Ins Amtsgericht Schwerte waren Manfred und Regina Rau aus Malente (Schleswig-Holstein) gekommen, um gegen den Bußgeldbescheid auf der Autobahn-Raststätte Lichtendorf-Süd zu kämpfen.

© Reinhard Schmitz

20 Euro für eine Pinkelpause: Da zog Autofahrer Manfred Rau (73) vor Gericht

rnAutobahn A1

Die Fahrt war lang, eine Autobahn-Raststätte nach der anderen blockiert. Schließlich war der Druck so groß, dass der Senior in Lichtendorf-Süd stoppte. Warum dieser Zwischenstopp vor Gericht endete, hat viele unserer Leser interessiert.

Schwerte, Lichtendorf

, 18.04.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Dieser Text erschien erstmals am 4. April. Warum der Zwischenstopp von Autofahrer Manfred Rau an der Raststätte Lichtendorf-Süd schließlich vor Gericht endete, hat viele unserer Leser interessiert.

Teure Pinkelpause: 20 Euro für den Toilettengang an der Autobahn-Raststätte Lichtendorf-Süd an der A1 sollte der 73-jährige Manfred Rau aus Malente (Schleswig-Holstein) zahlen. Sein Problem: Er hatte seinen silberfarbenen Honda auf der mit Lkw vollgepfropften Anlage kurz auf einem Behindertenparkplatz abgestellt, um dem menschlichen Bedürfnis nachkommen zu können.

Und ausgerechnet in diesem Moment, spätabends gegen 22.30 Uhr, war die Polizei um die Ecke gekommen und hatte ihn aufgeschrieben.

Autofahrer: „Ich habe mich vorgeführt gefühlt“

Die Folge war ein Bußgeldbescheid über 35 Euro, den die zuständige Bußgeldstelle auf die Intervention des Autofahrers hin noch einmal auf den geringstmöglichen Satz von 20 Euro reduziert hatte. Doch auch das ließ ihn nicht ruhen. „Ich bin ein gerechtigkeitsliebender Mensch“, begründete er am Montag (4.4.) der Richterin, warum sich das Amtsgericht Schwerte auf seinen Wunsch hin mit dem Fall beschäftigen musste. Er räumte zwar einen Fehler ein, aber kam sich von der Polizeistreife ungerecht behandelt vor: „Ich habe mich vorgeführt gefühlt.“

Fotos von jener Nacht am 26. April 2021 auf der Raststätte Lichtendorf-Süd hatte Manfred Rau mit ins Amtsgericht gebracht. Sie sollten zeigen, wie sein silberfarbener Honda so an der Toilette geparkt war, dass daneben noch Platz für Autofahrer mit Behinderungen blieb.

Fotos von jener Nacht am 26. April 2021 auf der Raststätte Lichtendorf-Süd hatte Manfred Rau mit ins Amtsgericht gebracht. Sie sollten zeigen, wie sein silberfarbener Honda so an der Toilette geparkt war, dass daneben noch Platz für Autofahrer mit Behinderungen blieb. © Reinhard Schmitz

Es war noch mitten im Corona-Lockdown, so schilderte Manfred Rau im Gerichtssaal, als er am 26. April 2021 mit seiner Ehefrau Regina Rau auf dem Rückweg vom französischen Toulouse nach Schleswig-Holstein war. Anders als gewöhnlich verzichteten sie angesichts der Pandemie-Lage darauf, unterwegs eine Zwischenübernachtung einzulegen: „Wir haben wenig gegessen und viel getrunken.“ Das machte sich irgendwann bemerkbar. Doch zwei Raststätten, die man ansteuern wollte, seien bis in die Zufahrten mit Lkw zugestellt gewesen: „Dann kam Lichtendorf-Süd, und wir mussten einfach.“

Neben dem Honda blieben noch Behindertenparkplätze frei

Auch diese Raststätte war voller Lkw, durch die Manfred Rau seinen Wagen langsam hindurchsteuerte. Am Ende des Tankstellengebäudes – so berichtete er weiter – entdeckte er das Piktogramm für das WC. Nur aus Sorge um seine Frau, auf die er seit der Hochzeit im Jahr 1966 immer aufgepasst habe, habe er sich davor auf einen der Behindertenparkplätze gestellt: „Ich wollte sie nicht alleine lassen.“ Den Honda habe er aber so platziert, dass daneben noch zwei Parkplätze für Behinderte frei geblieben seien.

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Das Paar bezahlte den WC-Eintritt, erledigte rasch sein Geschäft. „Das waren weniger als drei Minuten, aber da stand die Polizei schon da“, sagte Manfred Rau. „Wir stehen schon eine ganze Zeit hier“, habe er von den Beamten zu hören bekommen. Die anschließende Diskussion muss sich hochgeschaukelt haben: „Aus meiner Sicht ist da was aus dem Ruder gelaufen.“

Er wisse, dass er etwas falsch gemacht habe, aber er sei doch kein Verbrecher. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto höher gewesen, als dass in der kurzen Zeit ein Mensch mit Behinderungen zu dem Parkplatz gekommen wäre. Und der Autofahrer glaubte noch vor Gericht: „Wenn ich ein junges, schlankes Mädchen gewesen wäre, hätten sie gesagt: Fahren Sie weiter.“

Schließlich stellte die Amtsrichterin das Verfahren ein

„Was stellen Sie sich vor, was hier heute passiert?“ fragte die Amtsrichterin und erhielt zur Antwort: „Ich möchte freigesprochen werden.“ Gleichzeitig zeigte sich der Mann aus Malente insofern einsichtig, dass er bei ähnlicher Gelegenheit stattdessen den Tankwart bitten wolle, seinen Wagen auf dem Zapfsäulen-Gelände abstellen zu dürfen.

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Angesichts dessen und ob des geringen Streitwerts bot die Richterin an, das Verfahren einzustellen. „Sie tragen Ihre Kosten“, erklärte sie Manfred Rau: „Die Gerichtskosten trägt die Staatskasse.“ Dazu gehörten auch die Auslagen der Zeugen, die bereits geladen waren, aber nicht mehr angehört werden mussten. „Ich danke Ihnen ganz herzlich“, sagte der Mann aus Schleswig-Holstein, bevor er den Saal verließ und mit seiner Frau in den Honda stieg.

Sie waren nicht extra nach Schwerte gekommen, sondern machten aus diesmal nur einen Zwischenstopp auf der Rückfahrt aus dem Süden. Die Parkscheibe war ordentlich ausgelegt, sodass auf der Hagener Straße kein neues Ungemach drohen konnte.