Schafzüchter Erich Specht in Gartrop hat in den letzten Wochen mehrere seiner wertvollen Suffolk-Schafe verloren. Sie wurden getötet. Zuletzt wurden am 23. August drei Schafe aus einer 19-köpfigen Herde durch Kehlbisse getötet, am 25. August 2 von 16 Schafen. So hat es die AG Wolf protokolliert. Nichts scheint zu helfen, um den Wolf abzuschrecken. Auch der Zaun in Höhe von 1,20 Meter nicht. Was tun?

Die Schafzüchter sorgen sich um ihre Tiere und ihre Existenz. Manch einer ist kurz davor, aufzugeben. Nun trafen sich Politiker, Schafzüchter, Deichschützer und weitere Experten und diskutierten miteinander. Unter ihnen auch der NABU-Vorsitzende Wesel, Peter Malzbender, der sich die Sorgen der Schafhalter anhörte. Finanzielle Hürden, Hochwasser, Wolf, Blauzungenkrankheit. Nicht ohne Grund fragen sich die Schafzüchter der Region: „Hat die Schafhaltung am Niederrhein noch eine Zukunft?“
Dramatische Situation
Die aktuelle Lage spitzt sich dramatisch zu. „Jeden zweiten Tag sehen wir gerissene Schafe. Es ist unerträglich“, sind sich die Schafzüchter einig. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Denn Herdenschutzzäune kosten viel Geld - trotz Förderung. Hinzu kommen Pflege und Wartung. Für die großen Flächen ist von hohen Summen die Rede: 50.000 Euro investierte Schafzüchter Erich Specht bis 2023 in die Zäune und den Herdenschutz. 20.000 Euro wurden ihm durch eine Förderung erstattet. Die Pflege-, Instandhaltungs- und Wartungskosten kosten normalerweise 3000 bis 5000 Euro im Jahr, doch durch Reparaturen sei er allein in diesem Jahr schon bei rund 7000 Euro. Er und andere Schäfer wissen nicht weiter. Der Wolf überwinde die Zäune mit Leichtigkeit und lernt schnell.
Herdenschutz hat versagt
„Der Herdenschutz in NRW hat versagt“, erklärte Moderator Stefan Steinkühler. Berufsschäfer Maik Dünow unterstrich: „Der Herdenschutz frisst die Betriebe auf!“ Weiter sagte er: „Es ist eine Katastrophe, wir bleiben mit den Betrieben alleine“. Es passiere gar nichts. „Wir sind immer die Dummen.“ Wenn der Wolf nicht „entnommen“ werde, müsse am Herdenschutz was verändert werden. „So geht es nicht weiter“. Sie fordern Hilfe aus Düsseldorf und ein deutlich besseres, professionelles Wolfsmonitoring des Landes NRW. Die Schäfer fühlen sich angesichts der Lage hilflos. „Die Hilflosigkeit, die hier gerade herrscht, hat sich gesteigert“, so Steinkühler.
Sogar der NABU-Vorsitzende Peter Malzbender sagte, dass Gloria „gekillt, geschossen“ werden müsse. Aber nur, wenn Gloria die Risse offiziell nachgewiesen werden können, betonte er. Nur für den Fall, dass sie wirklich die Problemwölfin sei, die die Risse verursacht hat. Den Begriff „entnommen“ lehnt er ab.
Einig waren sich alle darin, dass das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, kurz LANUV, zu lange brauche, um die Fälle zu bearbeiten. „Sie lassen uns auch vonseiten des Naturschutzes total hängen“, so Malzbender. Es brauche ein schnelles Wolfsmonitoring. Klaus Horstmann, Fachdienstleiter für den Bereich Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei der Kreisverwaltung Wesel, kritisierte, dass der Abschuss von Gloria verboten wurde.
NABU äußerte sich
„Seriöse Aussagen zu den Wölfen der Region lassen sich aufgrund mangelnder Monitoring-Daten aktuell nicht treffen. Die Behörden wissen weder, wie viele Wölfe aktuell hier leben, noch wo sie sich bevorzugt aufhalten. Unbestätigt ist weiterhin, ob es in diesem Jahr Nachwuchs gab. Wir kritisieren die unbefriedigende Datenlage seit Langem. Jetzt auch in Zusammenhang mit den jüngsten Nutztierfällen“, erklärte Frank Boßerhoff vom NABU Wesel in einer Pressemitteilung. „Herdenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn alle sich daran beteiligen“, so Martin Frenk vom NABU Borken.
Christiane und Matthias Rittmann fragten Peter Malzbender, ob die Naturschutzverbände nicht auch einen Vorstoß machen könnten, damit das LANUV die Fälle schneller bearbeite. „Wir wissen ja, dass es in anderen Bundesländern deutlich schneller geht“, so Rittmann. Malzbender: „Was meinen Sie, wie oft wir denen auf den Keks gehen und fragen: Warum dauert das so lange? Wir werden abgewimmelt.“ Weiter betonte er: „Das LANUV muss aus dem Quark kommen“.
Schnelles Handeln gefordert
Auf dem Hof Specht war der Zaun 1,20 Meter hoch. Erich Specht hat schon alles getan. „Es gibt keine unmittelbaren Maßnahmen, die Herr Specht hätte ergreifen können“, brachte es Stefan Steinkühler auf den Punkt. „Bis vor Kurzem waren wir der Meinung, dass die Zäune sicher sind“, attestierte Erich Specht.
Das hätten auch Experten bestätigt. Sie forderten eine Art „Task-Force“ für das Wolfsmonitoring und bemängelten, dass es keinen Wolfsberater für Schermbeck gibt. In der Nacht können die Wölfe kaum geschützt werden, das sei nicht zu leisten. „Wir haben keinerlei Erkenntnisse, wie der Wolf hineingekommen ist“, so Specht. So müssen schnell Antworten gefunden werden. Handelt es sich um Gloria? Wie sieht es mit dem Abschuss aus? Wie lässt sich das rechtlich klären? Das wäre ein Zeichen an die Schafhalter.
Forderung nach Jagdrecht
Immer wieder wurde die Forderung nach einem Jagdrecht auf Wölfe laut. Die lehnt der NABU entschieden ab, da der Wolf zu den „streng geschützten“ und gefährdeten Tierarten zähle. Stephan Wolters (CDU) betonte: „Der Schutzstatus muss dringend geändert werden“. Dem stimmte Dietmar Brockes (FDP) und forderte, dass dringend, schnell und parteiübergreifend gehandelt werden müsse. Auch er forderte die Entnahme von Wölfen, damit die Schafhalter wieder ruhig schlafen und sich nicht jede Nacht fragen müssen, was mit ihren Schafen ist. „Die Frustration ist sehr deutlich geworden“, so Brockes.
Doch erstmals gingen die Gegner und Befürworter des Wolfes einen Schritt aufeinander zu und waren sich am Ende zumindest in einem Punkt einig: der Herdenschutz ist im Kreis Wesel gescheitert.