Bauernhof
Nicht mehr mit den Kühen aufstehen: Aus Milchhof Mikus wird etwas Neues
Doris und Helmut Mikus haben sich zur Ruhe gesetzt. Ihr Sohn Sören hat den Hof in Rheinen übernommen. Statt Milch wird dort künftig etwas angeboten, was es weit und breit noch nicht gibt.
Die Milch müssen Doris (60) und Helmut Mikus (62) jetzt wie alle anderen im Supermarkt kaufen. Kein Rindvieh grast mehr auf ihren Weiden. Aber der Hof Mikus in Rheinen bleibt in Familienhand. Hinter und in den Stallungen ist schon erkennbar, was die nächste Generation plant.
Statt der 90 Kühe werden zum 1. Juli insgesamt 42 Pferde einziehen. Denn Sören (32) und Laura Mikus wollen den Betrieb umstrukturieren zu einem Ausbildungszentrum für Pferde einer besonderen Disziplin des Westernreitens.
Beim sogenannten Reining-Sport (engl. „Zügel“) werden die Tiere einhändig ganz leicht mit dem Zügel geführt, wie es die Cowboys machten. Die andere Hand brauchten sie für das Lasso.
Eine riesige Reithalle mit speziellem Boden ist entstanden
Auch wenn manche von Western-Dressur sprechen – mit der piekfeinen englischen Dressur bei Olympischen Spielen haben die Wettwerbe nichts gemeinsam. In Jeans, Hemd und mit Cowboyhut – das ist Vorschrift – steigen die Reiter in den Sattel mit dem obligatorischen Horn.
Das Pferd bewegt sich bei der Kür nicht in Trippelschritten, sondern im Galopp. Spektakulärstes Element ist der sogenannte Sliding Stopp. Der Sand fliegt, wenn sich die Tiere mit den Hinterhufen bremsend den Boden krallen, während die Vorderbeine noch ein Stückchen weiterlaufen.
Die nächste Familiengeneration führt den Hof in Rheinen weiter (v.l.): Doris und Helmut Mikus haben den Betrieb an Sohn Sören Mikus und seine Frau Laura Mikus übergeben, die ihn für ein neues Konzept umstrukturieren. © Reinhard Schmitz
Der Untergrund in der riesigen, 26 mal 60 Meter großen Reithalle, die im rückwärtigen Bereich des Hofes entstanden ist, ist speziell für diese Aufgaben vorbereitet. Über einer Lehmschicht liegt feiner, weißer Sand. Gerade noch rechtzeitig haben Sören und Laura Mikus mit dem Bau begonnen, nachdem sie zum 1. Juli 2021 offiziell den Hof übernommen hatten.
In letzter Minute bevor die Preise durch die Ukraine durch die Decke schossen. „Wenn ich es jetzt entscheiden müsste, würde ich sagen: Nein“, erklärt der Jungbauer: „Wir konnten noch zu einem vernünftigen Preis umbauen.“ Denn die Reithalle ist es ja nicht allein. Die Stallungen sind zu Pferdeboxen geworden. Eine weitere Scheune musste her, um den Bedarf an Heu für die vielen Reittiere zu decken.
Alles Futter und Heu für die Pferde baut Sören Mikus selbst an
Denn alles Futter, Heu und Stroh will der 32-Jährige als gelernter Agrar-Service-Meister selbst anbauen. „Er weiß, worauf es ankommt bei der Produktion“, erklärt seine Frau, deren ganze Familie in Ergste dem Reitsport verbunden ist: „Ich bin im Westernsattel aufgewachsen.“
Zum Training in ihrer speziellen Sparte musste sie jedes Mal nach Hannover fahren. Jetzt wird Trainerin Verena Klein zu ihr kommen, um die Sportpferde auszubilden und dann die Reiterinnen mit ihnen vertraut zu machen. Nach etwa einem Jahr sind die Tiere so weit, dass sie wieder abgeholt werden können.
„Wir sind kein Pensionsbetrieb“, macht Sören Mikus noch einmal deutlich. Seine Kunden kommen aus ganz Europa. Die 42 Boxen sind zum offiziellen Start am 1. Juli schon ausgebucht.
Beim Gang über den rückwärtigen Bereich des Hofes Mikus zeigt sich der Umfang der Um- und Neubaumaßnahmen für die neue Nutzung als Ausbildungszentrum für den Reining-Sport. © Reinhard Schmitz
„Es ist toll zu sehen, wie es weitergeht“, sagt „Altbäuerin“ Doris Mikus. Danach sah es lange gar nicht aus, weil ihr Sohn kein Interesse an einer Übernahme gezeigt hatte.
Im Frühjahr 2019 sei er dann aber plötzlich mit seiner Frau Laura gekommen mit der Bitte: „Wir haben etwas zu besprechen. Wir würden den Hof gerne übernehmen, aber als Reiterbetrieb.“ In diesem Moment habe sie Freudentränen geweint, bekennt die Mutter. Anfang des Jahres machte die Geburt von Enkelin Lina (3,5 Monate) das Glück im Haus perfekt.
Die früheren Stallungen für die Kühe werden zu Pferdeboxen umgebaut. © Reinhard Schmitz
„Altbauern“ waren im Urlaub
„Wir waren schon zweimal im Urlaub in diesem Jahr“, berichtet Doris Mikus von Erlebnissen auf Usedom und an der Mosel, an die vorher nie zu denken war. Jeden Morgen musste um 4.30 Uhr aufgestanden werden, um die 90 Kühe zu melken. Nachmittags um 16.30 Uhr war es dann erneut so weit – das prägte das Leben.
Und nachts wurden die Kälbchen geboren. Die weiblichen blieben stets für die eigene Nachzucht im Stall. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Helmut Mikus (62), der vor der Entscheidung seines Sohnes noch bis 2025 weitermachen wollte. Jetzt hat er die letzten Kühe schon Mitte Dezember 2021 abgegeben.
Die ersten Westernpferde grasen bereits auf den Wiesen, auf denen früher die Kühe lagen. © Reinhard Schmitz
Das Muhen ist verstummt auf dem Hof in Rheinen, den die Eltern von Helmut Mikus im Jahre 1987 gekauft hatten. Ihren Stammsitz in Sümmern mussten sie für den Bau eines neuen Industriegebiet verlassen. „Heute steht da das Durable-Hochregallager“, berichtet Doris Mikus. Die Gebäude am Osterfeldweg waren damals größtenteils baufällig.
Abriss und Neuaufbau kosteten viel Schweiß, bevor der Betrieb mit zunächst 30 Kühen starten konnte. Er war stets in das Dorfleben integriert. Hier traf man sich nicht nur zum Osterfeuer, hier wurden auch der „Tag der Milch“ und die lustigen „Bauern-Olympiaden“ gefeiert. Und Tochter Sarah Chloé Mikus startete hier 2019 mit ihrem Partner Martin Kallnischkies das erfolgreiche Hofmusik-Festival, das in diesem Jahr zum Gut Nordhausen weiterwandert.
Den Vorsitz der Dorfgemeinschaft hat Doris Mikus abgegeben
Den Vorsitz der Dorfgemeinschaft Rheinen, die sie seit 2008 führte, hat Doris Mikus abgegeben. „Ich habe immer gesagt, dass ich 2022 mit 60 Jahren aufhöre“, berichtet sie. Es spricht für den aktiven und kreativen Verein und seine langjährige Chefin, dass er engagierte Nachfolger fand.
Ein reiner Männervorstand, davon fünf in Rheinen geboren, das Durchschnittsalter gerade 40 mal Jahre, mit Herzblut bei der Sache. „Es schmerzt ja schon fast, wie wenig sie mich brauchen“, sagt Doris Mikus augenzwinkernd.
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