Gerade hoch genug zum Stehen ist der Hauptkanal vor der Kläranlage. Er wurde in jüngerer Vergangenheit saniert. Aber auch für vor langer Zeit gebaute Kanäle zahlen die Gebührenzahler noch Zinsen. © Reinhard Schmitz (Archiv)

Zweite Miete

Nimmt Schwerte zu hohe Abwassergebühren? Lohnsteuerbund rät zu Widerspruch

Die Abwassergebühren steigen 2022 in Schwerte nicht – weil sie längst viel zu hoch sind, meint der Bund der Steuerzahler. Warum das so ist und wie man sein Geld vielleicht zurück bekommt.

Schwerte

, 06.01.2022 / Lesedauer: 4 min

Die gute Nachricht vorab: Auch in diesem Jahr wird die Abwassergebühr in Schwerte nicht steigen. Das legte der Verwaltungsrat der Stadtentwässerungsgesellschaft in seiner letzten Sitzung des vergangenen Jahres fest.

3,56 Euro kostet der Kubikmeter Schmutzwasser, und im Bereich Niederschlagswasser zahlt man in Schwerte 1,20 Euro pro Quadratmeter versiegelter Fläche. Die Kosten dafür findet jeder in seiner Nebenkostenabrechnung wieder.

Dortmunder zahlen 242 Euro weniger

Und die fällt Stadt für Stadt höchst unterschiedlich aus: Rund 350 Meter liegen die Häuser Ostberger Straße 94 und 19 voneinander entfernt. Doch die Bewohner des Hauses mit der Hausnummer 19 zahlen ein Drittel weniger für die Abwasserentsorgung als ihre Nachbarn in der 94.

Das liegt daran, dass die Ostberger Straße 19 auf Dortmunder Stadtgebiet liegt, die 94 aber auf Schwerter Gebiet. Der Bund der Steuerzahler rechnet es Jahr für Jahr vor: Ein Musterhaushalt, der 200 Kubikmeter Wasser verbraucht und damit auch als Schmutzwasser entsorgt, und 130 Quadratmeter versiegelte Fläche nutzt, zahlt in Dortmund 646 Euro Abwassergebühren, in Schwerte 868 Euro (Stand Sommer 2021).

Gewinne gehen an die Stadtkasse

Ein Grund für diesen erheblichen Preisunterschied liegt darin, dass der Schwerter mit seiner Abwassergebühr für den maroden Stadthaushalt mit bezahlt. Und das obwohl es sich bei den Kosten für Abwasser um Gebühren handelt. Das heißt: Rechtlich darf man dem Kunden nur das in Rechnung stellen, was man auch an Aufwand hatte.

Doch dieser Begriff ist dehnbar. So dehnbar, dass die SEG laut städtischem Haushaltsentwurf am Ende des Jahres 2021 1,3 Millionen Euro an die Stadtkasse überweisen kann. „Die wesentlichen Erlöse ergeben sich aus den Entwässerungsgebühren und aus der Auflösung von Gebühren-Rückstellungen“, steht im Haushaltsentwurf.

Kosten für Kanäle dürfen verzinst werden

Wie die Städte mit Abwasser Geld für ihre Stadtkasse verdienen? Das Geheimnis liegt in der Verzinsung der bereits vorhandenen Kanäle. Denn da dürfen die Städte oder im Fall Schwerte die von ihnen beauftragte Tochterfirma, sogenannte kalkulatorische Zinsen ansetzen. Sie dürfen quasi das Geld vom Kunden verlangen, das sie eingenommen hätten, wenn sie statt Kanäle zu bauen, ihr Geld auf die hohe Kante gelegt hätten.

Wie hoch man die Zinsen für dieses ja eigentlich nicht mehr vorhandene Geld ansetzen darf, wurde einst vom Oberverwaltungsgericht Münster festgelegt. Der Zinssatz orientiert sich an den Durchschnittzinsen der vergangenen 50 Jahre: 2021 waren das maximal 5,42 Prozent. Mehr ist nicht erlaubt, weniger schon.

Und während etliche Kommunen da Mittelwerte nehmen, bewegt sich Schwerte schon seit Jahren am oberen Rand des gesetzlich Erlaubten. 2021 waren es exakt jene 5,42 Prozent. Für das Jahr 2022 sind 5,242 Prozent angesetzt, und auch das ist der Höchstsatz, wenn man nicht besondere Umstände nachweisen kann.

Empfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt

Die Idee, auf diese Art Geld für die Stadtkasse zu generieren, stammt übrigens nicht von den heimischen Politikern, sondern von der Gemeindeprüfungsanstalt. Die hatte die Erhöhung der kalkulatorischen Zinsen einst für den Haushaltssanierungsplan vorgeschrieben. Die Politiker nahmen den Vorschlag aber gerne an.

Der Bund der Steuerzahler, dem diese Praxis ein Dorn im Auge ist, wertete die Haushaltssanierungspläne aus: „Im Haushaltssanierungsplan 2012 bis 2021 der Stadt Schwerte heißt es unter HSP-Maßnahme Nr. 27: Erhöhung der Gewinnausschüttung des Abwasserbetriebes Schwerte AöR. Die AöR hat im Haushaltsjahr 2011 einen Gewinn aus dem Jahresergebnis 2010 in Höhe von 403.000 EUR ausgeschüttet. Bis 2016 ist eine jährliche Steigerung von rund 10 Prozent vorgesehen, so dass im Haushaltsjahr 2016 eine Gewinnausschüttung von 682.000 EUR erfolgen wird.“ Mittlerweile schüttet man fast das Doppelte aus.

Lohnsteuerbund ruft zu Widerspruch auf

Doch ob das ewig so weiter gehen kann, bezweifelt Markus Berkenkopf vom Bund der Steuerzahler in NRW. Die gewählten Zinssätze sind nach Ansicht des Bundes zu hoch. Seit 2017 führt man ein Muster-Verfahren dagegen vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.

„Wir rufen alle Menschen auf, Widerspruch gegen ihren Gebührenbescheid einzulegen“, sagt Markus Berkenkopf. Denn wenn das Gericht die kalkulatorischen Zinsen herabsetzen würde, gilt das erst für 2023. Wer aber einen Widerspruch eingelegt hat, kann auch rückwirkend Geld erstattet bekommen. Ein Musterschreiben hierzu kann man auf der Seite https://steuerzahler.de/nrw/ downloaden.

Was für die Gebührenzahler günstiger wird, könnte für die Stadt Schwerte teuer werden. Denn der Abwasserbetrieb ist mit seinen 1,3 Millionen Euro Ausschüttung nach den Stadtwerken (2,4 Mio.) der rentabelste Eigenbetrieb. Zum Vergleich: Die Sparkasse trug nur 297.000 Euro zum Etat der Stadt bei.

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