„Gloria von Wesel“ wird allmählich zur Problemwölfin

© Helmut Scheffler

„Gloria von Wesel“ wird allmählich zur Problemwölfin

rnWolfsriss

Den Heiligabend hatte sich die Familie Opriel anders vorgestellt. Statt in weihnachtlicher Stimmung den Tag zu beginnen, startete der Morgen mit einer ganz anderen Bescherung.

Schermbeck

, 26.12.2019, 12:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Beim morgendlichen Rundgang entdeckte Kurt Opriel gegen 6.30 Uhr auf der hofnahen Weide ein totes Schaf. Die Situation war nicht neu für den Schafhalter. Seit dem 23. September 2018 hat er schon zehnmal Schafe auf der Weide gefunden, die von einem Wolf gerissen worden waren.

Für sechs Termine, bei denen insgesamt 14 Schafe getötet und acht so verletzt wurden, dass sie später verendeten, kam später vom Senckenberg-Institut die Bestätigung, dass ein Wolf den Tod der Schafe verursacht hat. Ob es diesmal wieder ein Wolf war, muss zwar noch exakt im Rahmen des üblichen Verfahrens festgestellt werden, aber wegen ähnlicher Erscheinungsbilder bei früheren Rissen dürfte es wieder ein Wolf gewesen sein, zumal auf dem Feld nebenan die Absprungstellen mit deutlichen Spuren von Wolfspfoten zu erkennen waren.

Deshalb hat Kurt Opriel auch gegen 7 Uhr das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) informiert. Gegen 9.15 Uhr kamen zwei Wolfsberater, um das tote Schaf näher zu untersuchen.

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Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zog es vor, die ihr zugesandte WhatsApp mit einer Einladung zum morgendlichen Besuch nach dem Lesen nicht zu beantworten. Mit ihr hätten sich die etwa 40 Schafhalter am Heiligabend nur zu gerne über die unerträglich gewordene Lebens- und Wirtschaftsweise eines Berufszweiges unterhalten, der durch die permanenten Wolfsrisse geschädigt wird.

„Wenn das so weitergeht, dann ist die Schafhaltung am Niederrhein erledigt“

„Wenn das so weitergeht, dann ist die Schafhaltung am Niederrhein erledigt“, blickte Maik Dünow als Vorsitzender der Kreis-Schafhalter in die Zukunft. Mehr Sicherungsmaßnahmen könne ein Schafhalter nicht mehr vornehmen. Kurt Opriel hat seine Weiden weit besser geschützt, als es die Behörden vorgaben. Statt eines 90 Zentimeter hohen Zaunes hat er zwei Zäune mit Höhen von 130 und 102 Zentimetern errichtet, die etwa 40 Zentimeter voneinander entfernt stehen. Mit zusätzlichen Pfählen wird ein Durchhängen des Zaunes verhindert. Ein Daten-Logger zeichnet zudem die Stromstärke auf. Trotz aller Maßnahmen ist der Wolf wieder zu den Schafen gelangt und hat nach dem Töten des Schafes die umzäunte Wiese an derselben Stelle wieder verlassen.

Zu den morgendlichen Besuchern gesellte sich auch Ingo Hüser, der Deichgräf des Deichverbandes Mehrum. „Wir können solche Sicherungsmaßnahmen auf unseren Deichen nicht vornehmen und haben das inzwischen auch den Behörden deutlich gemacht“, verwies Hülser auf die Schwierigkeiten der Deichverbände, eine für den Hochwasserschutz dringend notwendige Deichbeweidung wolfssicher vorzunehmen.

„Eine Deichbeweidung ist alternativlos“

„Die Deichbeweidung ist alternativlos“, stellte Holger Friedrich als Geschäftsführer des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze und als gewählter Sprecher des Arbeitskreises Hochwasserschutz und Gewässer NRW fest und fügte hinzu: „Politik und Behörden müssen unbedingt handeln, denn dass ‚Gloria‘ eine Problemwölfin ist, kann jeder sehen.“

„Es muss ein praktikabler Herdenschutz her“, forderte die Gahlenerin Christiane Rittmann, deren Schafe schon mehrfach gerissen wurden. Die Empfehlung der Behörden, einen Herdenschutzhund zu halten, sei nicht praktikabel. Diese Hunde würden erst ab 100 Schafe gefördert, könnten aber die an mehreren Stellen weidenden Schafe nicht gleichzeitig schützen.

Enttäuscht zeigte sich Kurt Opriel darüber, dass sein Antrag auf Vergrämung des Wolfes vom Landrat Dr. Ansgar Müller bislang noch nicht beantwortet wurde. „Der Kreis muss warten, bis die Gutachten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) vorliegen“, erklärte Heiligabend Klaus Horstmann vom Fachdienst Naturschutz beim Kreis Wesel die noch ausstehende Beantwortung von Opriels Vergrämungsantrag.

„Eilantrag auf Entnahme von GW954f“ gestellt

Als Konsequenz auf die nicht enden wollende Serie von Wolfsrissen an seinen Schafen hat Kurt Opriel Heiligabend einen „Eilantrag auf Entnahme von GW954f“ beim Kreis Wesel gestellt und dem LANUV eine Kopie übermittelt. „Die Wölfin hat gelernt, sich über den Herdenschutz hinwegzusetzen. Ich bin mit meinem Latein am Ende und die mentalen wie auch wirtschaftlichen Belastungen durch die Übergriffe bringen mich an meine Grenzen“, schreibt Opriel in seinem Antrag. Mittlerweile müsse davon ausgegangen werden, dass seine Schafe trotz entsprechender Herdenschutzmaßnahmen einer immer wiederkehrenden Gefahr durch die Wölfin ausgesetzt seien.

Bewegung in der Frage, ab wann ein Wolf entnommen werden darf, erhofft sich Ansgar Tubes als NRW-Sprecher der Bewegung „Land schafft Bewegung“ von einem Gespräch, das er am 13. Januar mit dem NRW-Ministerpäsidenten Armin Laschet führen wird.

Eine Mischung aus Groll und Wut an Heiligabend

Eine Mischung aus Groll und Wut beherrschte am Heiligabend die Stimmung. Die Tatsache, dass am Vorabend des Weihnachtsfestes binnen dreier Stunden Schaf-, Alpaka- und Pferdehalter aus dem gesamten Kreis Wesel zum Ort des Hünxer Wolfsrisses kamen, belegt, dass die Tierhalter inzwischen einen starken Schulterschluss zeigen. Die Empfehlung der Pferdehalterin Tanja Kampen, die toten Schafe der Umweltministerin auf den Schreibtisch zu legen, spricht für die wachsende Bereitschaft der Tierhalter, die Ebene des reinen Gespräches zu verlassen.

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