Vom Februarhochwasser 1909, das die neugebaute Eisenbahnbrücke über die Ruhr zerstört hatte, wurden sogar Ansichtskarten gedruckt.

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Die schlimmsten Flutkatastrophen: Als die Ruhr auf dem Markt stand

rnHochwasser-Chronik Schwerte

Überschwemmungen haben immer wieder leidvoll die Schwerter Stadtgeschichte begleitet. Dass wir im Archiv auf Kurioses gestoßen sind, hat unsere Leser nach den jüngsten Unwettern besonders interessiert.

Schwerte

, 07.08.2021, 15:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zum Hochwasser-Gucken nach Schwerte. Das lockte schon vor 100 Jahren die Sensationsgierigen in Massen. Um den Ansturm der Katastrophen-Touristen zu bewältigen, ließ die Straßenbahn aus Hörde sogar Sonderwagen fahren, als die Häuser der Altstadt im Jahr 1909 tief unter Wasser standen. Hinterher wurden Ansichtskarten von dem Natur-Schauspiel gedruckt.

Im Jahr 1458 stand die Ruhr auf dem Marktplatz

Großflächige Überschwemmungen gibt es im Ruhrtal nicht erst seit heute. Sie begleiteten leidvoll die Geschichte der Stadt und ihrer Einwohner – vor allem nach der Schneeschmelze im Sauerland oder heftigem Regen.

„Im Jahr 1458 hat die Stadt vom Wasser viel gelitten, und stund die Ruhr auf dem Markt“, beschreibt der Pastor Johann Diederich von Steinen in seiner Chronik die älteste der bekannten Katastrophen.

Mit dem Paddelboot fährt der Elektriker Julius Lichtenhagen im Jahre 1925 durch die überschwemmte Mühlenstraße.

Mit dem Paddelboot fährt der Elektriker Julius Lichtenhagen im Jahre 1925 durch die überschwemmte Mühlenstraße. © RN-Archiv

Das Kirchenbuch der lutherischen Gemeinde nennt weitere Überschwemmungen. Im November 1675 sorgten sie für spätere Missernten. Nie war die Lage allerdings so schlimm wie nach unaufhörlichen Regengüssen am 25. und 26. Januar 1682.

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„Die Diener des Drosten ruderten vom Hause Villigst über Häuser, von denen keines mehr sichtbar war, bis zum Ostentor und der dritten Stufe der Kirchhofstreppe“ – also quer über die Ruhrwiesen: „Mensch und Vieh starben in großer Zahl.“

Im Mittelalter bot die Stadtmauer noch ein wenig Schutz

Bis 1818 bot die mittelalterliche Stadtmauer noch ein wenig Schutz vor der Ruhr. Doch als die Schwerter diese niederrissen, um mit den Steinen ihre Straßen zu pflastern, öffneten sie den Fluten unfreiwillig alle Tore. Bekannt sind Überschwemmungen vom Dezember 1854, Dezember 1888 und November 1890.

Immer wieder mussten die Bewohner der Altstadt in die oberen Stockwerke oder sogar auf den Dachboden ihrer Häuser flüchten, wenn das Wasser anrollte. In diesem Zusammenhang soll auch die Straße „Im Reiche des Wassers“ zu ihrem Namen gekommen sein.

Als britische Bomber im Jahre 1943 den Damm der Möhnetalsperre zerstört hatten, stand die Einmündung Brück-/Hellpothstraße erneut unter Wasser.

Als britische Bomber im Jahr 1943 den Damm der Möhnetalsperre zerstört hatten, stand die Einmündung Brück-/Hellpothstraße unter Wasser. © RN-Archiv

Bei dem Hochwasser von 1909, von dem die Postkarten in alle Welt gingen, wurde sogar die frisch gebaute Eisenbahnbrücke bei Wandhofen zerstört, was die Eröffnung der Zugverbindung nach Iserlohn um ein halbes Jahr verzögerte.

Vor einer Wiederholung solcher Katastrophen glaubten sich die Schwerter durch die 1912 fertiggestellte Möhnetalsperre geschützt, die den Zufluss in die Ruhr regulieren sollte. Doch das Silvester-Hochwasser von 1925, das wiederum große Teile der Altstadt überflutete, belehrte sie eines Besseren.

Ein Surfer nutzte das Neujahrshochwasser 1987, um in den Ruhrwiesen bei Wandhofen zu kreuzen.

Ein Surfer nutzte das Neujahrshochwasser 1987, um in den Ruhrwiesen bei Wandhofen zu surfen. © Reinhard Schmitz (A)

Eine Folge des Zweiten Weltkriegs war die Flutwelle, die nach der Bombardierung der Möhnetalsperre durch britische Bomber in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 durch das Ruhrtal schoss. Viele Markierungen an Fassaden in der Altstadt zeigen, wie das Wasser blitzschnell bis zum zweiten Stock der Häuser stand. Eine Schwerterin, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, ertrank in ihrer Wohnung in der Mühlenstraße.

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Auf der Schützenstraße konnte geangelt werden

Vor allem die tiefer gelegene Altstadt und die Amsel-Gärten waren auch danach immer wieder bedroht, wenn der Ruhrpegel kräftig anstieg und die Ruhrwiesen zu einer Seenplatte werden ließ. Im Dezember 1987 konnte man dort sogar Windsurfen. Die Feuerwehr musste eine Schafherde von der Weide retten.

Großeinsatz der Feuerwehr: Das Neujahrshochwasser 1987 überflutete die Mühlenstraße.

Großeinsatz der Feuerwehr: Das Neujahrshochwasser 1987 überflutete die Mühlenstraße. © Reinhard Schmitz (A)

Ende Januar 1995 lief nach heftigem Regen der Grüntaler Teich über, was einem Angler das Erlebnis bescherte, auf der Schützenstraße einen Hecht zu fangen. Im Oktober 1998 setzten sintflutartige Regenfälle Straßen, Keller und Ruhrwiesen unter Wasser – am Westhofener Kreuz mussten überflutete Fahrspuren der Autobahn A45 gesperrt werden.

Und im November 2010 verursachte das Tief „Carmen“ erneut überschwemmte Keller und Straßen. Im Elsebad in Ergste wurde damals schon einmal die technische Anlage zerstört.

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