Arbeit im Hospiz: "Das rührt einen dann sehr"

Ehrenamtliche Arbeit in Schwerte

Mit Menschen zu arbeiten, die das Ende ihres Lebens vor Augen haben, ist für viele Menschen unvorstellbar. Ulla Kaminski und Katja Böttcher gehören nicht dazu. Sie helfen ehrenamtlich im Hospiz in Schwerte. Wir haben sie zum Interview getroffen und über ihre oft belastende, aber doch erfüllende Arbeit gesprochen.

SCHWERTE

, 30.10.2016, 05:43 Uhr / Lesedauer: 4 min
Treffen mit Ulla Kaminski Ehrenamtlerin im Hospiz und deren Nachfolgerin.

Treffen mit Ulla Kaminski Ehrenamtlerin im Hospiz und deren Nachfolgerin.

Bereits seit 17 Jahren ist die ehemalige Kinderkrankenschwester Ulla Kaminski (77) im Schwerter Hospiz ehrenamtlich im Einsatz. Allmählich denkt sie über ihren Ausstieg nach. Noch relativ neu im Team ist Katja Böttcher. Die 51-Jährige aus Villigst arbeitet hauptberuflich bei einem Verlag.

Warum haben Sie sich für die ehrenamtliche Arbeit im Schwerter Hospiz entschieden?

Böttcher: Ich hab da schon Jahre lang mit geliebäugelt, weil mir das Schwerter Hospiz auch schon aus der Presse bekannt war. Es ist eine Arbeit, die mich schon immer fasziniert hat. Der menschliche Aspekt, also der Umgang mit den Gästen, gefällt mir besonders.

Kaminski: Ich musste meinen Beruf als Kinderkrankenschwester in der Dortmunder Kinderklinik und -chirurgie aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aufgeben. Und für mich stand fest, wenn es mir wieder gut geht, dann mach ich wieder was. Denn zu Hause rumzusitzen konnte ich nicht. Und das Hospiz in Schwerte bot sich an, weil ich in Höchsten in Dortmund wohne. In meiner Zeit als junge Schwester zwischen 1958 und 1964 starben noch sehr viele Kinder. Die starben und das war es dann. Man konnte einfach nichts für sie tun. Und ich wollte unbedingt was daran ändern. Später in der Kinderchirurgie war das ganz anders. Da durften die Eltern zu ihren verstorbenen Kindern, um sich zu verabschieden.

Welche Aufgaben übernehmen Sie?

Kaminski: Als ich im Oktober 1999 im Hospiz anfing, bin ich gefragt worden, was ich mir denn so gedacht hätte. Und dann sagte ich direkt: alles. Und das habe ich dann am Anfang auch gemacht. Vor allem in der Pflege konnte ich gut mithelfen, aber auch bei allem drum herum. Da wurde gekocht, gebügelt, geputzt – was auch immer. Lange Zeit war ich mindestens zweimal die Woche im Einsatz, jetzt nur noch alle 14 Tage Montag vormittags.

Böttcher: Ich komme seit März alle zwei Wochen für zwei Stunden, da ich zuhause in Villigst drei Kinder, Hund, Katze und einen großen Haushalt habe, um die ich mich kümmern muss. Hauptberuflich arbeite ich für einen Verlag in Hennen. Das Spannende bei der Arbeit ist, dass ich überall involviert werde. Ob es das Begrüßen der Besucher, einkaufen oder kochen ist. Zudem werde ich unterstützend in der Pflege eingesetzt.

Ist ihre Labradorhündin Nala auch immer mit dabei?

Böttcher: Nala soll in Zukunft hier verstärkt eingesetzt werden. Sie ist zwar nicht pädagogisch geschult, aber hat einen guten Instinkt, vor allem im Umgang mit älteren Menschen und Kindern. Labradore sind ja bekannt für ihr ruhiges Wesen, ihre Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit.

Frau Kaminski, hat sich in Ihrer langjährigen Arbeit im Hospiz etwas verändert?

Kaminski: Es hat sich eine Menge geändert. Nicht nur durch den Umbau, sondern auch die Menschen, die hier zu Gast sind. Früher ging es mehr darum, Sterbende zu begleiten und dafür zu sorgen, dass die Angehörigen auch mal Luft holen können. Das ist heute gar nicht mehr so gefragt. Ich denke, die Menschen haben sich im Lauf der Zeit verändert. Manche mögen diese Nähe gar nicht. Es ist nun mal so, dass immer häufiger in solchen Einrichtungen gestorben wird als zuhause. Und da sind einige Menschen oder ihre Angehörigen noch nicht bereit zu sterben und verschließen ihre Augen davor. Aber es ist schön, zu erleben, wenn sich das Ganze umdreht und sie dann sagen: Es ist gut.

Gab es Erlebnisse, die Sie besonders berührt haben?

Böttcher: Wir hatten kürzlich einen Gast, der war sein Leben lang alleine und hat in seinen letzten Wochen immer wieder betont, dass er hier die schönste Zeit seines Lebens hatte. Er habe hier so viel menschliche Wärme und Zuwendung erfahren, wie in seiner ganzen gesunden Zeit nicht. Das war schon sehr beeindruckend.

Kaminski: Im Schwerter Hospiz haben Menschen auch oft die Gelegenheit, Angelegenheiten zu bereinigen. Auch wir können dann dabei helfen, was gerade zu rücken. Zum Beispiel fanden bei uns zwei Brüder wieder zueinander, die sich Jahre lang nicht gesehen hatten. Der Gast konnte dann auch beruhigt sterben, in dem Wissen, dass sein Bruder bei ihm war. Und das rührt einen dann sehr, wenn es in so eine versöhnliche Richtung geht. Doch das tut es nicht immer. Das muss man dann auch akzeptieren. Hier wird aber nicht nur gestorben, sondern so gut gelebt, dass einige Bewohner das Haus sogar noch mal verlassen können – nach Hause oder in die Kurzzeitpflege. Er wird nicht von morgens bis abends gestorben, sondern die Menschen möchten bei uns ihren Möglichkeiten nach noch gut leben.

Hatten Sie auch ab und zu Zweifel, Frau Kaminski, oder mussten sich überwinden?

Kaminski: Zu Beginn meiner Arbeit als Ehrenamtliche hatte ich Schwierigkeiten und musste doch einiges wegstecken. Wir hatten wiederholt Gäste im Endstadium von Lippen-Kiefer-Gaumen-Krebs. Das ist etwas, was sich Außenstehende gar nicht vorstellen können. Der äußerliche Zustand der Betroffenen ist für viele schon schwer zu ertragen. Das hat mir bei der Pflege keine Schwierigkeiten bereitet. Aber ich wurde einfach nicht damit fertig, dass ein Mensch, der weiß, dass er bald sterben wird, den Beginn seiner Verwesung miterlebt. das habe ich dann zum großen Teil mit mir selbst ausgemacht. Es gab auch immer wieder Ehrenamtliche, die mit den Erkrankungen nicht klar kamen und nicht in die Zimmer reingehen wollten. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Denn man kann hier als Ehrenamtlicher zwar alles machen, muss es aber nicht. Das ist ganz wichtig.

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Was müssen Ehrenamtliche für die Arbeit im Hospiz mitbringen?

Böttcher: Geduld, Verständnis, Einfühlungsvermögen und den Willen, es tun zu wollen. Außerdem sollte man Lebensfreude mitbringen, die man an die Bewohner weitergeben kann.

Kaminski: Was wir auch oft erlebt haben ist, dass Ehrenamtliche gemerkt haben, dass diese Arbeit doch nichts für sie ist. Und das ist gar nicht schlimm. Nicht unbedingt förderlich ist es zum Beispiel, wenn man hier einen geliebten Menschen verloren hat. Das geht meistens nach hinten los. Um herauszufinden, ob einem die Arbeit im Hospiz liegt, können Interessierte einen Tag hospitieren. Besonders freuen würden wir uns, wenn auch Männer unser Team unterstützen würden. Besonders für die männlichen Bewohner wäre das eine tolle Sache.

Wer sich für ein Ehrenamt im Schwerter Hospiz, Alter Dortmunder Weg 89, interessiert, kann sich unter Tel. 94 36 80 dort melden. Weitere Informationen im Internet unter