
Den AfD-Landtagskandidaten Jürgen Chmielecki hat man im Wahlkampf nicht allzu häufig zu Gesicht bekommen. © Symbolfoto: picture alliance/dpa
AfD-Kandidat Jürgen Chmielecki: Das Phantom im Wahlkampf
Landtagswahl 2022
Wer ist Jürgen Chmielecki? Er ist der Kandidat der AfD für den Landtag im Wahlkreis Unna I. Im Wahlkampf war er aber kaum zu sehen. Eine Spurensuche.
Bei der Wahlarena unserer Redaktion fehlte er, bei anderen Podiumsdiskussionen ebenfalls, auf Wahlplakaten sieht man ihn auch nicht: Jürgen Chmielecki ist der große Unbekannte unter den Landtagskandidaten im Wahlkreis Unna I.
Über den AfD-Kandidaten für Unna, Schwerte, Fröndenberg und Holzwickede sind nur wenige Informationen öffentlich zugänglich. Wer seinen Namen googelt, findet kein Foto, einige spärliche persönliche Informationen stehen auf der Liste der Kreiswahlvorschläge des Kreises Unna. Demnach ist Jürgen Chmielecki Jahrgang 1965, geboren in Meppen, von Beruf Sozialtherapeut und wohnhaft in Unna. Außerdem findet sich dort eine E-Mail-Adresse, die dem AfD-Kreisverband Unna zuzuordnen ist.
Einladung zur Wahlarena blieb ohne Reaktion
Unter eben dieser Mail-Adresse schrieb unsere Redaktion den Kandidaten mehrfach an, lud ihn zur Wahlarena ein und auch zu einem Kandidatenporträt. So wie alle Kandidatinnen und Kandidaten von Parteien, die derzeit im Bundestag oder Landtag vertreten sind. Chmielecki war der Einzige unter ihnen, der nicht reagierte.
Öffentlich etwas von ihm zu lesen war erst am Tag nach der Wahlarena unserer Redaktion, am 4. Mai. Unter einem Artikelposting auf Facebook fragte der Schwerter AfD-Ratsherr Sebastian Rühling an die Adresse Chmieleckis, warum er bei der Veranstaltung nicht dabei war. Darauf antwortete Chmielecki wörtlich: „Hallo Herr Rühling, ich wurde nicht eingeladen. Schon beim Kandidaten Check [sic!], musste ich mich quasi anbiedern, damit ich mich präsentieren konnte.“

Auf Facebook schrieb Jürgen Chmielecki, er sei zur Wahlarena unserer Redaktion nicht eingeladen worden. Für ein Kandidaten-Porträt habe er sich anbiedern müssen. Beide Behauptungen sind falsch. © Screenshot: Kohues
Rühling fragte daraufhin an die Adresse unserer Redaktion: „Warum wird eine Partei, und nicht einmal die kleinste, von dieser Veranstaltung kommentarlos ausgeschlossen? ... Wo bleibt zumindest ein alternatives Angebot, dass Jürgen Chmielecki die Punkte der AfD vortragen kann?“ Unsere Redaktion stellte daraufhin klar, dass Chmielecki keineswegs kommentarlos ausgeschlossen, sondern gleich zweimal eingeladen wurde – jeweils ohne Rückmeldung.
Chmielecki auf Facebook: „Bin Mittlerweile stink sauer“
Chmielecki postete unterdessen, er sei „Mittlerweile stink sauer“ (sic!). Auf die Bitte unserer Redaktion, einmal zu erklären, warum er auf die Einladungen nicht reagiert habe, ging er nicht ein.

Die Wahlarena unserer Redaktion fand ohne Beteiligung der AfD statt. Kandidat Jürgen Chmielecki ließ die Einladung unbeantwortet. © Udo Hennes
Später gelang es unserer Redaktion dann, ihn einmal ans Telefon zu bekommen. Es war ein kurzes, aber sehr freundliches Telefonat. Auf seine Behauptungen via Facebook angesprochen, räumte Chmielecki sofort ein, dass „wahrscheinlich von Seiten der AfD etwas falsch gelaufen“ sei. „Es gab eine Zeit, da hatte ich keinen Zugriff auf das Postfach. Deshalb kann ich mir nur entschuldigen für die falsche Anschuldigung“, sagte Chmielecki. Das Ganze sei „doof gelaufen“.
Auf die Nachfrage, ob er die Mails denn inzwischen gesehen habe, sagte er: „Nein, ich habe immer noch keinen Zugriff.“ Die Redaktion könne ihm aber gern eine Nachricht per WhatsApp schicken, dann werde er etwas zu seinen politischen Zielen schicken.
Trotz mündlicher Zusage kam nichts
Doch die mündlich zugesagte Mail blieb aus. Ebenso kam er der Bitte, ein Foto zu übersenden, nicht nach. In einer Grafik zur Wahlberichterstattung wird unsere Redaktion deshalb statt eines Porträtfotos einen Schattenriss veröffentlichen.
Warum Chmielecki trotz mündlicher Zusage auch der Bitte nicht nachkam, seine falschen Behauptungen auf Facebook selbst richtig zu stellen, bleibt sein Geheimnis. An Glaubwürdigkeit hat er damit jedenfalls nicht gewonnen.
Und klar ist auch: Man muss sich schon sehr bemühen, um etwas über die politischen Ziele des AfD-Kandidaten im Wahlkreis Unna I herauszufinden. Bei Antenne Unna steht unter „Jürgen Chmielecki“ lediglich: „... hat unseren Fragebogen bisher leider nicht beantwortet.“ Das gleiche Bild beim WDR: Jürgen Chmielecki „hat nicht am Kandidaten:innen-Check teilgenommen“, ist dort zu lesen.
Einzig dem Portal abgeordnetenwatch.de scheint der AfD-Kandidat einige Fragen beantwortet zu haben. 20 Positionen zu verschiedenen Fragen werden dort abgeklopft. Zu acht Fragen verhält sich Chmielecki allerdings „neutral“ und zu weiteren acht Fragen bleibt er eine Begründung schuldig.
Eine Position liest man lediglich zu den Fragen, dass Deutschland mehr Geld für Verteidigung ausgeben soll (Chmielecki ist dafür), zu möglichen Olympischen Spielen an Rhein und Ruhr im Jahr 2036 (Chmielecki ist dafür), zu Zugriffsrechten der Polizei auf Messenger-Dienste in der Strafverfolgung (Chmielecki ist dafür) und zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 (Chmielecki ist dagegen).
Zur Forderung „Innerhalb geschlossener Ortschaften soll ein Tempolimit von 30 km/h eingeführt werden“ schreibt er als Begründung: „Im Bereich von reinen Wohngebieten Sinnvoll.“ Der Forderung steht er aber nicht ablehnend gegenüber, sondern „neutral“. Warum? Auch das bleibt das Geheimnis des großen Unbekannten bei dieser Landtagswahl.