätzen einer Löschkolonne aus Hörde zu verdanken.

Die Männer hatten die Qualmwolken über Schwerte gesehen und sich sofort auf den Fußmarsch in die Nachbarstadt gemacht, wo eine Eimerkette vom Feuerteich an der Teichstraße bis zu St. Viktor gebildet wurde. Aber auch die steinernen Deckengewölbe halfen, das Feuer aufzuhalten.

In schwindelerregender Höhe sind die Dachdecker aus Thüringen über dem Langhaus der Viktorkirche bei der Arbeit. © Reinhard Schmitz

St. Viktor brauchte schnellstmöglich ein neues Dach

Ungeschützt der Witterung ausgesetzt, musste St. Viktor so schnell wie möglich ein neues Dach erhalten. Noch im Jahr des Stadtbrands wurden die Bäume für den Wiederaufbau des Dachstuhls gefällt, wie Peter Barthold herausfand. Er ließ eine Baumscheibe untersuchen, die er aus einer vom Zahn der Zeit zerstörten Schwelle herausgesägt hatte.

Anhand des Vergleichs der Jahresringe mit gespeicherten Daten konnten Wissenschaftler feststellen, dass der Stamm schon 1669 gefällt wurde. Meist geschah dies damals im Herbst, wenn der Pflanzensaft schon in die Wurzeln zurückgezogen war. Im Frühjahr konnte das Holz dann verzimmert werden.

Bevor das Dach der Viktorkirche eine neue Eindeckung aus Schiefer erhält, muss der Dachstuhl an vielen Stellen ausgebessert werden. © Reinhard Schmitz

„Dafür ist ein ganzer Wald geopfert worden“, beschreibt Peter Barthold den Umfang des Neubaus von 1670, bei dem das gesamte heutige Kirchendach entstanden sei. Bis eben auf die jetzt entdeckten Balken mit den Brandschäden, die auf keinen Fall durch die derzeitigen Reparaturarbeiten zerstört werden dürfen.

„Bei so einem Befund muss man sofort mit dem Architekten reden“, betont Dr. Bettina Heine-Hippler. Es wurden Möglichkeiten gefunden, den betroffenen Bereich auf andere Weise zu stabilisieren. Ein Einbau lenkt die einwirkenden Kräfte ab, um das Originalteil zu erhalten. Vor allem deshalb, weil spätere Generationen es vielleicht noch tiefer erforschen könnten, wenn sie über weiter verfeinerte Untersuchungsmethoden verfügen: „Wir hoffen, dass unsere Nachfolger noch weitere Fragen an das Material stellen können.“

An der Brandstelle könnte ein Podest für Besucher entstehen

Möglicherweise könnten schon vorher sogar interessierte Schwerter die letzten Spuren des großen Stadtbrandes hautnah vor Augen erleben.

Der Fundort mit den Balken liegt nahe der Treppe, die im Kirchturm zum Dach heraufführt. „Man könnte ein kleines Podest bauen“, schlug Dr. Bettina Heine-Hippler vor: „Um die Stelle bei Führungen zu zeigen.“

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