
© Helmut Scheffler (Repro)
Spartakisten besetzten vor 100 Jahren das Rathaus und die Post
Märzunruhen
Die Gedenktage an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren drängen derzeit ein kriegerisches Ereignis in den Hintergrund, das vor 100 Jahren auch in Schermbeck Opfer forderte.
Die Weimarer Republik hatte nach dem Ersten Weltkrieg mit Unruhen zu kämpfen. Arbeiteraufstände, Arbeitslosigkeit und Putschversuche schwächten die junge Demokratie. Es kam zum Kampf zwischen Spartakisten (Rotarmisten) und Reichswehr. Schermbecker Sympathisanten der Spartakisten zogen begeistert nach Dorsten, um sich an dortigen Unruhen zu beteiligen.
Am 21. März 1920 kam der erste Trupp der Roten Armee, etwa 20 Mann, in Dorsten an. Am nächsten Tag um 12.30 Uhr rückten die Spartakisten in großer Zahl in Schermbeck ein und besetzten Rathaus und Post. Sie versuchten, Sympathisanten zu werben, versprachen etwa die Einführung der Sechs-Stunden-Schicht unter Tage mit voller Bezahlung.
Das erhoffte Echo blieb aus. Wie 18 Schermbecker bei einer Befragung in den Jahren 1979 bis 1982 berichteten, konnte der Vollzugsrat der Roten Armee mit den Schermbeckern Lohkamp und Hoppius die Bevölkerung kaum zur Unterstützung der Roten Armee bewegen. Das Vorgehen der Spartakisten empfanden die Schermbecker als „ehrgeizig, ungebändigt und undiszipliniert“.
Bewaffnete Männer
Ein völlig uneinheitliches Bild bot die Bewaffnung der Männer mit der roten Binde am Arm. In der Umfrage wurde von Messern, Säbeln, Dolchen, Gewehren und Karabinern berichtet. Nur mit Mühe konnten schwere Geschütze über die Lippe transportiert werden.
Die Rote Armee war ohne Verpflegungsnachschub auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen, übte notfalls Druck aus. Aus Damm sind Plünderungen bekannt. Vorfälle wie die Erschießung des Eisenbahners Hegermann, der auf dem Weg von Buschhausen nach Schermbeck wegen seiner Uniform als Reichswehrsoldat angesehen wurde, blieben aber die Ausnahme.
Die Schermbecker erlebten die Kämpfe zwischen Spartakisten und Freikorps nur indirekt. Die stärksten Kämpfe fanden im Weseler, Dinslakener und Hünxer Raum statt. Vorsichtshalber wurde die Dammer Schule geschlossen, als Rotarmisten am 22. März 1920 einmarschierten und ziellos umherfeuerten.
Am 22. März zog sich, wie das Buch der Steintornachbarschaft belegt, eine in Schermbeck befindliche Polizeitruppe von etwa 25 Mann vor den von Dorsten gemeldeten Spartakisten zurück und verschanzte sich bei Hecheltjen. Nach Mitternacht rückten die Spartakisten in großer Zahl in Schermbeck ein.
Viele Schwerverletzte kamen ins Krankenhaus
Im Saal Vennschott (heute: Overkämping) wurden die Truppen verpflegt, Schwerverletzte wurden ins Schermbecker Krankenhaus gebracht. Am 25. März zogen sich die Spartakisten nachts nach Dorsten zurück. Am 27. und 28. März kam es in Schermbeck zu Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Spartakisten. Hoppius aus der Steintornachbarschaft, der von den Spartakisten zum stellvertretenden Bürgermeister ernannt worden war, wurde am 28. März von der Reichswehr erschossen. Bei einem Gefecht starben weitere fünf Spartakisten.
Der Einsatz der dritten Marinebrigade sorgte dafür, dass die Spartakisten in Raesfeld und Schermbeck schnell zurückgedrängt wurden. Beim Rückzug zerstörten die Rotarmisten die Lippebrücke in Dorsten und die Fähre in Schermbeck.

Um der nach Süden wegziehenden Truppe der Roten Armee zügig folgen zu können, errichtete das Pionierbataillon der dritten Marine-Brigade einen Übergang über die Lippe (im Hintergrund: Idunahall). In der Nacht zum 29. März 1920 wurde eine zweite Behelfsbrücke in Schermbeck angelegt. © Helmut Scheffler (Repro)
In der Nacht zum 29. März baute die Marine-Brigade Behelfsbrücken über die Lippe und trieb die Rote Armee am 29. und 30. März über Gahlen und Besten zurück. Wie viele Rotarmisten starben, ist unbekannt. Zwei Soldaten der Marinebrigade starben in Gahlen. Für Unteroffizier Johann Bruhn und den Schützen Hans Lankenau wurde ein Gedenkstein errichtet, der sich heute auf dem Friedhof der Evangelischen Kirchengemeinde befindet.

An zwei Soldaten der Marine-Brigade, die Ende März 1920 im Gefecht in Gahlen starben, erinnert dieser Grabstein auf dem Friedhof der Evangelischen Kirchengemeinde Schermbeck. © Helmut Scheffler
Anfang April 1920 hatte die Reichswehr alle Spartakisten ins Ruhrgebiet zurückgedrängt. Die Schermbecker und Gahlener Bevölkerung konnte aufatmen.
Im Verlauf von mehr als vier Jahrzehnten habe ich das Zusammenwachsen von acht ehemals selbstständigen Gemeinden miterlebt, die 1975 zur Großgemeinde Schermbeck zusammengefügt wurden. Damals wie heute bemühe ich mich zu zeigen, wie vielfältig das Leben in meinem Heimatort Schermbeck ist.
