Eine Woche ist es nun her, dass rund 5000 Menschen in Schwerte ein Zeichen für Weltoffenheit und gegen rechtsradikale Abschiebephantasien gesetzt haben. Im Interview blicken wir mit Nele Blase vom Bündnis gegen Rechts zurück – auf emotionale Eindrücke während und nach der Kundgebung. Und auch über kritische Momente haben wir mit ihr gesprochen.
Sie machen das seit Jahren, haben die ein oder andere Demo in Schwerte schon organisiert und miterlebt. Die vom Samstag war in der Größenordnung auch neu für Sie. Mit welchem Gefühl sind Sie an dem Tag nach Hause gegangen?
Viele haben mich nach der Demo gefragt, ob ich nicht super platt wäre (lacht), aber was den Aufwand angeht, war der eigentlich derselbe. Wir hatten für Veranstaltungen, zu denen dann nur 100 Leute gekommen sind, schon mehr Aufwand als für die Demo am Samstag. Da war einfach unheimlich viel Bereitschaft.
Ganz viele Leute haben im Vorfeld geschrieben, weil sie eine Rede halten oder Musik machen wollten. Es kam sehr viel proaktiv von außen. Deswegen war es für uns alle auch nicht so kräftezehrend, die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Die Technik war sofort organisiert – Musik, Bühne, zack, zack, zack. Der Kontakt mit der Polizei war super angenehm, mit dem Ordnungsamt auch. Es lief wie geschmiert. Als ich dann sah, wie voll der Postplatz wurde…
Haben Sie vorher damit gerechnet? Etwa mit Blick auf die Demo eine Woche zuvor in Dortmund?
Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Bevor die anderen Großdemos stattgefunden haben, war unsere Aktion ja schon in der Planung – ausgelöst davon, dass die AfD am Holocaust-Gedenktag in Schwerte vor Ort sein sollte. Dann kam on top die Correctiv-Recherche und wir haben gesagt, wir machen es ein bisschen größer. Ganz am Anfang habe ich 150 Leute angemeldet. Als dann die ganzen Großdemonstrationen waren, sind wir vorsichtig auf 300 bis 500 Leute hochgegangen.
Um halb 10 am Postplatz waren schon die ersten Leute da, die ersten Gespräche gingen los. Und der Postplatz wurde voller und voller. Und als wir um 11 Uhr mit den Kolleginnen und dem Bürgermeister auf der Bühne standen, wurde die Straße gesperrt. Wir haben uns umgeschaut und waren irgendwie fassungslos und gerührt. Das war für alle ein tolles Gefühl. Nach der Demo sind wir sehr ermutigt und glücklich aus dem Tag gegangen.

Sie waren auf der Bühne emotional angefasst in dem Moment, das hat man gemerkt. Angesichts der Menge, die da vor Ihnen stand, oder auch wegen der Thematik, wegen der alle da waren?
Es kam einfach viel zusammen. Auf der einen Seite der wichtige Gedenktag, den wir im Bündnis zwar bisher nicht groß begangen haben, aber der für uns immer ein Thema ist. Und dann natürlich die gesellschaftliche Lage, die teilweise sehr an die Geschichte der Weimarer Republik erinnert in manchen Momenten, und die auch zeigt, dass rechte Strömungen stärker werden. Gerade an solchen Tagen macht es einen dann sowieso schon emotional, weil man denkt, oje, was können wir tun?
In Schwerte gibt es einen festen Kreis, der sich immer einsetzt, mal kommen jüngere Menschen dazu, mal ältere. Das ist ein Kommen und Gehen. Aber man hat nicht unbedingt das Gefühl, dass man in so einer großen Masse unterwegs ist. Das war eigentlich das, was mich sehr emotional gemacht hat, aber auch viele andere aus unserem Bündnis. Wir haben an dem Tag gemerkt, dass Tausende Leute genauso denken und sich die Zeit genommen haben, um da zu sein.
Für ein Paar aus Lichtendorf war es die erste Demo, eine Frau sagte im Gespräch mit der Redaktion, dass sie einfach mal von der Couch aufgestanden sei…
Ja, genau. Viele Menschen haben gesagt, dass sie sich gefreut haben, ihre Nachbarinnen und Arbeitskollegen zu sehen. Sie haben gemerkt, hey, wir denken in dieser Sache gleich und wir können uns darüber austauschen und uns vernetzen. Auch die Musiker waren ganz ergriffen davon, was am Ende für eine Energie zu spüren war. Schülerinnen und Schüler haben sich untereinander gesehen.
Ich glaube, das war ein XXL-Netzwerk-Treffen mit einem bunten Programm, Musik und kurzen und knackigen Wortbeiträgen. Das motiviert uns, weiterzumachen.
Wird es eine weitere Demo geben?
Es gibt auf jeden Fall Leute, die gesagt haben, wir wünschen uns eine zweite Demo. Aber das ist erst mal nicht geplant. Wir haben unsere festen Aktionen, da halten wir auch dran fest. Aber ob wir das in dem Format wiederholen, wird man sehen.

Sind Sie für ein AfD-Verbot oder sehen Sie das zwiegespalten wie einzelne Ratsmitglieder, die wir zuletzt nach ihrer Meinung gefragt haben.
Ich würde mir wünschen, dass es geprüft wird, wenn es so viele Verdachtspunkte gibt. Und ich denke, den Menschen, die es prüfen, können wir vertrauen, sie werden richtig entscheiden. Wie sich ein Verbot auswirken würde, das wurde ja auch bei der NPD schon rauf und runter diskutiert. Es gibt immer Argumente dafür und dagegen. Bei der NPD war das Argument, die sind zu klein. Bei der AfD ist das Argument, sie sind zu groß. Das ist beides ein Problem. Aber es gibt Möglichkeiten, antidemokratische Strömungen zu unterbinden.
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass diese sehr polarisierende Debatte rund um das AfD-Verbot auch dazu führt, dass sich viele Menschen damit beschäftigen und sich fragen: Okay, was können wir machen? Wir können demonstrieren, wir können uns vernetzen, wir können Bildungsarbeit machen. Und vielleicht ist die Debatte auch noch mal eine Motivation, zur Wahl zu gehen und zu merken, dass wir als Wählerinnen und Wähler etwas in der Hand haben – und dass die 20 Prozent keine 20 sein müssen, sondern vielleicht nur 10.
Wir haben Sie in einem Kommentar wegen eines Zitats in Ihrer Rede kritisiert, die Sie am Demo-Samstag gehalten haben. Können Sie verstehen, warum wir dieses Zitat so auf die Goldwaage gelegt haben?
Ich möchte mich da eigentlich gar nicht zu äußern, weil das so ein Nebenschauplatz ist und eigentlich von der Demo ablenkt. Wir sind da alle mit einem sehr positiven Gefühl rausgegangen, auch ich. Und ich denke, das soll im Vordergrund stehen und nicht dieses Zitat oder der Kommentar.
Dann ist die Frage, ob Sie das im Nachhinein anders formulieren würden, wahrscheinlich hinfällig.
Würde ich genauso formulieren (lacht).
Ein lokaler Politiker hat gegenüber unserer Redaktion um die komplette Rücknahme der Veröffentlichung dieses Kommentars gebeten, um „Schaden von der Person Nele Blase abzuwenden“. Dieser Beschützerinstinkt ist sicher ehrenhaft gemeint, aber haben Sie das Gefühl, dass man Sie an dieser Stelle überhaupt schützen muss?
Ich kann das schon allein, aber das Bündnis sind viele. Ich gebe als Sprecherin auch eigentlich nie nur meine Privatmeinung wieder, sondern trete in dieser Rolle als Sprecherin auf. Ich denke, wer mich meint, meint das Bündnis, und deswegen finde ich es in Ordnung, dass Menschen sich dazu äußern.
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