„Du kleiner Wichser“ Busfahrer aus Schwerte beschimpft Kinder

„Du kleiner Wichser“: Busfahrer aus Schwerte beschimpft Kinder
Lesezeit

Ob heute wieder „Wandertag“ ist? Das fragen sich die Schwerter Gymnasiasten, die an einem windigen Tag an der Bushaltestelle am Stadtbad / Ostentorstraße stehen.

An dieser Haltestelle warten immer viele Kinder und Jugendliche, die mit dem Bus der Linie 594 in Richtung Westhofen fahren. Die meisten besuchen das Friedrich-Bährens- oder das Ruhrtal-Gymnasium. Sie möchten nach der Schule nach Hause. Nach Wandhofen – und in diese Richtung fährt der 594er.

Doch in der Kommunikation mit dem Busfahrer scheint es größere Probleme zu geben. Mehrere Eltern hatten sich deshalb an unsere Redaktion gewandt. „Der Busfahrer beschimpft unsere Kinder, mit richtig üblen Schimpfworten“, erzählt Betul S. (vollständiger Name der Redaktion bekannt) am Telefon. Außerdem, erzählt die Mutter, lasse er viele Kinder bewusst nicht an ihrer passenden Haltestelle aussteigen, auch wenn sie den Halteknopf drückten.

„Nervige Clowns“ ist noch nett

An der Haltestelle selbst erzählen die Kinder von ihren Erfahrungen. „Er nennt uns immer Hauptschüler“, sagt ein Siebtklässler. „Als ob das so ein Schimpfwort wäre. Wir sind vom Gymnasium, aber mit so einem Spruch beleidigt man auch Hauptschüler, finde ich.“

„Nervige Clowns“ sei noch einer der netteren Begriffe, erzählen die Jugendlichen. Während sie auf den Bus warten, machen sie Scherze. „Ich wette, heute ist wieder Wandertag, wenn wir die Masken nicht richtig aufhaben“, sagt eine 13-Jährige. Ein anderer Schüler ergänzt: „Dabei nimmt der Busfahrer seine Maske selber dauernd runter.“

Warum genau es Ärger gibt, wissen die Kinder nicht. „Es hat damit angefangen, dass jemand mal aus Versehen den Halteknopf gedrückt hat, und dann ist niemand ausgestiegen. Da ist er komplett ausgerastet.“

Der Fahrer habe daraufhin gar nicht mehr gehalten und sei immer bis zur Endhaltestelle an der Bruchstraße in Westhofen gefahren. Das bedeutet für manche Kinder aus Wandhofen, dass sie weit zurücklaufen müssen – entlang der Hagener Straße. „Dort gibt es gar keinen Bürgersteig“, sagen sie. „Wir rufen dann oft unsere Eltern an, damit sie uns holen.“

Schuhe auf der Straße
Festes Schuhwerk braucht man, wenn man nach Westhofen möchte. Denn der Busfahrer veranstaltet öfter unfreiwillige „Wandertage“. © Martina Niehaus

Bus fällt aus

An diesem Mittag kommt der Bus dann überhaupt nicht – wie sich anschließend herausstellte, fiel die Linie wegen einer Straßensperrung aus. Am Nachmittag kommen mehrere Mütter mit ihren Kindern zur Haltestelle. Ihren vollen Namen möchten sie nicht nennen, nur ihre Vornamen. Das Unbehagen vor dem Fahrer scheint groß zu sein.

Sabrina C. erzählt, wie der Fahrer ihre jüngere Tochter Olivia an ihrem ersten Bustag behandelt habe. Damals sei Olivia noch zur Grundschule gegangen. „Sie wollte eine Einzelkarte kaufen, weil sie noch kein Ticket hatte. Das ging ihm wohl nicht schnell genug.“ Olivia, inzwischen zehn Jahre alt, erzählt: „Er hat mich am Tornister gepackt und in den Gang geschleudert, ich wäre fast hingefallen.“

Sabrina C. ist empört. „Es war ihr erster Tag mit dem Bus, sie wollte anfangs nicht allein fahren, und ich hatte noch gesagt: Der nette Busfahrer hilft dir bestimmt. Und dann kam ein weinendes Kind nach Hause.“

Katharina K. erzählt, dass sie ihren Sohn Leo schon oft in Westhofen habe abholen müssen. Auch die Kinder von Kathrin Z., Theo und Greta, bestätigen die häufigen Beleidigungen. Jessica C. steht ebenfalls mit ihrer Tochter Acelya dabei. Die Schilderungen aller Kinder klingen glaubwürdig.

Ein Vater sei bereits hinter dem Bus hinterhergefahren, erzählt eine der Mütter. „Mein Mann hat versucht, ihn anzusprechen. Er hat ihm die Tür vor der Nase zugemacht und ist weggefahren. Das war im Sommer.“ Der Mann von Betul S. fuhr vor knapp einer Woche ebenfalls hinterher und stellte den Mann zur Rede. Er bekommt die Antwort, die Kinder würden halt nerven – und wenn es ihm passe, würde er die Kinder wieder laufen lassen.

Beschwerden laufen ins Leere

Die Beschwerden der Eltern, die nach deren Angaben seit Wochen und Monaten an den VRR und die DB Rheinlandbus gehen, seien bislang ins Leere gelaufen. „Man landet immer bei einer Hotline. Und da heißt es, die Beschwerde wird an das zuständige Busunternehmen weitergeleitet“, sagt Betul S. Auf ihre Beschwerde per E-Mail bekommt sie die Antwort, man werde mit dem Fahrer sprechen. Doch natürlich gebe es immer mehrere Auffassungen.

Was dieses Argument betrifft: Es existieren mehrere Videos von einer Busfahrt, die unserer Redaktion zur Verfügung gestellt wurden. Die Fahrt fand in der vergangenen Woche statt. Hier der Wortlaut aus den Sequenzen, die verständlich waren:

Fahrer: „Ja, ihr habt heute alle Wandertag. Alle, von der Bruchstraße.“

Schüler: „Ja, danke schön.“

Fahrer: „Ja, bitte sehr.“

Schüler: „Ein bisschen Sport tut ja ganz gut, ne?“

Fahrer: „Ja, gerne!“

Schüler zu einer anderen Schülerin: „Der hat schon wieder nicht angehalten.“

Anderer Schüler: „Für mich ist das jetzt wieder ganz schön scheiße.“

Kinder kichern, reden durcheinander: „Der ist wieder durchgefahren. Der Busfahrer hat wieder nicht angehalten. Ich weiß auch nicht, was mit dem los ist.“

Schüler: „Der macht es schon wieder.“

Schülerin: „Hey, vielleicht kannst du ja deine Mutter anrufen, dass die dich bei uns abholt.“

Fahrer zum Schüler: „Setz die Maske auf!“

Schüler: „Sonst bleiben Sie stehen oder was?“

Fahrer: „Halt die Fresse!“

Schüler: „Dann setz ich jetzt meine Maske auf.“

Fahrer: „Ja, dann bleib ich auch stehen.“

Schüler: „Ist auch besser so.“

Fahrer: „Du Arsch, was willst du denn machen?“

Schüler: „Ach, halt die Fresse.“

Fahrer: „Du kleiner Wichser, du.“

Schülerin: „Ein bisschen Respekt geht noch.“

Fahrer: „Ja, aber nicht hier mit den Hauptschülern.“

Schülerin: „Können Sie denn nicht verstehen, dass...“

Fahrer ruft laut: „Ja, die nerven einen, und das ist alles!“

Schülerin: „Das können wir ja absolut verstehen, aber...“

Fahrer schreit: „Wandertag heute! Wandertag! Wandertag!“

Update 9.12., 11 Uhr: In einer vorherigen Version des Artikels war ein Foto eines Busses mit VKU-Schriftzug zu sehen. Dieses Foto haben wir aus dem Artikel genommen. Es handelt sich bei dem betroffenen Fahrer weder um einen VKU-Mitarbeiter noch um einen Mitarbeiter eines von der VKU beauftragten Subunternehmers.

Auf unsere Anfrage hat man uns beim VRR erklärt, man sei dort nicht für Beschwerden gegen Mitarbeitende zuständig – sondern das Busunternehmen, für das der Fahrer oder die Fahrerin fährt. Wir haben inzwischen bei dem zuständigen Busunternehmen und der Deutschen Bahn angefragt. Sobald wir Stellungnahmen erhalten, berichten wir weiter.

Missbrauch durch Stief-Opa: Haarlocken als „Trophäen“ behalten?

Wintereinbruch in Schwerte: Weiße Flocken, rutschige Wege - wie gut ist die Stadt darauf eingestellt

„Zu normalen Einkaufszeiten hätte es Tote gegeben“: Auto kracht in den Kaufland