
© Irina Höfken
Autist Dominik (32) braucht einen Assistenzhund – doch die Krankenkasse übernimmt keinen Cent
Spendenaufruf
Die offizielle Diagnose hat er noch nicht lange: Dominik aus Schwerte ist Autist. Im Alltag ist der Handballtrainer schnell überfordert. Ein Assistenzhund soll ihm helfen. Doch die Kosten sind gewaltig.
„Corona ist für mich super. Ich muss niemandem die Hand geben, muss niemanden umarmen.“ Das spricht charakteristisch für die Probleme, die Dominik Voegele täglich bewältigen muss. Er mag keinen Körperkontakt, ist schnell von Gerüchen und Geräuschen überfordert und kann seine Emotionen schwer bis gar nicht zeigen.
Der 32-Jährige aus Schwerte ist Asperger Autist. Die offizielle Diagnose hat Dominik noch nicht lange, erst seit zwei Jahren. Ihm und anderen in seinem Umfeld sei aber schon immer klar gewesen, irgendwas an ihm ist „anders“, erklärt er. „Ich verstehe Menschen nicht. Verstehe das Zwischenmenschliche nicht.“
Die Gefühlswelt anderer allein durch ihre Mimik zu erkennen, ist für ihn unmöglich. Wut, Trauer, Freude – all das sieht der Schwerter im Gesicht seines Gegenübers nicht. Die Folge: Er wirkt komisch, unfreundlich und eben „anders“.
Spendenaufruf für Assistenzhund: Tierische Unterstützung ist teuer
Um im Alltag besser zurechtzukommen, wünscht sich der junge Schwerter einen Assistenzhund an seiner Seite. Die Kosten dafür sind gewaltig: 20.000 Euro werden für die Anschaffung und Ausbildung des Hundes fällig. Das ohne Hilfe zu stemmen, wird schwierig.
Deswegen hat Dominik online einen Spendenaufruf gestartet und spricht öffentlich über seine Krankheit. Nur wenige hätten bisher davon gewusst. Auch im Handballverein Villigst-Ergste nicht, wo Dominik Trainer ist. „Was dahinter steckt, wenn man Asperger Autist ist, wissen die meisten einfach nicht.“

Dominik hat viel im Internet recherchiert: Von einem Assistenzhund verspricht er sich eine bessere Lebensqualität. Ein Online-Spendenaufruf bringt ihn finanziell näher ans Ziel. © Irina Höfken
Depressionen quälen ihn zusätzlich: Der alles entscheidende Punkt für ihn, etwas im Leben ändern zu wollen, war ein Suizidversuch und ein achtwöchiger Klinikaufenthalt danach. „Ich will von den Medikamenten wegkommen, will keine Antidepressiva mehr nehmen“, sagt er. Von einer tierischen Unterstützung im Alltag verspricht sich der 32-Jährige eine bessere Lebensqualität.
Warum reicht kein „normaler“ Hund?
Anders als normale Hunde darf ein Assistenzhund offiziell überall mitkommen: zu öffentlichen und privaten Anlagen und Einrichtungen wie beispielsweise in Geschäfte und Arztpraxen. Das bekräftigt rechtlich das sogenannte Teilhabestärkungsgesetz, das am 1. Juli 2021 in Kraft getreten ist.
Während der Ausbildung lernt der Hund, sein Herrchen abzuschirmen. An der Kasse im Supermarkt würde er sich demnach hinter Dominik setzen, um Abstand zu schaffen. Sollte es auf der Arbeit zu viel werden, liest der Hund die Anzeichen und rettet seinen Besitzer aus den Situationen und damit vor den Migräneattacken durch Überforderung. Die Ausrede: „Mein Hund muss mal vor die Tür.“
Dass die Krankenkasse keine finanzielle Unterstützung leistet, ist für den 32-Jährigen unverständlich. „Klinikaufenthalte werden bezahlt. Aber die Prävention nicht?“ Den Antrag auf einen Assistenzhund hat die Barmer an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) weitergeleitet, heißt es in einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt.
Warum die Krankenkasse keine Kosten übernimmt
„Als gesetzliche Krankenkasse dürfen wir die Kosten für Anschaffung, Ausbildung etc. von sogenannten Assistenzhunden nicht übernehmen“, sagt Tobias Klingen, Pressesprecher der Barmer, auf Anfrage. Anders als bei Blindenführhunden, die die Funktion des Sehens ausgleichen und somit bei einem Grundbedürfnis unterstützend tätig werden, seien weitere Assistenzhunde kein anerkanntes Hilfsmittel.
Neben Autismus Assistenzhunden werden die Kosten demnach auch nicht für Diabeteswarnhunde oder Epilepsiehunde übernommen. Das hätten in den vergangenen Jahren Gerichtsurteile bestätigt, die gesetzliche Bestimmung sei dadurch klar, so Klingen.
Pro Jahr gehen bei der Barmer bundesweit etwa 20 Anträge auf Kostenübernahme sogenannter Assistenzhunde ein. Alle werden zur Prüfung weitergeleitet. Denn auch aus dem Teilhabestärkungsgesetz ergebe sich keine Möglichkeit für eine gesetzliche Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen, so Klingen.
„Fühle mich alleine gelassen“
LWL-Sprecher Thorsten Fechtner sagt, dass eine wissenschaftliche Studie die Umsetzung und Auswirkung des im Juli in Kraft getretenen Behindertengleichstellungsgesetz zu Assistenzhunden untersucht. Im Rahmen dieser Studie können Anschaffung, Ausbildung und Haltung von bis zu 100 Assistenzhunden getragen werden.
Ob ein Anspruch auf einen Assistenzhund bei Dominik Voegele bestehe, sei fraglich. Sollte das aber der Fall sein, könnte doch die Krankenkasse oder ein anderer Sozialleistungsträger für die Kosten aufkommen. „Das LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe beschäftigt sich mit dem Fall eingehend, die Prüfung läuft derzeit noch.“

Findus und Tinka, die Katzen von Dominik, haben jetzt einen eigenen Instagram-Account: „Dominiks Helferpfoten“. © Irina Höfken
„Wenn niemand für einen zuständig zu sein scheint, fühlt man sich alleine gelassen“, sagt Dominik. Neben dem Spendenaufruf „Assistenzhund für Dominik“ auf der Seite gofundme.com bewirbt er sich bei Stiftungen für eine finanzielle Unterstützung. Bis der Traum vom Assistenzhund wahr wird, helfen seine Katzen Findus und Tinka, die jetzt auch ein eigenes Instagramprofil mit dem Namen „Dominiks Helferpfoten“ haben.
„Hömma, hasse dat schon gehört?“ So (oder so ähnlich) beginnen die besten Geschichten aus dem Pott, wo ich zu Hause bin. Es gibt nichts Besseres, als diese aufzuspüren und dann in Text, Bild und Video festzuhalten.
