Vor knapp zehn Jahren hatten Dr. Christian Schmidt und Anja Schröder das kleinste Hotel der Stadt in ihrem Altstadthaus an der Ecke Brückstraße/Mühlenstraße eröffnet. © Reinhard Schmitz
Hotels in Schwerte
Fast immer ausgebucht: Trotzdem schließt das kleinste Hotel der Stadt
Die Belegungszahlen waren traumhaft. Trotzdem gibt es das kleinste Hotel der Stadt nicht mehr. Die Betreiber haben andere Pläne mit dem B&B No.1. Das hat zunächst auch mit der Ukraine zu tun.
Schweizer kamen, um selbstgebaute Kartons auf der Modellbahnmesse in Dortmund zu verkaufen. Tschechen, um 1.100 Pflänzchen aus der Schwerter Orchideenzucht zum Weitervertrieb einzupacken.
Und Norweger, weil die Autoreparatur in Schwerte so spottbillig war. Nur ein Drittel der Werkstattkosten wie in der Heimat, da konnte man locker Fährticket, Benzin und die Übernachtung im B&B No.1 drauflegen.
Vor 200 Jahren lagerte unter dem Dach des Fachwerkhauses das Heu
Die kuriosesten Buchungswünsche haben Dr. Christian Schmidt und Anja Schröder erlebt, seit sie im Oktober 2012 das kleinste Hotel der Stadt in der Mühlenstraße eröffneten.
Die Hausnummer 1 war Programm in dem Fachwerkhaus aus dem Baujahr 1790/95, das sie 1994 gekauft und anderthalb Jahre lang renoviert hatten. Eigentlich trägt es – und das ist wohl ebenfalls einmalig in der Stadt – sogar drei Hausnummern: Brückstraße 28 sowie Mühlenstraße 1 und 1a. Je nachdem, durch welche Tür man es betritt.
Anja Schröder und Dr. Christian Schmidt haben aus dem kleinsten Hotel der Stadt eine Ferienwohnung gemacht. © Reinhard Schmitz
Kaum zu glauben: Vier Wohnungen mit insgesamt 400 Quadratmetern Fläche verbergen sich in dem Altstadthäuschen, hinter dessen Rückseite sich hinter dem Garten der Mühlenstrang vorbeischlängelt. Eine davon bauten die Besitzer zum Mini-Hotel um, als 2012 der Ruhrtalradweg zu boomen begann.
Zwei Doppelzimmer entstanden im Obergeschoss, wo vor 200 Jahren die Bauern das Heu für ihre Kühe gelagert hatten. Vom Fenster fällt der Blick bis zum Treppengiebel des Calvinhauses und zum schiefen Turm von St. Viktor – Kleinstadt-Idylle pur.
Das Frühstück nahmen Gäste und Betreiber gemeinsam ein
„Wir waren blauäugig und branchenfremd“, sagt Anja Schröder rückblickend. Von Buchungen förmlich überrollt, musste sie schon in den ersten Wochen nach dem Start losfahren und Bettwäsche nachkaufen: „So schnell konnte man gar nicht waschen und mangeln.“ Nicht nur Radfahrer kamen, sondern auch viele Gäste von Firmen und von Feiern, die in der nahen Rohrmeisterei stattfanden.
Alle genossen die einmalige familiäre Atmosphäre im Mini-Hotel, wo morgens alle gemeinsam mit den Betreibern am Frühstückstisch saßen. „Wir hatten viele schöne Gespräche“, sagt Dr. Christian Schmidt. Bis Corona dazu zwang, die Morgenmahlzeit getrennt einzunehmen.
Fast zehn Jahre lang war das „Bed&Breakfast No.1" das kleinste Hotel der Stadt. © Reinhard Schmitz
Die Belegungszahlen waren traumhaft. „Immer 80 bis 90 Prozent“, berichtet Anja Schröder. Eigentlich blieben die Betten nur frei, wenn die Betreiber selbst mal auf Urlaubsreise gingen. An die 5.000 Gäste aus 26 Ländern schliefen in dem Mini-Hotel. Dass darunter sogar Japaner waren, ist unvergessen, weil die ihren Zimmerschlüssel versehentlich mitnahmen und in einem Briefumschlag aus ihrer Heimat zurückschickten.
Bald sollen Flüchtlinge aus der Ukraine einziehen können
Aber was treibt Leute ausgerechnet nach Schwerte? „Der BVB spielt eine große Rolle“, weiß Dr. Christian Schmidt. Fans aus Thüringen oder Sachsen fahren nach Heimspielen nicht sofort wieder zurück. Dazu kommen Geschäftsleute, die 20 Prozent der Buchungen ausmachten.
Und natürlich die Radfahrer, mit 70 Prozent der Löwenanteil. Für sie hatten die Betreiber vor Jahren übrigens die ersten E-Bikes gekauft: Damit sie die Motor-Unterstützung heimlich in der Fremde ausprobieren konnten, ohne sich vor den Nachbarn schämen zu müssen.
Aus dem Fenster der Unterkunft haben die Gäste einen Blick auf die Altstadt und den schiefen Turm der Viktorkirche. © Reinhard Schmitz
Damit ist es längst vorbei. Und auch mit dem Mini-Hotel, das jetzt zur Ferienwohnung umgebaut wird. „Man war damit total gebunden“, begründet Anja Schröder. Jeden Tag spülen, Wäsche waschen – und das Frühstück möchte sie auch mal wieder allein mit ihrem Mann genießen.
So wie es ursprünglich war, sind die beiden Zimmer wieder zu einem gemütlichen 60 Quadratmeter-Appartement vereint, das ab einer Mindestbuchung von vier Nächten zu haben sein soll. Vorerst jedoch nicht.
Nach einer bereits bestätigten Buchung legen Anja Schröder und Dr. Christian Schmidt ihr Ferienwohnungs-Projekt auf Eis. Spontan beschlossen sie, die Räume für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen: „Wir waren so erschüttert von diesen Nachrichten.“
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