Verkehrte Welt am Kirschbaumsweg. Statt oben auf der Straße die Bahngleise zu überqueren, rollen die Pkw unten über die Schienen vorbei – huckepack auf einer endlos langen Karawane von Güterwaggons, pickepackevoll mit nagelneuen Audi-Modellen.
Wo einmal die marode Straßenbrücke war, klafft immer noch eine überbreite Lücke. Die Verkehrsumleitungen, die die Abrissarbeiten einleiteten, feierten schon ihren ersten Geburtstag. Von dem alten Übergang über die vier Schienenstränge nach Dortmund und Hamm ist längst kein Stein mehr zu sehen, von ihrem Ersatzneubau allerdings auch noch nicht viel.
Es musste umgeplant werden
Auf der nördlichen Seite zur Bergischen Straße hin ist eine mächtige Spundwand gesetzt worden, um den Abhang zu stabilisieren. Auf einer hölzernen Behelfstreppe klettern Arbeiter herunter zum Gleisbett, neben dem – genauso wie gegenüber auf der südlichen Seite – ein großes Betonfundament gegossen worden ist.
Ein Kran lässt Kippmulden voller Erdreich herab, mit dem die Spalten zum Bahndamm hin wieder zugefüllt werden. Es ist eine diffizile Aufgabe, ohne den Oberleitungen mit ihren 15.000 Volt zu nahe zu kommen. Denn die Arbeiten finden unter laufendem Zugbetrieb statt. Selbst der ICE nach Berlin flitzt regelmäßig vorbei.

Doch das ist nicht der Grund, warum das Projekt länger dauert als zunächst kalkuliert. „Während der Abrissarbeiten des alten Überbaus am Kirschbaumsweg wurde festgestellt, dass die alten Widerlager nicht wie geplant genutzt werden konnten“, berichtet Kati Blumenrath aus der Unternehmenskommunikation der Stadtwerke Schwerte, deren Tochter Stadtentwässerung (SEG) federführend für die Maßnahme ist: „Es wurden daraufhin eine geänderte Bauweise mit Winkelelementen notwendig, die erst angefertigt werden mussten.“
Diese Bauteile rollen aber bald an. Den Angaben zufolge werden sie zwischen dem 12. und 16. Mai zuerst auf der nördlichen und dann auf der südlichen Seite montiert.
Freigabe wohl im Frühjahr 2024
Die Straßenlücke wird geschlossen, wenn im September der Stahlüberbau über die Bahngleise eingeschoben wird. Der Verkehr kann dann aber noch längst nicht wieder fließen. Dann erst müssen noch die Rampe auf der Südseite und die Einmündung an der Ecke Messingstraße/Bergische Straße fertiggestellt werden. Voraussichtlich im Frühjahr 2024 – so die Sprecherin weiter – werden die Arbeiten abgeschlossen sein.

In einer ursprünglichen Pressemitteilung hatte die Stadt das Ende des Brückenbaus für den 4. Dezember 2023 angepeilt. Auch das Fünf-Millionen-Euro-Budget, mit dem man damals rechnete, wird nicht ausreichen. „Da die Bauausführung wegen der Widerlager verändert werden musste, ist mit Mehrkosten zu rechnen. Über ihre Höhe lassen sich aber konkret noch keine Angaben machen“, sagt Kati Blumenrath nach Rücksprache mit der Stadt Schwerte. 2017 war das Rathaus sogar noch davon ausgegangen, mit knapp 1,7 Millionen Euro auszukommen.
Anwohner vermissen Buslinie
Für die Anwohner, die wegen der fehlenden Brücke oft zu weiten Umwegen über die Stau-anfällige Hörder Straße oder die Ostberger Straße gezwungen sind, geht die Leidenszeit erst einmal weiter. Noch am Mittwoch (3.5.) schimpften sie in der Kleinen Märkischen Straße auch über die gekappte Busverbindung. Seit April 2022 fährt die Ringlinie C33 der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna (VKU) die nahe Haltestelle Kirschbaumsweg nicht mehr an. Wer einsteigen möchte, muss zur Albert-Schweitzer-Schule an der Wittekindstraße laufen.

Am Neubau der maroden Straßenbrücke führte indes kein Weg mehr vorbei, da ansonsten eine Totalsperrung drohte. Sie hatte im Jahre 1912 eine Schranke ersetzt, als die Bahnstrecke nach Dortmund gebaut worden war. Die Nachfolgerin wird nach aktuellen Normen ausgeführt. Die Durchfahrtshöhe über den Gleisen steigt von 5,60 auf 6,15 Meter. Außerdem wird das nördliche Widerlager um 1,10 Meter zurückversetzt, damit künftig der nötige Sicherheitsabstand von 3,30 Metern zu den Gleisen eingehalten werden kann.
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