„Ne Runde um‘n Block“ ist eine von Jörg Rost geschaffene Alternative zum Welttheater der Straße in Corona-Zeiten.

© Bernd Paulitschke (Archiv)

„Kultur ist nicht nur Hochkultur – sie ist das, was den Menschen zum Menschen macht“

rnSerie: Ein Jahr Corona in Schwerte

Existenzängste, neue Möglichkeiten: Corona hat die Kultur verändert. Dabei wurde oft so getan, als müssten Künstler einfach ihr geliebtes Hobby aufgeben, sagt der Leiter des Schwerter Kulturbüros.

Schwerte

, 10.03.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Am 11. März 2020 meldete das Kreis-Gesundheitsamt den ersten Corona-Fall in Schwerte. Ein Jahr danach blicken wir in einer Serie zurück auf eine Zeit, die viele Einschränkungen und Probleme mit sich gebracht hat. Schulschließungen, Homeoffice, verwaiste Innenstädte, Menschen mit Existenzängsten – die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen.

So auch in der Schwerter Kulturszene. Holger Ehrich ist Leiter des Kulturbüros der Stadt Schwerte. Wenn er auf das Corona-Jahr zurückblickt, dann tut er das mit gemischten Gefühlen.

„Branche besonders hart getroffen“

Die Corona-Pandemie habe die Kulturbranche besonders hart getroffen, berichtet er im Gespräch mit der Redaktion. „Es geht ja nicht nur um die Leute, die auf der Bühne stehen oder ein Bild malen. Es geht auch um alle die, die da mit dranhängen. Das sind die Veranstaltungsorte, wie hier in Schwerte zum Beispiel die Rohrmeisterei, das sind die Techniker, die Agenturen, die die Künstler vermitteln, und viele mehr“, so Ehrich.

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Er sieht zwei große Probleme: „Einmal natürlich der wirtschaftliche Schaden. Die Kultur ist ein großer Wirtschaftsfaktor, ein gut gehender Wirtschaftszweig. Da hängen viele Existenzen dran. Aber es wurde in der Corona-Zeit oft so getan, als müssten die Künstler einfach ihr geliebtes Hobby aufgeben. Als wäre Kultur ein Luxusgut, auf das man gut verzichten könnte. Dem ist nicht so.“

Das andere Problem sei, dass den Leuten die Kultur fehle. „Es ist zwar einerseits schön, wie viel aus der Not heraus neu entstanden ist. Aber es fehlt die Live-Kultur, die Begegnung. Die Kultur hat auch eine soziale Bedeutung.“

Und was haben Sie am Wochenende gemacht? „Kultur ist nicht nur Hochkultur“

Durch die Pandemie merke man eben auch, wie sehr die Kultur „den Alltag durchzieht“, so Ehrich. „Wenn die Leute sagen, sie hätten mit Kultur nichts am Hut, reicht oft die Frage 'Was hast du denn am Wochenende gemacht?'. Zum großen Teil ist das Kultur. Sei es der Tatort im Fernsehen, der Kinobesuch, ein Konzert, ein Kindertheater, der Museumsbesuch oder Ähnliches. Das wird alles als selbstverständlich genommen. Kultur ist eben nicht nur Hochkultur.“

So gehöre auch der Zoobesuch oder das Stadtfest dazu, wo eine lokale Band auftreten könne. „Das alles ist Teil der Alltagskultur.“

Ehrich: Viele neue Sachen entstanden

Doch Holger Ehrich möchte nicht nur das Negative an der Corona-Pandemie sehen. „Corona hat auch einige Sachen möglich gemacht, die es sonst vielleicht so nicht gegeben hätte.“ Er denkt dabei zum Beispiel an die Runde um'n Block. „Das Projekt hat viele Leute in der Schwerter Kulturszene zusammengebracht. Und was aus der Not heraus geboren wurde, wird jetzt ein Projekt mit Zukunft.“

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Auch so seien die Akteure in der Schwerter Kulturszene näher zusammengerückt. „Es gibt jetzt regelmäßig Zoom-Meetings mit Kulturschaffenden. Sowas haben sich viele schon lange gewünscht. Das ist eine wertvolle Sache.“

Holger Ehrich sieht in der Corona-Pandemie eine große Chance. Er hofft, dass sich nachhaltig etwas bewegt. „Es wurden viele aufgeweckt und gezeigt, wie wichtig Kultur ist. Nicht nur auf lokaler Ebene ist die Bereitschaft, Kultur zu fördern, gestiegen. Auch bei der Bundeskulturförderung bewegt sich was.“

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Dennoch: Zunächst müsse man schauen, was die Pandemie am Ende mit der Branche macht. „Es sind alle extrem betroffen. Einiges geht kaputt, viele kämpfen darum zu überleben.“ Er denkt da zum Beispiel an die Technikfirmen, die „sonst nie Existenzsorgen hatten und jetzt gucken müssen, wie sie überhaupt überleben“.

Deutliche Worte in Richtung Politik

So ist die Lage auch bei Mainmix OnStage derzeit nicht besonders rosig. „Man könnte auch ein positives Fazit ziehen. Wir entwickeln uns weiter und sind jetzt breiter aufgestellt“, so Geschäftsführer Lucas Flock.

Anfang des Jahres hatte man das Unternehmen um einen Wirtschaftszweig erweitert. In den Räumen An der Silberkuhle 6 in Geisecke entstand ein Studio für Livestreams. Doch mit den normalen Einnahmen habe die aktuelle Situation trotzdem nichts zu tun, so Flock. „Wirtschaftlich war das vergangene Jahr ein Fiasko.“ Und über allem stehe die Frage, wann man wieder normal arbeiten dürfe.

Trotz kreativer Ideen war für die Firma Mainmix OnStage das vergangene Jahr ein „wirtschaftliches Fiasko“.

Trotz kreativer Ideen war für die Firma Mainmix OnStage das vergangene Jahr ein „wirtschaftliches Fiasko“. © Carina Strauß

So findet Flock auch deutliche Worte in Richtung Politik: „Wenn wir so arbeiten würden, dann würde, wenn das Publikum reinkommt, die Bühne noch nicht stehen.“

„Schwerte ist eine Kulturstadt“

Holger Ehrich vom Kulturbüro betont, wie wichtig die Kultur für Schwerte sei. Die Pandemie habe gezeigt: „Schwerte ist eine Kulturstadt. Hier wird auf vielfältige Art Kultur gelebt, von großen Veranstaltungen bis kleinen Festen spielt hier die Kultur eine große Rolle. Und: Kultur trägt auch zur Lebensqualität in einer solchen Stadt bei.“

Wie die Kultur fehle, merke man auch daran, wie groß der Wille sei, sie zu erhalten und wieder nach vorne zu bringen. Holger Ehrich hofft nun darauf, dass das Impfen in Schwung kommt, damit man bald Kultur wieder live erleben kann. Denn: „Kultur ist eben das, was den Menschen zum Menschen macht.“