Vor rund drei Jahren hat sich Klaus Buhle aus Schwerte einen Glasfaser-Anschluss legen lassen. „Meine Wände waren zufällig sowieso an der passenden Stelle offengelegt wegen einer Photovoltaik-Geschichte. Und als ich mitbekam, dass in der Straße Glasfaser-Anschlüsse gelegt wurden, dachte ich: Das ist die Gelegenheit.“
Der 75-Jährige ließ sich von der Elementmedia GmbH, einer Tochter der Schwerter Stadtwerke, den Anschluss legen, und bezahlte dafür einen Anteil. „Das waren so zweihundert oder dreihundert Euro.“ Außerdem unterschrieb Buhle einen zweijährigen Versorgungsvertrag ab Februar 2021.
Jetzt hat er den Vertrag gekündigt. „Ich war mit dem Service nicht so ganz zufrieden, das lief bei meinem früheren Anbieter einfach besser“, begründet der Schwerter seine Entscheidung. „Ich wollte zu Vodafone wechseln.“ Dort prüfte man die Situation - und Klaus Buhle war überrascht. „Ich kann den Anbieter zwar wechseln, muss dann aber wieder die alten Kupferleitungen benutzen.“
Es geht ums Prinzip
Das ärgert den Schwerter. Es gehe ihm nicht darum, Gebühren zu sparen - die seien beim anderen Anbieter ähnlich - , sondern ums Prinzip. „Eigentlich müsste ich doch zwischen den Anbietern frei entscheiden können. Und damals hieß es, das geht auch jederzeit. Aber dass ich dann den Glasfaser-Anschluss nicht mehr nutzen darf, war mir so nicht klar.“
Als Rentner brauche er nicht so viel Datenvolumen, sagt Buhle. „Doch es gibt ja auch Leute, die im Home-Office arbeiten. Ich glaube, dass nur wenigen bewusst ist, dass man den Anbieter nicht einfach so wechseln kann.“ In anderen Städten funktioniere das schließlich auch.
„Viel Geld investiert“
Mit der Elementmedia GmbH hatte der Schwerter bereits Kontakt. Geschäftsführer Oliver Weist hat in einer Mail erklärt, warum andere Unternehmen die Glasfaser-Leitungen nicht nutzen können - sie müssten sie dafür anmieten.
„Bis dato haben wir mehr als 23 Millionen Euro in die Schwerter Infrastruktur investiert. Dabei handelt es sich mit Ausnahme von vier Anschlüssen von Schulen um einen reinen privatwirtschaftlichen Ausbau“, erklärt Weist. Ohne Fördermittel investiere man sehr viel Geld auf eigenes Risiko. „Der Anschluss eines Gebäudes kostet dabei mittlerweile zwischen 3.000 bis 6.000 Euro. Der Baukostenzuschuss der Kunden beträgt hingegen nur wenige hundert Euro, sodass sich für uns ein Hausanschluss wirtschaftlich nur trägt, sofern sich der Kunde auch sehr viele Jahre für unsere Leistungen entscheidet.“
Die anderen Wettbewerber, so Weist, investierten bisher nicht in Schwerte in moderne Glasfasernetze. Sie setzen weiter auf die bisherigen „alten“ Kupfernetze. „Diese Anschlüsse sind auch bei weitem nicht so zuverlässig und leistungsstark wie unsere echten Glasfaseranschlüsse – aber gegebenenfalls etwas günstiger bei den monatlichen Gebühren. Einen echten Glasfaseranschluss mit einem Vor-Ort Service zum günstigsten Tarif im Vergleich zu den ,alten´ Kupferanschlüssen können und möchten wir allerdings nicht anbieten.“

Monopol?
Klaus Buhle sagt hingegen: „Das ist doch nicht verbraucherfreundlich, wenn es nur ein Unternehmen gibt, das das Monopol auf die Anschlüsse hat. Da besteht ja schon ein gewisser Druck, dass man auch dort den Vertrag unterschreibt.“
Doch dafür müssen sich andere Unternehmen auch dafür interessieren, erklärt Oliver Weist auf Anfrage. In der Vergangenheit habe die Elementmedia bereits mehrfach Gespräche geführt: „Es bestand bislang wenig Interesse, unsere Leitungen, insbesondere zu privaten Endkunden, anzumieten und in sinnvolle Netzkopplungen zu investieren.“
Der Geschäftsführer betont, dass es durchaus Vereinbarungen mit Versatel 1&1, Telefonica O2 und Dokom21 gebe - diese nutzten die Glasfaserstrecken aber nicht für Privathaushalte, sondern für die Anbindung von Mobilfunk- und Technikstandorten sowie Gewerbekunden. Die Nutzung für Privatkunden sei bisher noch nicht angefragt worden. „Problematisch ist, dass es dann technische Schnittstellen geben muss und der Aufwand für einzelne Kunden für die Unternehmen zumeist zu groß ist.“ Die meisten Anbieter seien bislang nicht bereit, für diese Privatkundenanschlüsse zusätzlich in technische Schnittstellen zu investieren oder diese einzeln in ihre Systeme einzupflegen - weil sie nicht genug daran verdienen.

Ein Beispiel für zähe Verhandlungen sei die Deutsche Telekom: Nach Angaben von Oliver Weist habe man „mehrfach“ Gespräche geführt. „Bis dato war die Telekom nicht ernsthaft daran interessiert zu kooperieren, selbst wenn es aus wirtschaftlichen Gründen zum Vorteil für sie gewesen wäre. Bisher waren es vonseiten der Telekom lediglich Lippenbekenntnisse zum Thema Kooperation.“
Seit über einem Jahr begleite die Elementmedia GmbH ein Projekt der VKU zum Thema „Kooperativer Breitbandausbau in der Fläche“. Elf Stadtwerke und Telekommunikationsunternehmen hätten darin Möglichkeiten der Kooperation mit der Deutschen Telekom erarbeitet. „Leider ist das Ergebnis aus unserer Sicht wenig zielführend, weil alle drei Ergebnisvorschläge auf unsere konkrete Situation wenig zutreffen. Entweder sind wir als Partner für die Telekom zu klein, zu selbstständig und erfolgreich oder unsere eingesetzte Technik passt nicht zu den Systemen der Telekom.“

Inzwischen hat die Elementmedia nach eigenen Angaben Kundenquoten von mehr als 60 Prozent in den versorgten Gebieten - das sind mehr als 7.200 Haushalte in Schwerte. „Die meisten entscheiden sich für unsere Leistungen“, so Weist.
Hannah Pick von der Schwerter Verbraucherzentrale sagt zu der Situation: „Es gibt noch keine gesetzliche Pflicht, Glasfaser-Anschlüsse für alle Anbieter zugänglich zu machen - der ausbauende Anbieter bleibt Eigentümer der Leitungen und kann dies für sich nutzen.“ Der Anbieter nehme schließlich viel Geld in die Hand. „Oft wird das mit einem Nutzungsvertrag für die ersten Jahre verknüpft.“
Die Wahlmöglichkeit, die Klaus Buhle vermisst, könne sie nachvollziehen. „Unsere Hoffnung ist, dass der Markt sich irgendwann öffnet“, so Hannah Pick. „Aber im Moment steht der Ausbau im Fokus - und jeder, der einen Glasfaser-Anschluss im Haus hat, kann darüber froh sein, auch wenn die avisierte Bandbreite heute vielleicht noch gar nicht gebraucht wird.“
Kleingedrucktes
Dass ein Unternehmen wie die Elementmedia auch wirtschaftliche Interessen verfolge, müsse jeder Kundin oder jedem Kunden klar sein. „Es ist aber gut, dass sie den Ausbau vorantreiben.“ Was die Verbraucher betreffe, sei in jedem Fall eine offene Kommunikation wichtig, um später Ärger durch andere Erwartungen zu vermeiden.
Klaus Buhle hätte sich in seinem speziellen Fall eine bessere Kommunikation gewünscht. „Ich finde, das hätte man mir konkret sagen müssen. Dass ich den Anschluss nicht mehr nutzen kann, steht nur irgendwo im Kleingedruckten. Und das liest nicht jeder.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24. Juni 2023.
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