„Das Leben ist ungerecht - und das ist gut so“ Schermbeckerin Miriam Höller im Interview

„Das Leben ist ungerecht - und das ist gut so“: Miriam Höller im Interview
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Miriam Höller (37), Ex-Stuntfrau und vielfach ausgezeichnete Top-Keynote-Speakerin für Resilienz, Mut & Veränderungsbereitschaft, hat jetzt ihr erstes Buch „Das Leben ist ungerecht - und das ist gut so“ veröffentlicht. Ein Buch, mit dem sie Mut machen möchte. Ein Interview.

Sie haben viele Tiefschläge hinter Ihnen, was haben sie mit Ihnen gemacht?

Damals arbeitete ich als Stuntfrau, stand immer auf Bühnen und begeisterte Menschen. Durch meine Tiefschläge, die ja auch durch die Medien gegangen sind, musste ich mich dann komplett neu erfinden, da ein Comeback als Stuntfrau nicht mehr infrage kam. Ich habe dieser Situation einen Sinn geben wollen. Und das hat mich aufrecht gehalten, weil ich mir immer die Fragen gestellt habe: Wofür ist mir das alles passiert? Letztendlich sind wir selbst es, die alles bewerten. Und das ist der Grund, warum ich heute Vorträge zum Thema Resilienz halte.

Miriam Höller springt aus einem Flugzeug.
Hier ist Miriam Höller beim Skydive Hawaii zu sehen. © privat

Nach acht Jahren veröffentlichen Sie jetzt Ihr erstes Buch mit dem Titel „Das Leben ist ungerecht – und das ist gut so“. Wie kam es dazu?

Ich begann noch im Krankenhaus damit, meine Gedanken aufzuschreiben. Damals, als meine Füße nach einem Unfall gebrochen waren, ging es mir richtig schlecht. Schreiben war für mich die beste Möglichkeit, mit diesen Tiefschlägen umzugehen. Daraus ist mein Buch entstanden, welches eine Mischung aus dieser echten Lebensgeschichte von damals und der Miriam von heute ist, die ihre Lehren daraus gezogen hat.

Welche Lehren sind das?

Ich musste meine Vorstellung vom Leben komplett verwerfen, weil sich das Leben nicht kontrollieren lässt. Das Leben hat halt ganz andere Spielregeln. Und ich war Spielanfänger. Ich habe wirklich das Gefühl, immer wieder neue Herausforderungen meistern zu müssen. Und dann gilt es, zu entscheiden: Bist du in der Opferrolle? Bleibst du stehen? Zerbrichst auch an dem, was das Leben dir vor die Füße schmeißt? Oder lernst du, resilient zu sein? Lernst du jetzt, damit umzugehen und Verantwortung zu übernehmen? Das war meine mutige Entscheidung. Ich wollte wieder aufstehen.

Wie haben Sie es geschafft, diese mutigen Entscheidungen jeden Tag für sich zu treffen?

Ich kam an den Punkt, an dem ich verstanden habe, dass nichts in meinem Leben weiter geht, wenn ich liegen bleibe, ich musste handeln. Es gab auch bei mir Tage, an denen ich einfach zu müde war, und dann lässt man den Tag auch mal Tag sein. Aber es geht darum, den nächsten Tag wieder aufzustehen und zu sagen: Okay, jetzt versuche ich es wieder. Ich bleibe dran.

Für wen haben Sie Ihr Buch geschrieben?

Ich habe es wirklich für jeden geschrieben, der gerade in einer privaten, beruflichen oder finanziellen Krise steckt. Der Leser geht mit mir meinen Prozess durch und liest, wie ich mit Herausforderungen umgegangen bin. Bei mir sind alle drei Säulen innerhalb kürzester Zeit kaputtgegangen. In jedem Fall soll es helfen, auf das Unvorhersehbare des Lebens besser vorbereitet zu sein und ermutigen, große Hürden meistern zu können. Genau das ist das Ziel, warum ich das Buch geschrieben habe.

In Ihrem Buch teilen Sie Ihre persönlichsten Momente. Wie lange dauerte der Prozess der Heilung bei Ihnen?

Es war ein langer Prozess. Heilung braucht Zeit. Nach zwei Jahren zum Beispiel konnte ich noch gar nicht die Lehren von heute haben. Da war ich noch gar nicht gesund und reflektiert. Deshalb erscheint mein Buch erst nach acht Jahren. Die vergangenen drei Jahre nahmen Zeit für das Konzept des Buches ein. Hinzu kam die Entscheidung, welche Texte ich nehme, kürze, noch mal schärfe. Es war ein sehr wichtiges Aufräumen meines Lebens und meiner Vergangenheit. Ich gebe da wirklich das bisher wertvollste Werk aus meiner Hand in die Hände von fremden Menschen. Es sind sehr intime Einblicke. Auch Momente, bei denen ich mich frage, ob ich das so teilen sollte. Aber genau das ist halt wiederum das Leben - zu tun, wovor du Angst hast.

Wie ging es Ihnen damit?

Das war ein riesengroßer, mutiger Schritt von mir, mein Herz so aufzumachen und solche intimen Lebensmomente zu teilen. Ich beschreibe in dem Buch zum Beispiel den Moment, wo ich meinen toten Lebensgefährten verabschiede. Das macht man nicht einfach mal so. Doch ich wusste immer, wofür ich das Buch schreibe und dass es Menschen helfen wird.

Miriam Höller spricht auf einer Bühne.
Miriam Höller ist mittlerweile eine Top-Keynote-Sprecherin für das Thema Resilienz. © privat

Wenn es gut läuft: Es gab zuletzt Liebesgeflüster, dass Sie glücklich mit Roland Trettl gesehen wurden. Und auf Social Media haben Sie beide es auch bereits öffentlich gemacht. Mögen Sie sich dazu äußern?

Ja, ich bin in einer Beziehung mit ihm und superglücklich. Ich hätte nie gedacht, dass so ein großes Geschenk noch mal in mein Leben kommt. Das hat mir gezeigt: Genauso wie das Leben dir schlimme Dinge vor die Füße wirft, gibt es dir auch wunderschöne Dinge. Ich stehe jeden Morgen mit einem klaren Ja zum Leben auf. Ich glaube nicht an Happy Endings. Ich fühle mich wohler in meinem Happy Endless. Weil ich weiß: Da kommt noch was.

Ihre Wurzeln liegen in Schermbeck. Welche Verbindung haben Sie zu Ihrer Heimat?

Meine Heimat hat einen besonderen Wert. Damals konnte ich nicht schnell genug aus diesem Dorf raus, wollte ein außergewöhnliches Leben. Meine Wurzeln sind mir wichtig. Hier ist meine Familie. Hier leben meine Freunde von früher. Ich bin für meine Jobs oft unterwegs. Diese Sicherheit aber und auch dieses Vertraute, das finde ich nur in meiner Heimat. Es ist wichtig, Schönheit in der Zerstörung zu finden. Durch meine Tiefschläge weiß ich meine Heimat heute ganz anders zu schätzen.

Wie stellen Sie sich die Miriam von morgen vor oder bleiben Sie im Jetzt?

Ich mag die Miriam von heute definitiv, weil sie sehr viel dafür getan hat, die Miriam von heute zu sein. Mein Wunsch wäre, dass die Miriam von morgen so glücklich ist wie jetzt.

Miriam Höller sitzt mit eingegipsten Beinen in einem Flugzeug.
Miriam Höller hatte sich beide Beine gebrochen. Doch sie hat nicht aufgegeben und weitergemacht. © privat

Was bleibt?

Wenn wirklich die gesamte Welt um dich gefühlt zusammenbricht - und das meinte ich gerade mit diesen Säulen, die bei mir ja kaputtgegangen sind - dann bleibt die Stärke in dir. Wir unterschätzen oft, wie stark wir wirklich sind und das ist genau das, was bleibt. Ich bin diejenige, die bleibt.

Was möchten Sie Menschen mit auf den Weg geben, die gerade jetzt vor einer Herausforderung stehen?

Du bekommst keine Aufgaben, für die du nicht bereit bist, keine Aufgaben, für die du nicht stark genug bist. Du hast die Stärke, wenn du sie brauchst. Wir wachsen in Herausforderungen, also nutze sie für dich. Das Leben ist ungerecht. Und das ist gut so.

Deswegen der Titel?

Ja, genau. Der Titel ist hart, wenn man ihn liest und gerade in so einer Herausforderung steckt. Das ist auch der Grund, warum das Buch erst jetzt herauskommt. Ich musste erst Frieden mit meiner Vergangenheit schließen. Heute kann ich sagen, es ist gut so, weil aus dem Schmerzhaftesten etwas Neues entstanden ist und ich daran gewachsen bin.

Haben Sie Ziele?

Ich stecke mir keine großen Ziele mehr. Wenn es jetzt so weitergeht, wie es gerade läuft, bin ich sehr dankbar. Reisen ist für mich ein großes Thema, viele schöne Dinge erleben, Zeit mit meiner Familie und den wichtigsten Menschen verbringen. Momentan geht es mir sehr gut. Mein Ziel ist einfach, dass es so lange wie möglich so gut weiterläuft.

Zum Thema

Das Buch erscheint am 30. Januar 2025

Zum Inhalt: Als Ex-Stuntfrau war Miriam Höller schon als Kind eher Wildfang als Prinzessin. Bereits bei ihrer Lebensplanung überlässt sie nichts dem Zufall: Als Teenagerin für ihren Berufswunsch als Stuntfrau belächelt, hat sie mit 18 ihr erstes Profi-Engagement und gründet mit Mitte 20 ihr eigenes Stuntteam. Ihr Markenzeichen wird die einzigartige Kombination von Ästhetik und Action.

Doch auch der größte Erfolg schützt nicht vor Ungerechtigkeit. Plötzlich treffen sie zwei Schicksalsschläge nacheinander: Als sie sich bei einem Helikopter-Stunt in High Heels beide Füße bricht, findet ihre Karriere ein jähes Ende. Wenig später stirbt ihr Lebenspartner bei einem Hubschrauberabsturz. Eindringlich und lebensbejahend schildert Miriam Höller, wie sie wieder auf die Beine gekommen ist – und wie wir noch an der schwersten Krise wachsen können.

Das Leben ist ungerecht: Und das ist gut so, Herausgeber: Econ (30. Januar 2025), 320 Seiten, ISBN-10:3430211239, ISBN-13: ‎978-3430211239