Wohin mit den vielen Autos im Ortskern? Die Schermbecker Politiker stehen am Dienstag ab 16 Uhr vor einer schwierigen Entscheidung. In der letzten Ratssitzung hat Hans-Rainer Roman vom Ingenieurbüro Runge IVP die Ergebnisse des seit Mai laufenden Verkehrsversuches vorgestellt. Jetzt müssen die Parteien Farbe bekennen.
Im Tagesordnungspunkt 7 des Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschusses ist zu entscheiden, welche Verkehrsführung nach Beendigung des Verkehrsversuches am 17. September angestrebt wird und von der Verwaltung umgesetzt werden soll. Die Verwaltung sieht derzeit drei Entscheidungsmöglichkeiten:
- Beantragung einer Verlängerung des Versuches bei der Straßenverkehrsbehörde des Kreises Wesel für weitere Untersuchungen oder zur Überführung der versuchsweisen Verkehrsführung in einem dauerhaften Zustand und Vorbereitung etwaiger Umbaumaßnahmen.
- Beantragung einer Verlängerung des Versuches mit einer alternativen Verkehrsführung bei der Straßenverkehrsbehörde des Kreises Wesel zur Untersuchung einer veränderten Verkehrsführungsvariante.
- Beendigung des Verkehrsversuches zum 17. September und Wiederherstellung der vorherigen Verkehrsführung.
Derzeit spitzt sich die öffentliche Diskussion auf die Frage zu: Soll die Mittelstraße vom motorisierten Verkehr befreit werden und dadurch die bislang für den motorisierten Verkehr geschlossene Engstelle an der Marellenkämpe mit dauerhaftem Einbahn-Straßenverkehr belastet werden?
Während CDU-Fraktionsvorsitzender Rainer Gardemann erst nach der Fraktionssitzung am Montagabend ein Statement abgeben wollte, haben die Grünen als erste Fraktion bereits am Tag der Ratssitzung reagiert.
Das sagen die Grünen
„Ja, die Reduzierung des Autoverkehrs im Ortskern ist geglückt. Aber was ist der Preis? Viele Autofahrer müssen durch die Zweiteilung des Ortes erhebliche Umwege fahren. Das führt zu mehr CO2 -Ausstoß und damit zu einem Mehr an Umweltbelastung.
Auf der Mittelstraße wurden überraschenderweise weniger Fußgänger gezählt, die Anzahl der Fahrradfahrer hat sich nicht, wie erhofft, signifikant erhöht und die durch den Verkehrsversuch gefahrenen Mehrkilometer sind deutlich. Die Umwegfahrten wurden mit 4.400 km am Tag ermittelt. Das sind auf das Jahr hochgerechnet ca. 1,6 Millionen Kilometer (40-mal um die Erde).
Viele Geschäfte beklagen einen erheblichen Umsatzrückgang. Eine sinkende Kundenzahl ist ein deutlicher Hinweis, dass die Menschen sich außerhalb von Schermbeck versorgen.
Einige Betroffene haben bereits die Durchführung eines Bürgerentscheids uns gegenüber angedeutet, wenn die jetzige Regelung umgesetzt wird. Spätestens mit einem Bürgerentscheid spielt die schweigende Mehrheit keine Rolle mehr. Wir werden der derzeitigen Regelung unsere Zustimmung auf jeden Fall nicht erteilen.“
CDU-Kritik an den Grünen
Die CDU wirft den Grünen ein „falsches Spiel“ vor. „Grundlage für den Auftrag an den Verkehrsplaner waren zwei Anträge von CDU und Grünen, Die FRAKTION, SPD und FDP, in denen unter anderem im Grundsatz gefordert wurde, den gesamten Ortskern zu betrachten und den innerörtlichen Verkehr um 50 Prozent zu reduzieren. Dieser Beschluss wurde im Rat einstimmig – bei einer Enthaltung von Herrn Roth – gefasst.“
Die Umsetzung des Verkehrsversuches fasste der Planungs- Umwelt- und Mobilitätsausschuss am 7. Februar 2023 einstimmig, auch mit den Stimmen der Grünen. Umso merkwürdiger sei es nun, dass die Grünen den Schermbecker Bürgerinnen und Bürgern suggerieren, sie würden an der Spitze des ,Widerstandes‘ stehen. Durch ihre Intervention vor Gericht haben die Grünen und ihr Fraktionsvorsitzender Dr. Steinkühler lediglich erreicht, dass es künftig keine Arbeitskreissitzungen mehr geben wird und somit der Lokalpolitik hier und in möglicherweise vielen Kommunen einen Bärendienst erwiesen.´“

Das sagt die SPD
„Die SPD-Fraktion wird die ersten Erkenntnisse des Verkehrsversuchs genau analysieren. Selbstverständlich berücksichtigen wir dabei auch die eingegangenen Beschwerden und Bitten der Anwohner und Besucher“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
„ Wir haben in vielen Gesprächen die Einwände und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger aufgenommen, würden uns aber noch deutlich mehr Rückmeldungen wünschen. Die SPD möchte die für die Zukunft wichtigen Entscheidungen nicht nur für einzelne Gruppen treffen, sondern die bestmögliche Lösung für alle oder zumindest viele Schermbecker.“
Die FRAKTION macht Späße
„Wir können jetzt noch keine finale Positionierung abgeben“, heißt es in einer Mitteilung, die wir in Auszügen veröffentlichen. „Dem Willen der schweigenden Mehrheit von 80 Prozent folgend, müssen alle bisherigen Planungen verworfen und Beschlüsse aufgehoben werden. Ebenfalls den Erkenntnissen der Werbegemeinschaft folgend, werden in allen Straßen, wie Marellenkämpe, Kastanienstraße etc. die Geschwindigkeitsbegrenzungen und verkehrsflussreduzierende Maßnahmen aufgehoben und neue Verbindungen geschaffen. Darüber hinaus könnten in einem Modellprojekt die Anwohner von Einbahnstraßen zu ehrenamtlichen Verkehrspolizisten ernannt werden, um Verstöße nach eigenem Ermessen zu ahnden und fotodokumentarisch zu veröffentlichen.“
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Verkehrsversuch in Schermbeck: Kaum noch Autos auf der Mittelstraße
Das meint „Bürger für Bürger“
„Endlich werden die Schermbecker wach“, meint Sprecher Klaus Roth, der daran erinnert, dass er schon zum Jahresbeginn einen Test angeregt habe, die Mittelstraße zur Einbahnstraße zu machen und alle anderen Straßen zu öffnen.
„In den letzten Wochen habe ich mehrfach gefordert, den Verkehrsversuch sofort zu beenden. Leider ohne Erfolg. Diese meine Forderung möchte ich hiermit wiederholen: Beenden Sie endlich diesen Verkehrsversuch, um weiteren Schaden für die Gemeinde Schermbeck und insbesondere für die dort ansässigen Gewerbetreibenden zu verhindern!“
Gegner des Verkehrsversuchs planen am heutigen Dienstag um 15 Uhr eine Demonstration vor dem Schermbecker Rathaus. Eine Stunde später beginnt die Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschusses. Auch die Möglichkeit eines Bürgerentscheids wird in den sozialen Medien diskutiert.