Sie wuchs in Kenia auf. Mitten im Herzen von Afrika: Carol-Waithira Mühlenbrock. Dort lernte sie ihren Mann kennen und kam mit ihm nach Deutschland. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Schermbeck, hat hier eine Heimat gefunden. Mit ihren Kindern feiert sie die deutsche Weihnacht ganz klassisch: Am 6. Dezember kommt der Nikolaus, es werden Plätzchen gebacken, am 24. Dezember geht die Familie in die Kirche, es gibt Essen und Geschenke unter dem geschmückten Baum.
Für viele Deutsche vertraut, für Carol-Waithira Mühlenbrock zunächst sehr formell und dadurch befremdlich, dieses durchgetaktete Programm mit einer Bescherung. Sie fragte sich dann immer: „Wann geht die Party los?“ Weihnachten auf Afrikanisch heißt für sie: Musik, Singen und Tanzen. Traditionell wurde Chapati, ein Fladenbrot, gebacken: „Da Weizenmehl teuer war, war es die einzige Zeit, wo man das essen konnte.“ Anders als damals in Afrika, hat sie die Zutaten hier schnell zur Hand und hält voller Vorfreude auf das Fest ein Chapati in den Händen. Und: Als Kind bekam sie jedes Jahr ein neues Kleid. Das gab es nur zu Weihnachten, sonst nicht.
Die 43-Jährige hat erfahren, wie sich Armut anfühlt. Sie wuchs in einem Slum auf, bis ihre Familie später auf eine Farm zog: „Ich weiß, wie es ist, wenn man sich alleine fühlt. Menschen brauchen Menschen, keine Geschenke“, betont sie. So war ihr Leben nicht immer leicht, doch wenn sie an das Weihnachten ihrer Kindheit zurückdenkt, leuchten ihre Augen auf, füllt sich ihr Herz mit Freude: „Wir haben auf Weihnachten gewartet“, erzählt sie. Das war die Zeit im Jahr, in der die Familie zusammenkam und das gemeinsame Essen im Vordergrund stand. „Das kleine Mädchen in mir lebt in solchen Momenten wieder auf“, sagt sie und lächelt.
Ein neues Kleid
Den Trubel um Weihnachten empfindet sie hierzulande als sehr stressig. Die Erwartungshaltung, für jeden Geschenke zu finden - und das für Menschen, die eigentlich schon alles haben. Natürlich freut sie sich auch über Geschenke. Aber wichtiger als das bleibt für sie die gemeinsame Feier. Und das Kleid: „Ich feierte ein Jahr ohne ein neues Kleid und ich war in diesem einen Jahr so traurig“, meint sie und beschenkt sich seither jedes Jahr selbst mit einem neuen Kleid.
La Kula - gemeinsam Essen
„La Kula“ heißt „gemeinsam Essen“ - und das ist geblieben. So wurde auch in ihrer alten Heimat zum Fest so viel aufgetischt, dass am Ende noch etwas übrigblieb und alle satt wurden. Fleisch isst die Schermbeckerin eigentlich nicht. Doch das eine Mal im Jahr macht sie eine Ausnahme und bereitet alles vor, von Hähnchen bis Lamm.
Kein Finger-Food zu Weihnachten? Das überraschte sie. Und es gab „so viel Besteck“ - da kam zwischendurch schon Heimweh auf und sie fragte sich: „Mache ich alles richtig?“ Doch ihre Familie unterstützte sie und irgendwann konnte auch sie sich einbringen. Was sie am meisten aus ihrer Heimat vermisst, sind die Gerüche. Der Geruch von Essen und Erde. Das Gefühl von Freiheit.
Schokolade im Überfluss
Als sie das erste Weihnachten in Deutschland feierte, war es für sie ein Kultur- und Kälteschock. In Kenia beginnt Weihnachten erst am 20. Dezember und wird richtig am 25. Dezember gefeiert: „Hier ist schon im November überall Weihnachten“, wunderte sie sich und war damals geschockt, wie viele Schokoladensorten es gibt. Außerdem war es in Afrika immer warm und so ging sie mit leichten Sommerturnschuhen auf den Weihnachtsmarkt. Da halfen auch keine schönen Stände und heißer Glühwein mehr: Sie spürte nur noch die Kälte.
In Afrika schmückten die Familien und Nachbarn übrigens auch einen Baum, weil sie es im Fernsehen gesehen hatten: mit weißer Baumwolle. Ohne zu wissen, dass es sich dabei um „Schnee“ handelt. Das erfuhr sie erst später. „Im Skiurlaub hatten wir einen blauen Himmel und alles war weiß. Ich liebe Schnee“, erklärt sie. Und ergänzt mit einem Lächeln: „Aber vom Fenster aus.“ Mittlerweile hat sie selbst schon Schneemänner gebaut und zieht sich muckelig warm an, wenn es doch mal zum Weihnachtsmarkt geht.
Zwei Kulturen
Ihr liegt es am Herzen, dass sie ihren Kindern beide Kulturen vermittelt. Auch wenn sie die Schokolade im Stiefel wohl nie verstehen und sich auch nicht in einen Plätzchenfan verwandeln wird, freut sie sich wieder auf das Fest und hilft mit, wo sie kann. Solange ihre Kinder daran Freude haben und die Menschen, mit denen sie hier zu tun hat, ist sie mittendrin. Und mittlerweile hat sie auch die Tradition eingeführt, zu singen, zu tanzen und Freude zu haben.
„Für mich ist es das größte Glück, eine Familie zu haben, mit der ich alles teilen kann.“ Den Deutschen wünscht sie mehr Ruhe, Entspannung und Freude, dass sie mehr singen und tanzen, wie sie es selbst macht. In diesem Jahr hat sie auch zwei Menschen aus Kenia eingeladen, damit sie zum großen Fest nicht alleine sind und die Weihnachtsparty starten kann.
Chapati-Rezept

Wer das Rezept zu Chapati, das kenianische Fladenbrot ausprobieren möchte, findet hier noch das Rezept von Carol-Waithira Mühlenbrock:
Zutaten
- 250 g Weizenmehl
- 250 g Vollkornmehl
- 25 g Margarine
- 1/2 TL Salz
- 1 EL Zucker
- 300 ml Wasser
- Öl
Zubereitung
Die trockenen Zutaten mischen und die Margarine einarbeiten (wie beim Mürbeteig), dann Wasser dazu geben und zu einem glatten, weichen Teig weiterverarbeiten. Den Teig anschließende 30 Minuten gekühlt ruhen lassen.
Nach der Ruhezeit den Teig in kleine, ca. 120 g schwere Bällchen teilen und ausrollen - bis diese ca. 20 cm Durchmesser haben. Die ausgerollten Teigfladen mit etwas Öl bestreichen und wieder zusammenrollen. Wieder für mindestens 15 Minuten gekühlt, mit Frischhaltefolie abgedeckt ruhen lassen.
Nach der zweiten Ruhezeit nochmals ausrollen und in einer heißen Pfanne zunächst beide Seiten ohne Öl backen. Wenn beide Seiten schön braun geworden sind, jede Seite mit einem Teelöffel Öl bestreichen und kurz auf mittlerer Hitze ausbacken. Fertig!
Die Chapati können entweder pur genossen oder ganz nach Belieben herzhaft oder süß verfeinert werden.
Weitere Informationen und Kochkurse finden Interessierte unter www.lakula.de
Dieser Artikel erschien erstmalig am 23. Dezember 2023.
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