Die Schulen dicht, die Schüler zuhause. Wie läuft das digitale Lernen in den „Corona-Ferien“ eigentlich gerade in Schwerte? Vier Lehrer und eine Schülerin (12) berichten.
Lena schläft aus. Ein Blick ins E-Mail-Postfach, dann Frühstück, eine halbe Stunde fernsehen. Normalerweise wäre Unterricht ab 7.50 Uhr, zweite Stunde ab 8.40 Uhr, um 9.25 Uhr große Pause. Aber in diesen Tagen ist nichts normal.
„Corona-Ferien“ – dieser Begriff machte schnell die Runde in den Medien und den Alltagsgesprächen. Schüler wie Lehrer: zuhause. Ein paar Aufgaben vielleicht, ein bisschen Stoff. Ansonsten aber: fünf Wochen frei – die drei weggefallenen vor den Ferien, dann die zwei um Ostern herum.
„Es ist eine absurde Situation“, sagt Heiko Klanke, der Chef an Lenas Schule, am Friedrich-Bährens-Gymnasium in Schwerte.
„Wenn das Wetter gut ist, gehe ich auf den Balkon und mache meine Schulaufgaben“, sagt Lena, mit Nachnamen Bernecker, 12 Jahre alt, 7. Klasse.
Aufgaben dürfen nicht benotet werden
Was Klanke meint: Es sind eben keine Ferien. Den Stoff muss man ja abarbeiten, auch wenn Schüler wie Lehrer zu Hause bleiben müssen. Der Lehrer kann sich die Lösungen der Schüler zuschicken lassen. Notenrelevant darf das aber nicht sein, was die Mädchen und Jungen jetzt erledigen.
„Alles soll mit Augenmaß erfolgen“, unterstreicht Bärbel Eschmann, die Schulleiterin am Ruhrtal-Gymnasium: „Wir müssen ja auch die unterschiedlichen familiären Situationen berücksichtigen.“ Sind die Eltern überhaupt zuhause? Können und wollen sie das Kind, den Jugendlichen gerade unterstützen? Sind sie nicht auch in einer Ausnahmesituation, im Home-Office, in Existenzsorgen, in Jobs, in denen sie die Auswirkungen von Corona im Alltag spüren?
„Man darf nicht damit rechnen, dass die Kinder genauso viel lernen wie sonst“, sagt Heiko Klanke.

Heiko Klanke, Schuleilter des Friedrich-Bährens-Gymnasiums. © Archiv
RTG und FBG: Einheitliche Mail-Adressen für alle Schüler
Einen Vorteil, den er und RTG-Leiterin Eschmann gegenüber anderen Schulen haben: An FBG und RTG gab es schon die technischen Voraussetzungen, überhaupt alle Schüler zu erreichen. Als es von jetzt auf gleich hieß: Alles auf Null, ihr bleibt zuhause. Am Montag oder Dienstag hört ihr dann von uns.
Zumindest der digitale Weg war am FBG und RTG nichts Neues in all dieser Ungewissheit: Jeder Schüler hat ab Klasse 5 eine eigene E-Mail-Adresse über die Schule. Jeder hat Zugang zu Programmen wie Microsoft Teams, mit denen Chat und Austausch von Präsentationen, Fotos, Videos, anderen Dateien möglich ist. Und – mal einen Schritt weiter gedacht – die Schüler wissen auch, dass man sie erreichen kann.
Das machte es natürlich von Tag eins nach den Schulschließungen leicht, mit allen in Kontakt zu bleiben. Deshalb weiß Lena beispielsweise: zwischen Aufstehen und Frühstück erst einmal in die E-Mails gucken.

Bärbel Eschmann, Leiterin des Ruhrtal-Gymnasiums. © Paulitschke
Leiter der Gesamtschule Gänsewinkel: „Wir bieten Rhythmus“
„Wir bieten den Schülern auch noch ein Stück Rhythmus“, unterstreicht Jürgen Priggemeier, Leiter der Gesamtschule am Gänsewinkel. Vieles mag wegbrechen für die Mädchen und Jungen. Für die Kinder, Jugendlichen oder wie auch immer sie sich selbst gerade bezeichnen würden. Aber es gilt: Mittwoch, genau zu dieser Zeit, da ist Unterricht bei Herrn Priggemeier. Also gibt es den Chat auch genau um diese Uhrzeit. Das teilt er seinen Schülern auch so mit. Ausschlafen ist nicht. Es ist Schule.
Priggemeier weiß, dass die Anbieter digitaler Lösungen gerade auf Kundenfang sind: Von Microsoft bis zur unbekannten Software-Schmiede – alle sagen gerade: „Null Euro“. In der Hoffnung, die Lehrer, Schüler, Schulleiter so sehr zu überzeugen, dass sie im Schuljahr 2020/21 dann zahlen.
Ein „Riesen-Lernprozess“ sei das und „total spannend“, sagt Jürgen Priggemeier. Dass seine Schüler ja froh seien, „in eine lernähnliche Situation“ zu kommen, also ihre Lehrer und Mitschüler zu sprechen und zu sehen.

Jürgen Priggemeier, Schulleiter der Gesamtschule Gänsewinkel. © Priggemeier
Manche Schüler müssen erst nach ihrem Passwort fragen
Lehrer packen Aufgaben in die Cloud. Schüler rufen sie ab. Manche wollen Lösungen per Mail oder Direktnachricht haben, andere nicht. Aber: Hat der Lehrer überhaupt alle erreicht?
508 Schüler hat die Theodor-Fleitmann-Gesamtschule bisher, von Klasse 5 bis 8, weiter geht es ja noch nicht. 420 haben sich beim iServ angemeldet, also der Plattform, auf die sie ihre Daten und Lösungen schicken können. Auch von den anderen Schwerter Schulen heißt es: Ja, dann gibt es noch viele, die ihr Passwort vergessen haben oder es halt noch nie benutzt haben.
Drei von vier weiterführenden Schulen in Schwerte greifen zurück auf iServ, auf diese Firma aus Braunschweig, auf den Weg, über den ein verantwortlicher Lehrer sagt: „Die Daten sind einfach bei uns im Keller.“ Und eben nicht bei Google, Microsoft oder anderen Servern in den USA.
Video-Lösungen und eigene Server im Keller
Denn natürlich gibt es immer das Nachjustieren. Die verantwortlichen Lehrer an allen weiterführenden Schulen in Schwerte gestehen: Ja, diese Schüler, die nachfragen, gebe es. Aber alle sagen auch: Viele seien es nicht.
Nils Böckmann (32) beispielsweise, mit dem Digitalen beauftragter Lehrer an der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule, schwärmt von Zoom, einem Video-Programm, über das Unterricht digital möglich sei. Auch Priggemeier nutzt es am Gänsewinkel.
Lehrer schulten sich schnell noch untereinander
Noch vor wenigen Jahren wäre all das technisch gar nicht umsetzbar gewesen. Das sagt Klanke wie Eschmann, Priggemeier wie Böckmann. Doch bei allen vier Schulen klingt auch durch: Eigentlich müsste man weiter sein auf dem Weg zur digitalen Schule. Doch das hänge an Geldern. Hätte Corona uns zwei, drei Jahre später erwischt, wären Schwertes Schulen sicher besser aufgestellt gewesen.
Die reichten nicht, obwohl doch Vieles schon gut laufe, mit den Laptop-Klassen an der RTG, den einheitlichen Mail-Adressen dort und am FBG, der Cloud-Lösung am Gänsewinkel, den Zoom-Überlegungen an der TFG. Schnell schulten sich die Lehrer untereinander, damit alle die digitalen Wege nutzen. Aber so etwas holt man natürlich nicht in einer halben Woche auf.
Lena hat drei Tage bis eine Woche Zeit für die Aufgaben
„Für uns Schüler wäre es einfacher, wenn alle Lehrer die gleichen Wege und Programme nutzen würden“, sagt Lena. In Mathe, Deutsch, Englisch, Reli, Bio und Chemie habe sie schon Aufgaben bekommen. Drei Tage bis eine Woche Zeit habe sie: „Es ist okay.“
Manche Lehrer hätten aber noch nicht sofort sagen können, auf welchem Weg sie die Lösungen denn gerne hätten.
„Wir sitzen gerade an einer Online-Auswertung, wo etwas gut läuft und wo man sich noch überfordert fühlt“, unterstreicht Lenas Schulleiter Heiko Klanke.
Auch die Lehrer müssen eben gerade blitzschnell dazulernen.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
